27. Januar 2016   Themen

Prozess der Wiederaufnahme der Beziehungen Kuba–USA

Am 17. Dezember 2014 wurde mit den gleichzeitigen Fernsehansprachen des US-Präsidenten Barack Obama und des kubanischen Staats- und Parteichefs Raúl Castro die Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba offiziell eingeleitet. Inzwischen wurden in beiden Hauptstädten Botschaften wiedereröffnet und Kommunikationslinien eröffnet. Dennoch handelt es ich bei der Normalisierung der Beziehungen um einen sehr komplizierten, langwierigen und widerspruchsvollen Prozess, dessen zeitliches Ende und dessen Ergebnisse noch nicht abzusehen sind. Das liegt an einer Reihe von Faktoren und zukünftigen Entwicklungen in den beiden Ländern und auf internationaler Ebene, z.B. der Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen, der Lösung der ökonomischen Probleme in Kuba, der weiteren Entwicklung in einer Reihe lateinamerikanischer Länder wie Venezuela und Brasilien aber auch in Europa, China, etc. Vor allem aber liegt die Komplexität des Normalisierungsprozesses an den völlig unterschiedlichen, um nicht zu sagen widersprüchlichen Interessen, die sowohl Kuba als auch die USA damit verbinden:

Kuba ist an einem möglichst günstigen internationale Umfeld für die Fortführung und Bewahrung des sozialistischen Charakters der kubanischen Gesellschaft interessiert. Die USA ihrerseits suchen nach dem Eingehstehen des Scheiterns ihrer Politik der Ausgrenzung und Isolierung Kubas nach anderen Wegen zur Durchsetzung ihrer Ziels, einen Systemwechsel in Kuba herbeizuführen.

Die kubanische Partei- und Staatsführung unter Raúl Castro hat wiederholt klargemacht, dass die Prinzipien der kubanischen Revolution nicht zur Disposition stehen. Dabei genießt die kubanische Revolution - wie selbst Kritiker zugeben müssen - auch weiterhin das Vertrauen und die Unterstützung einer breiten Mehrheit der Bevölkerung.

Weiter unterstreicht die kubanische Seite, dass es keinen "Ausverkauf" Kubas geben werde. Der vom 6. Parteitag der KP Kubas im April 2011 beschlossene "Aktualisierungsprozess" des Wirtschaftsmodells, sprich die Umsetzung tiefgreifender Wirtschaftsreformen, werden oft nur als Prozess der Freisetzung von zahlreichen Arbeitskräften aus dem staatlichen Überbau und der Förderung der privaten Kleinunternehmen wahrgenommen. Stattdessen steht im Mittelpunkt der entsprechenden vom Parteitag beschlossenen Leitlinien die nachhaltige Steigerung der Effektivität der staatlichen (Industrie-) Betriebe, die auch weiterhin als der zentrale und entscheidende Teil der kubanischen Wirtschaft angesehen werden. Die zahllosen Privatunternehmen finden sich überwiegend im Servicebereich bzw. im Bereich der Produktion von Konsumgütern. Für ausländische Investitionen hat die kubanische Regierung bzw. das Parlament eine Reihe von Erleichterungen beschlossen, gleichzeitig aber auch Sorge dafür getragen, dass Kuba stets die Kontrolle behält.

Dies alles macht deutlich, dass Kuba im Prozess der Normalisierung der Beziehungen zu den USA sein eigenes Projekt verfolgt und nicht von außen zu einem Kurswechsel gezwungen wurde. Der wirtschaftliche Umbau des Landes orientiert sich an der Zielstellung, nach der sehr schwierigen Zeit der "Sonderperiode in Friedenszeiten", von 1990/1991 bis etwa 2001, der kubanischen Bevölkerung dauerhaft eine deutlich spürbare Verbesserung des materiellen Lebensniveaus zu ermöglichen. Kuba ist aber derzeit noch nicht in der Lage, das dafür notwendige Wachstumstempo von ca. 4 Prozent der Wirtschaft aus eigener Kraft zu sichern.

Ein großes Hindernis auf dem Weg zu einer weiteren wirtschaftlichen Stabilisierung und zur Sicherung eines stabilen Wirtschaftswachstums ist die fortbestehende Wirtschaftsblockade der USA, die auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit Kubas mit Deutschland und anderen Ländern beeinträchtigt. Kuba werden dadurch Jahr für Jahr hohe wirtschaftliche Verluste z.B. über unnötigen Transportwegen und des erschwerten Zugriffs auf moderne Technik und neue ressourcen- und umweltschonende Technologien verursacht. Ohne die vollständige Aufhebung dieser völkerrechtswidrigen Blockade, siehe die klaren Beschlüsse der UN-Generalversammlung, wird es keine wirkliche Normalisierung der Beziehungen mit den USA geben.

