26. Januar 2023   Themen

Zeitenwende: Die neuen Grünen haben ihr "Händchen" für Kriegstreiberei und Waffenverkauf an faschistische Regime entdeckt

Quelen:

Frankfurter Rundschau,

taz Berlin

Lützerath erschüttert Gewissheiten

Das Dorf wird als Symbol fortwirken. Denn die Frage, wofür wir als Gesellschaft Energie einsetzen wollen, ist noch nicht beantwortet. Ein Gastbeitrag von Ulrich Brand und Markus Wissen

Lützerath bleibt. Selbst wenn die Kohle irgendwann abgebaggert sein sollte, wird der Name des Ortes fortwirken: als Symbol für den Mut und den Einfallsreichtum von Menschen, die sich einem mächtigen Konzern ebenso wie der Staatsmacht widersetzen, und als Symbol für eine Politik, die die Zeichen der Zeit nicht erkennt.

Der sogenannte Kompromiss, den die Grünen mit RWE ausgehandelt haben, sieht vor, dass der Konzern in einer Zeit der eskalierenden Klimakrise weitere 280 Millionen Tonnen Braunkohle abbaggern und verbrennen darf. Im Jahr 2030 will er es dann gut sein lassen – und kann sich auf der Gewissheit ausruhen, dass bis dahin die gestiegenen Preise für Emissionshandels-Zertifikate die Kohleverstromung ohnehin unrentabel gemacht haben werden. Faktisch handelt es sich um einen als Kompromiss getarnten Freibrief für einen der weltweit größten Umweltsünder.

 

Der Abbau der Kohle unter Lützerath ist aus Gründen der Versorgungssicherheit und der Netzstabilität nicht nötig. Zu diesem Schluss kommen gleich mehrere Gutachten. Und selbst wenn die Kohle benötigt würde, um den bestehenden Strombedarf zu decken, wäre es ökologisch naheliegend, erst einmal diesen Bedarf zu problematisieren, bevor zu seiner Deckung noch mehr CO2 emittiert wird.

Denn: Müssen wir Strom für Autofabriken erzeugen, damit darin riesige Mengen an immer größeren Fahrzeugen hergestellt werden, die, einmal freigelassen, selbst Unmengen an Strom verbrauchen oder die fossilen Treibstoffe gleich selbst in Kohlendioxid verwandeln? Brauchen wir Energie für die Produktion riesiger Mengen an Kunststoffverpackungen, die nach einmaligem Gebrauch verbrannt oder ins Ausland exportiert werden? Das ist die Versorgungssicherheit einer Produktions- und Lebensweise, die bereits heute unzählige Menschen in eine existenzielle Unsicherheit stürzt.

Es braucht Bewegungen wie die in Lützerath

Sinnvoll und dringlich wäre es dagegen, sich auf das zu konzentrieren, was für ein gutes Leben aller notwendig und zudem ökologisch verträglich ist: ein nachhaltiges Mobilitätssystem, ein gut ausgebautes und für alle zugängliches Gesundheitswesen, energetisch sanierte und preiswerte Wohnungen oder ein Bildungssystem, das Unterschiede in der Herkunft ausgleicht, statt sie zu reproduzieren.

Dafür braucht es alarmierende soziale Bewegungen wie die gerade in Lützerath kämpfende Bewegung für Klimagerechtigkeit. Sie erschüttern scheinbare Gewissheiten, sie machen Anliegen sichtbar, die in den staatlichen Apparaten nicht vertreten sind, und sie gehen ans Eingemachte der kapitalistischen Produktionsweise: an die Möglichkeit, das Privateigentum an Produktionsmitteln letztlich auch zum Schaden der Allgemeinheit nutzen zu dürfen, solange dabei Profite, Wachstum und Steuereinnahmen herauskommen. Um Erkämpftes zu sichern, müssen gleichwohl irgendwo Pflöcke eingeschlagen werden.

Es gilt, Veränderungen rechtlich zu verankern und gegen Rückschritte abzusichern. Darin liegt eine Schwierigkeit, an der schon viele progressive Bewegungen gescheitert sind. Sie erzeugen Aufbruchstimmung, zeigen Alternativen auf und wirken politisierend auf jüngere Generationen. Doch ohne spürbare Veränderungen etwa durch das Ende der Verbrennungfossiler Energieträger, das Verbot von Fleischfabriken oder den Rückbau der Automobilität droht Frustration.

Nach Lützerath der Bewegung etwas zurückgeben

Genau hier wären progressive, machtkritische staatliche und parteipolitische Akteure gefragt. Sie müssten sich des Spannungsverhältnisses bewusst sein, in dem sie sich bewegen, und die Fähigkeit entwickeln, Politik in den und gleichzeitig gegen die Institutionen des kapitalistischen Staates zu machen. Statt soziale Bewegungen nur repräsentieren zu wollen, müssten sie zu deren Ermächtigung beitragen, aus der sie dann selbst Kraft ziehen.

Die Grünen haben dies versäumt. Aus der Selbstermächtigung der Klimagerechtigkeitsbewegung ziehen sie Wähler:innenstimmen. Aber sie geben der Bewegung nichts zurück, sondern überlassen sie im Matsch von Lützerath der staatlichen Repression, die ausgerechnet von einem grünen Polizeipräsidenten orchestriert wird.

taz-Berlin

Es ist ein dystopisches Bild. Am Rande einer gewaltigen Grube steht Lützerath – oder das, was davon noch übrig ist: Ein paar Bäume, auf denen Be­set­ze­rin­nen seit Tagen bei Regen und Kälte ausharren, die Reste von ein paar Häusern und viel, sehr viel, Schutt. Wenige hundert Meter weiter versuchen tausende De­mons­tran­tin­nen am Samstag, sich durchzukämpfen.

Um den Ort der Zerstörung zu verteidigen, greift die Polizei hart durch – es soll mehrere Schwerverletzte gegeben haben. Sanitäter über Einsatz in Lützerath: „Polizei ist sehr brutal vorgegangen“. Klima-Aktivist:innen sollen schwere und teils lebensgefährliche Verletzungen erlitten haben. Die Polizei verteidigt unterdessen ihr Vorgehen bei der Großdemonstration und NRWs Innenminister Reul gibt den "Chaoten" Schuld an den Gewalttaten.

 

Was passiert hier? Dass die Kohle unter Lützerath für die Energiesicherheit der Bundesrepublik nicht benötigt wird, ist mittlerweile erwiesen. Dass der vorgezogene Kohleausstieg eine Farce ist, bei dem die gleiche Menge an Kohle einfach schneller verfeuert wird, ebenfalls.

Der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck macht sich lächerlich, wenn er von einem „Kompromiss“ redet. Er hat dem Energie­konzern größtmögliche Zugeständnisse gemacht, dem Klimaschutz dagegen keine. Bundesregierung und Polizei machen sich zum Dienstleister eines privaten Unternehmens. Sie tun alles, um die Profitinteressen von RWE durchzusetzen – auch unter Anwendung von Gewalt.

Diese Verquickung eines Unternehmens mit einer staatlichen Ordnungsbehörde wurde noch deutlicher, als die Polizei Aachen stolz ein paar Bilder der zerstörten Häuser in Lützerath auf Twitter stellte, mit dem Kommentar: „Fortschritt der Abrissarbeiten der RWE Power AG“. Von Neutralität kann keine Rede sein. Umso beeindruckender, mit welchem Mut sich De­mons­tran­t*in­nen diesem Apparat entgegenstellen.

 

 

 

 

 

 

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