20. Februar 2020   Themen

Das Waldökosystem und dessen CO2-Senke sind in Gefahr

Naturgemäße Waldbewirtschaftung im Interesse des Waldes, der Forstleute und der Umwelt

 

Antrag der Bundestagesfraktion DIE LINKE.

Drucksache 19/11104-1911104


Der Bundestag wolle beschließen:

I.Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der einheimische Wald ist zurzeit in einer schwierigen Situation. Extremwetterereig-nisse wie Stürme bis zur Orkanstärke und der Dürresommer 2018 haben in vielen Regionen dem Wald massiv geschadet. Dazu kommen vermehrt auftretende Kalamitäten sowie ein steigendes Waldbrandrisiko. Zeitgleich kommt den Wäldern eine große Be-deutung für Klimaschutz, Biodiversität, Kultur und Erholung zu. Im Jahr entlasten un-sere Wälder die Atmosphäre um mehr als 50 Millionen Tonnen CO2 (Dritte Bundeswaldinventur „Der Wald in Deutschland“, 18.04.2019).

Das Waldökosystem und dessen CO2-Senke sind jedoch in Gefahr.

 

Im Jahr 2018 fielen durch extreme Trocken-heit und Forstschädlinge gut 30 Millionen Kubikmeter Schadholz an, was in etwa der Hälfte des jährlichen Holzeinschlags entspricht. Aufgrund der fehlenden Arten- und Altersvielfalt in vielen Wirtschaftswäldern sind diese anfälliger für solche Großschadensereignisse. Deshalb ist der Waldumbau hin zu einer naturgemäßen Waldbewirt-schaftung ein wichtiges strategisches Ziel, das unverzüglich umgesetzt werden muss.

Dazu braucht es qualifizierte und fair bezahlte Forstleute sowie Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter. Aufgrund der aktuellen Altersstrukturen in den heimischen Wäldern ergibt sich ein günstiges Zeitfenster für diesen dringenden Waldumbau. Dieser muss jedoch von der Politik vorangetrieben und entsprechend unterstützt werden.

Nachhaltige Waldwirtschaft ist immer ein Generationenprojekt. Daher werden mögliche Er-gebnisse auch erst mittel- bis langfristig das Risiko von Großschadenslagen deutlich senken. Schnelles Handeln ist daher geboten. Unsere Nachkommen werden es uns danken.

II.Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1.einen Gesetzentwurf vorzulegen, um den nötigen Waldumbau hin zu einer Viel-falt standortgerechter und heimischer Baumarten und durchmischten Altersstrukturen unverzüglich zu beschleunigen;

2.Rahmenbedingungen zu schaffen, um die naturgemäße Waldbewirtschaftung konsequent in der Fläche umzusetzen;

Drucksache19/11104– 2 –Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

3.sich gemeinsam mit den Ländern zu bundeseinheitlichen Betreuungs- und Sozi-alstandards für Beschäftigte in der Forstwirtschaft zu verständigen;

4.einen Gesetzentwurf vorzulegen, um 5 Prozent der Waldfläche Deutschlands bis2020 als Naturwald zu schützen, wie in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategiebeschlossen;

5.Maßnahmen zur Vorbeugung von Waldbränden stärker zu fördern und Wald-brandschutzmaßnahmen in risikoreichen Waldbeständen flächendeckend umzu-setzen;

6.einen Gesetzentwurf vorzulegen mit dem Ziel standortangepasster Wilddichtenin der Fläche, um die Naturverjüngungsfähigkeit von Wäldern sicherzustellen;

7.Verbissgutachten und Vegetationsgutachten als Fördermaßnahme innerhalb desRahmenplans zur „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“(GAK) aufzunehmen;

8.die stoffliche Verwertung von Holz (v. a. im Bausektor) und den Abbau vonHemmnissen in der Baubranche voranzubringen, für eine ressourceneffizienteKaskadennutzung von Holz, ohne dabei den Druck auf die Wälder zu erhöhen.

Berlin, den 25. Juni 2019

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Begründung In der Nachkriegszeit mussten schnell viele ehemalige Waldflächen wiederaufgeforstet werden. Dazu bedienten sich die Forstleute, im Vergleich zu Laubbäumen, schneller wachsenden Nadelbäumen (z. B. der Fichte und der Kiefer), die zusätzlich auf dem Holzmarkt höhere Preise erzielen. Dieses forstliche Konzept wurde waldpolitisch nur inkonsequent und viel zu spät korrigiert. Dadurch ist in vielen Regionen ein wenig belastbares Waldökosys-tem entstanden, das sehr anfällig für unvorhersehbare Extremwetterereignisse ist (wie z. B. orkanartige Stürme und Dürreperioden).

Zudem bietet dieses geschwächte Waldökosystem einen Nährboden für Großschäden am Wald durch Forstschädlinge oder Waldbrände. Zurzeit erleben wir eine Potenzierung der Großschäden die sich gegenseitig verstärken. Wenn die Bundesregierung es mit dem Schutz des Klimas und der Biodiversität ernst meint, dann muss der Umbau reiner Nadel- und Altersklassenwälder hin zu Laub- und Mischwäldern in verschiedenen Altersstrukturen eine größere Rolle spielen.

Standortangepasste Wilddichten in der Fläche sind Voraus-setzung für eine Naturverjüngung ohne teure Zäunung. Dabei muss jedoch auch klar sein, dass Wald und Wild Teil eines Ökosystems sind und beide ihre Daseinsberechtigung haben.

Die Ergebnisse einer zukunftsfähigen Waldwirtschaft sind erst mittel- bis langfristig zu sehen. Daher muss auch über kurzfristige Maßnahmen wie Waldbrandschutz und die Bekämpfung von Forstschädlingen nachgedacht werden. Im Falle von Großscha-densereignissen geht es auch um ökonomische Verluste in Bezug auf das Holz der Bäume, die gleichzeitig eine Bedrohung für die soziale Situation der Forstleute ist, die jedoch zwingend für den Waldumbau gebraucht wer-den. Deshalb ist das Aussitzen der Probleme keine Alternative. Aktuell ist der Holzpreis im Keller, sodass Holz nur noch als Hackschnitzel im Heizkraftwerk landet.

Daher muss auch über die langfristige Verwertung von Holz zum Beispiel beim Bauen sowie über eine verbesserte Altholznutzung ambitionierter nachgedacht werden, nicht nur in Großschadenslagen. Denn die wiederholte stoffliche Verwertung von Holz an dessen Ende erst die ener-getische Nutzung steht (Kaskadennutzung) bietet die Möglichkeit der langfristigen Bindung von CO2 in Holzpro-dukten und leistet somit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Eine zukünftige Waldstrategie muss sowohl gemeinwohlorientiert und nachhaltig gestaltet werden, mit dem Augenmerk auf eine naturgemäße Waldbewirt-schaftung.

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