Die politischen Veränderungen in Lateinamerika in den letzten 15 Jahren - insbesondere das Entstehen einer Reihe von national-progressiven, demokratischen und teilweise linken Regierungen, haben die Position Kubas in der Region wesentlich gestärkt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den Anwachsen linker Tendenzen in Lateinamerika und der Entwicklung in Kuba. Ohne die solidarische Unterstützung vor allen durch die ALBA-Staaten, aber auch durch Brasilien, Argentinien, usw. wäre es für Kuba nicht möglich gewesen, die wirtschaftlichen Folgen der Sonderperiode zunehmend zu überwinden und zugleich den politischen Einfluss der USA in der Region weiter zurück zu drängen, wie dies beispielsweise durch die Schaffung von UNASUR (Union Südamerikanischer Nationen ) und CELAC (Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten) - beide OHNE die USA und Kanada - zum Ausdruck kommt.

Über den lateinamerikanischen Partner Brasilien, den wichtigen Handelspartner China und den ehemaligen Hauptpartner Russland, der wieder eine engere Kooperation mit Kuba sucht, ist Kuba auch auf das engste mit den BRICS-Staaten verbunden, die die strategisch günstige Lage Kubas vor den Küsten der USA und des lateinamerikanischen Kontinents schätzen. Auch die Nähe zu dem Großprojekt eines interozeanischen Kanals in Nikaragua, das durch China finanziert und gebaut wird, wertet die Lage Kubas und in diesem Zusammenhand auch seinen im Entstehen begriffenen neuen Tiefseehafen Mariel weiter auf.

Andererseits ist die Linksentwicklung Lateinamerikas ohne Kuba schlechterdings vorstellbar: ohne die Beispielswirkung und den Beweis, dass es möglich, sich vom Einfluss der USA zu befreien! Außerdem hat Kuba in den letzten 20 Jahren eine geduldige Politik des Miteinanders, der Unterstützung und der Solidarität gegenüber Lateinamerika und der Karibik verwirklicht, die vor allem auf die größtmögliche Einheit aller demokratischen und progressiven Kräfte, auf die Stärkung demokratischer Entwicklungen und die Unterstützung von Friedensprozessen ausgerichtet war. Die Tatsache, dass die Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-EP in Havanna stattfinden, ist in diesem Zusammenhang kein Zufall.

Diese Unterstützung, die Kuba gegenwärtig aus Lateinamerika erhält benötigt es auch aus Europa. Dabei ist die Rolle von nationalen oder europäischen Solidaritätsorganisationen und -netzwerken immens wichtig und gerade Cuba Sí wird in diesem Zusammenhang sehr geschätzt. Politische und materielle Solidarität mit Kuba sind wichtig und werden es auch bleiben.

Im Sinne der oben angesprochenen Erneuerung und Erweiterung der produktiven Basis der kubanischen Wirtschaft braucht Kuba weitere Partner und erwartet sich in diesem Zusammenhang eine beiderseitig vorteilhafte Zusammenarbeit mit einer Reihe von EU-Mitgliedsstaaten, darunter nicht an letzter Stelle Deutschland. Dies sollte in naher Zukunft möglich werden, jetzt da die Verweigerung der Zusammenarbeit mit Kuba auf der Basis des sogenannten Gemeinsamen Standpunktes der EU vor dem Scheitern steht. Die Solidaritätsorganisation, aber noch mehr für die Linke in Deutschland und der EU müssen jetzt darum kämpfen, dass die Versuche, die sich neu anbahnende wirtschaftliche Kooperation für eine politische Einflussnahme im Sinne einer Systemwechsel-Politik zu missbrauchen, verhindert oder doch zumindest beschränkt werden. Dass die Intention auch seitens der Bundesregierung besteht, hat AM Steinmeier im Anschluss an seine Kuba-Reise im Juli dieses Jahres deutlich zu verstehen gegeben.

