31. Dezember 2019   Themen

Falsch entsorgte Lithium-Akkus verursachen Schäden in Millionenhöhe

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Immer mehr Brände durch falsch entsorgte Lithium-Akkus

Auch in Ländern, die sich einer Vorreiterrolle bei der Mülltrennung rühmen, werden Batterien häufig falsch entsorgt. Abfallbetriebe melden Schäden in Millionenhöhe.

Weihnachten ist auch das Fest der Lithium-Batterien. Sie sind überall: in den blinkenden Schuhen und der Drohne für den Nachwuchs, im neuen Laptop für die Mutter und im leistungsfähigeren Akku-Bohrer für den Vater – und natürlich auch in den kabellosen Kopfhörern, der elektrischen Zahnbürste oder dem Roboterspielzeug. Um Platz für neue Geräte zu schaffen, müssen all die Vorgänger entsorgt werden. Offenbar geschieht das oft weder vorschriftsmässig noch umweltbewusst, auch in Ländern wie der Schweiz und Deutschland, die sich einer professionellen Mülltrennung rühmen.

Die Lage ist im wahrsten Sinn des Wortes brenzlig: Immer mehr Abfallverwertungsbetriebe melden Brände, die höchstwahrscheinlich oder sicher von beschädigten Lithium-Akkus im normalen Müll ausgingen. Der Sprecher des deutschen Abfallwirtschaftsverbandes berichtet von knapp zwanzig solchen Bränden seit diesem Sommer, teilweise hätten diese grosse Schäden verursacht. Das deutsche Umweltbundesamt geht davon aus, dass mittlerweile in fast jeder Anlage, die alte Elektrogeräte zerlegt, ein Brand oder ein Fast-Brand pro Woche entsteht.

Versicherungen verweigern Policen

Auch in Österreich ist das Problem bekannt. Man habe in einigen Abfallbehandlungsanlagen ein infrarotbasiertes Detektions- und Löschsystem entlang der Sortierbänder installiert, berichtet Thomas Nigl von der Montanuniversität im österreichischen Leoben. «Wir finden dort 10 bis 20 hitzebedingte Störfälle pro Woche und Anlage», sagte Nigl. Nicht aus allen würden echte Brände, aber die Bänder müssten stoppen, damit Mitarbeiter kontrollieren könnten.

Auch in der Schweiz sei es in den letzten Jahren vermehrt zu Bränden durch im Müll entsorgte Lithium-Akkus gekommen, berichtete Markus Stengele vom Recyclingbetrieb Sorec in Gossau. Allerdings kämen Brände etwas seltener vor als in Deutschland, da hierzulande die Elektroaltgeräte kaum in grossen Containern, vielmehr in kleineren Palettenboxen gesammelt und somit weniger beschädigt würden. Das Feuer entsteht, wenn es in beschädigten Lithium-Akkus zu Kurzschlüssen kommt.

Die Brandprobleme in den Abfallzerlegebetrieben haben mittlerweile finanziell eine derartige Dimension erreicht, dass immer mehr Versicherungen entweder massiv die Policen erhöhen oder gar keine mehr anbieten.

Zur falschen Entsorgung kommt es wegen Gedankenlosigkeit, Bequemlichkeit oder auch Unwissen. Hand aufs Herz: Wer hat nicht schon einmal blinkende Kinderschuhe, kabellose Kopfhörer oder singende Weihnachtskarten im Hausmüll entsorgt? Offenbar viele, denn in der Schweiz landet laut Inobat, die das Batterie-Recycling organisiert, fast jede Vierte der 120 Millionen Batterien, die pro Jahr in der Schweiz verbraucht werden, im Hausmüll. In Deutschland kommen fast die Hälfte der in einem Jahr verkauften Gerätebatterien ins Recyclingsystem, also in die Rücknahmesysteme von Handel und kommunalen Müllsammelstellen. Der Rest ist entweder noch in Gebrauch oder landet im Hausmüll oder sonst irgendwo. Nicht alle Batterien enthalten Lithium-Ionen, aber ein grosser Teil davon.

Da Batterien im Abfall meist entladen sind, stellen sie ein deutlich geringeres Risiko dar als die wiederaufladbaren Lithium-Akkus. Allerdings ist die Rücklaufquote bei Akkus mit 15 bis 20 Prozent noch schlechter. Das liegt neben der längeren Lebensdauer vor allem daran, dass zwar viele Konsumenten ihre alten Elektrogeräte zu Sammelstellen bringen. Doch allzu oft werde dort der Akku nicht vom Gerät getrennt, kritisieren Abfallexperten. So landet dann der Föhn neben dem Mähroboter inklusive Lithium-Akku im selben Container. Massiv erschwert bis verunmöglicht wird eine fachgerechte Entsorgung auch dadurch, dass in immer mehr Geräten die Akkus unzugänglich verbaut und nur mit Werkzeug und technischem Geschick entfernbar sind.

Experten fordern daher eine andere Bauweise dieser Geräte. Darüber hinaus müssten alle Produkte mit Lithium-Akkus gut sichtbar gekennzeichnet werden, so dass Verbraucher wie auch das Personal von Müllsammelstellen eine korrekte – und notabene auch gesetzlich vorgeschriebene – Entsorgung dieser Produkte als Sondermüll vornehmen könnten. Aus fachgerecht entsorgten Lithium-Batterien und -Akkus werden diverse Wertstoffe, vor allem Kobalt und Nickel, wiedergewonnen. Lithium zu rezyklieren, ist dagegen derzeit wirtschaftlich nicht rentabel.

 

Für Wasserorganismen toxisch

Möglicherweise ist unser gedankenloser Umgang mit den immer zahlreicher werdenden Lithium-Akkus auch eine noch unterschätzte Gefahr für die Umwelt. Kürzlich zeigte eine Studie aus Südkorea, dass die Lithium-Konzentration im Han-Fluss, der mitten durch Seoul fliesst, hinter der Megastadt bis zu sechsmal so hoch ist wie davor. Die Konzentration per se ist mit zwei Millionstel Gramm pro Liter zwar nicht bedenklich und kommt an anderen Orten auch im Trinkwasser vor. Aber Isotopenanalysen haben ergeben, dass es sich in Seoul nicht um natürliche Auswaschungen aus Gestein handelt. Es kommt also nur der Mensch als Verursacher infrage. Wie das Lithium ins Wasser gelangt, ist hingegen noch unklar.

Es ist kaum zu befürchten, dass das Trinkwasser, das aus dem Han-Fluss gewonnen wird, für Menschen gefährlich ist. Lithiumhaltige Präparate werden auch als Antidepressiva eingesetzt. Sie haben zwar auch Nebenwirkungen, aber Patienten erhalten 900 bis 1200 Milligramm täglich, also weitaus mehr, als man mit Trinkwasser aus dem Han-Fluss je aufnehmen könnte. 

Mehr Sorge bereitet den Autoren aus Südkorea aber der Lithium-Gehalt im Abwasser von Kläranlagen. Dort fand man bis zu sieben Milligramm pro Liter. Damit ist eine Konzentration erreicht, die laut der European Chemical Agency für Wasserorganismen toxisch sein kann. Der Grenzwert liegt bei 1,65 Milligramm pro Liter. Auch wenn das Abwasser im Fluss verdünnt wird, so weiss derzeit niemand, ob für Wasserorganismen eine chronische Exposition schädlich ist. Wie es um die Flüsse und das Klärabwasser in anderen Weltregionen steht, wurde bisher kaum untersucht.

Lithium in konzentrierter Form. Drei Viertel des Rohmaterials stammen aus australischen Minen und Salzseen in Chile.

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