Ein Jahr nach dem 17. Dezember 2014

Ein Jahr nach der Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen den USA und Kuba am 17. Dezember 2014 hat sich die neue Politik Washingtons gegenüber Havanna konkretisiert. Mehrere Strafmaßnahmen der USA gegen Kuba wurden abgebaut, zugleich kann sich die Regierung von Präsident Barack Obama nicht mit dem Ansinnen durchsetzen, die Blockade gänzlich abzuschaffen. Parallel zur Annäherung entwickeln politische Stiftungen in den USA weitere Programme, um den Einfluss auf einen erhofften Transitionsprozess in Kuba zu verstärken. Dies steht im Einklang mit der neuen Politik der „soft power“, in deren Rahmen auch europäische und damit deutsche Akteure eine neue Rolle einnehmen.

Nach der Ankündigung der Wiederaufnahme der bilateralen Beziehungen Mitte Dezember 2014 fanden in Havanna mehrere Treffen von Diplomaten beider Staaten statt. Dabei wurden zunächst der Rahmen festgelegt und Themen definiert. Die Obama-Regierung nahm bei diesen Zusammenkünften bis zum März 2015 zahlreiche Sanktionen zurück, darunter Einschränkungen der Reisefreiheit für US-Amerikaner nach Kuba und Importverbote für kubanische Waren, vor allem Tabak- und Alkoholprodukte. Zugleich wurde der Verkauf von Telekommunikationsgerät aus den USA nach Kuba erleichtert. Kubas staatlicher Telekommunikationsanbieter ETECSA unterzeichnete im Februar 2015 einen Vertrag mit dem US-amerikanischen Anbieter IDT. Ziel der Kooperation ist es, die Telefonverbindungen zwischen Kuba und den USA auszubauen. Im April wurde Kuba von der Liste der Staaten gestrichen, die nach Ansicht der USA Terrorismus unterstützen. Im Juli 2015 wurden die Botschaften der USA und Kuba wiedereröffnet, bis dahin unterhielten beide Seiten nur völkerrechtlich niederrangige Interessenvertretungen.

Kubanische Medien verbreiteten Ende Januar 2015 einen Brief Fidel Castros, in dem der inzwischen 89-jährige sein Misstrauen gegenüber den Vereinigten Staaten äußert, die die Chance auf eine friedliche Beilegung des Jahrzehnte währenden Konfliktes jedoch begrüßte. "Ich traue der Politik der Vereinigten Staaten nicht und ich habe nicht ein Wort mit ihnen gewechselt, doch das bedeutet keineswegs, dass ich eine friedliche Lösung der Konflikte oder der Kriegsgefahren ablehne", heißt es in dem dreiseitigen Schreiben an den Studierendenverband FEU. Kubas Präsident Raúl Castro erklärt wenig später, dass erst mit dem Ende der Handelsblockade gegen die Insel und der Rückgabe des Militärstützpunkts in Guantánamo die Beziehungen mit den USA vollständig normalisiert werden könnten.

Mitte April kamen Obama und Raúl Castro am Rande des Amerika-Gipfels der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zusammen. Die beiden Staatschefs begrüßten sich persönlich. Medien aus aller Welt hatten auf die symbolträchtigen Bilder des Händedrucks gewartet. Obama und Castro wechselten einige Worte und kamen später zu einem Gespräch zusammen, wie der lateinamerikanische Fernsehsender Telesur berichtete. Das letzte Treffen von Präsidenten beider Staaten hatte im Jahr 1956 stattgefunden.

Die US-Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, forderte den Kongress im August zur Aufhebung der Blockade gegen Kuba auf. Offene Wirtschaftsbeziehungen würden der Insel "mehr Würde und Demokratie" bringen als eine Fortsetzung der Isolationspolitik, sagte Clinton bei einer Rede an der Florida International University in Miami. Ähnlich äußerte sich Präsident Obama. Dennoch stimmten die USA im Oktober in der UN-Generalversammlung – gezwungenermaßen – erneut gegen eine Resolution Kubas zur Verurteilung der Blockade, unterstützt nur von Israel.

US-amerikanische Institutionen, die im Bereich der Außenpolitik und Entwicklungshilfe zum Einsatz kommen, bereiten sich indes auf eine intensivere Arbeit in Kuba vor. So suchte die Stiftung National Endowment for Democracy (NED) unlängst einen Programmreferenten für Kuba, der Besuche vor Ort durchzuführen hätte, um zum Beispiel die Arbeit der in Kuba geförderten Stipendiaten zu überwachen. Die Behörde des US-Außenministeriums für internationale Entwicklungszusammenarbeit, USAID, suchte Ende September mehrere Projektmanager für Kuba-Programme.

Deutsche Kuba-Politik

Im Europäischen Kontext hat die Bundesregierung bei der Ausgestaltung der Kuba-Politik bislang eine tendenziell negative Rolle gespielt. In der Arbeitsgruppe für Lateinamerika des Europäischen Rates setzten sich deutsche Vertreter in den vergangenen weisungsgemäß stets für eine Beibehaltung der restriktiven Politik ein. Die deutsche Kuba-Politik bewegte sich damit im Einklang mit der Position antikommunistischer Regierungen in Osteuropa, vor allem Warschau und Prag, aber auch nordischer Staaten wie Dänemark sowie den Niederlanden. An dieser Positionierung änderte sich auch nichts, als die Front der Kuba-Gegner zu bröckeln begann. Einer der Hauptpunkte der Debatte war in den vergangenen Jahren in erster Linie die Frage, ob der sogenannte Gemeinsame Standpunkt der EU gegenüber Kuba beibehalten wird. Dieses Dokument war 1996 auf Druck der USA und der damaligen rechtskonservativen spanischen Regierung durchgesetzt worden und zielt auf einen Wechsel des politischen Systems in Kuba ab.

Angesichts der Annäherung zwischen den USA und Kuba ist auch in die deutsche Kuba-Politik Bewegung geraten. Dabei hat sich zuletzt der Eindruck verstärkt, dass es eine Spaltung zwischen der Führung des Auswärtigen Amtes unter Frank-Walter Steinmeier und dem diplomatischen Apparat gibt. So hat der bisherige Lateinamerika-Beauftragte im Außenamt und neue BRD-Botschafter in Kuba, Thomas Karl Neißinger, eine eher konservative Politik gegenüber der lateinamerikanischen Linken verfolgt. Die kubanischen Genossen haben allerdings keine schlechte Meinung von ihm, was darauf hindeutet, dass er seine Haltung gemäß der Steinmeierschen Linie geändert haben könnte. Positiv ist die Berufung von Dieter Lamlé zu Neißingers Nachfolger im Auswärtigen Amt. Lamlé war bisheriger Protokollchef des Regierenden Bürgermeisters von Berlin. In den Drahtberichten der Ratsarbeitsgruppe Lateinamerika widerspiegelt sich die neue Politik gegenüber Havanna jedoch nicht in dem Maße wie sie Steinmeier zu vertreten vorgibt.

Der in diesem Kontext stehende Besuch von Steinmeier in Kuba Mitte Juli hat in dem sozialistischen Karibikstaat ein verhalten freundliches Echo gefunden. Während des knapp eineinhalbtägigen Aufenthaltes des Sozialdemokraten unterzeichneten Vertreter beider Länder Ende der Woche in Havanna zwei Rahmenabkommen über die politische, kulturelle und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Vereinbarungen blieben jedoch vage, ein seit Jahren geplantes Kulturabkommen wurde nicht in Kraft gesetzt. Dennoch brach der Besuch Steinmeiers mit einer im politischen Berlin lange verteidigten harten Linie gegen Havanna. Kubanische Diplomaten äußerten daher hinter vorgehaltener Hand die Hoffnung, dass sich nach dem Besuch Steinmeiers auch die deutsche Kuba-Politik innerhalb der EU ändert. Dies sei Voraussetzung für eine weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen Berlin und Havanna.

Zu erwarten ist, dass europäische und damit auch deutsche Institutionen in die transatlantische Regime-Change-Politik gegenüber Kuba eingegliedert werden. Ein erstes Anzeichen dafür ist ein von der Panter-Stiftung der Grünen nahen „tageszeitung“ im September organisierter Berlin-Besuch kubanischer Journalisten. Dabei wurden gleichsam regierungskritische Blogger und Journalisten eingeladen, die der sozialistischen Regierung nahe stehen. Ähnliche Ausbildungsprogramme waren bislang von der US-amerikanischen Interessenvertretung in Havanna angeboten worden. Vor der Umwandlung der US-Vertretung in Havanna in eine Botschaft hatte die kubanische Seite jedoch darauf gedrängt, dass solche Programme in der US-Botschaft künftig unterlassen werden. Regierungsnahe Journalisten wie der Blogger Iroel Sánchez gehen daher davon aus, dass sich die politische Arbeit gegen Kuba auch auf Deutschland verlagern wird.


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