24. Januar 2018   Themen

Merkel, Schulz, Seehofer - Die Pattex-Parteichefs

Quelle: Cicero, Magazin f. politische Kultur

Autor: Konstantin Wißmann

Nicht die Begierde – nein, die Liebe zur Macht ist der Dämon des Menschen“, schrieb Friedrich Nietzsche einst. Was dieser Dämon mit mächtigen Menschen anstellt, lässt sich derzeit in Berlin und in Bayern beobachten. Die Parteichefs der einstigen Volksparteien – Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz – haben jeweils das schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl seit 1949 (CDU und CSU), im Fall der SPD sogar in ihrer Geschichte zu verantworten.

Aber anstatt die Verantwortung für diese Katastrophen zu übernehmen, machen die drei Parteichefs das Gegenteil. Sie klammern sich an ihre Positionen als wären diese Planken der untergehenden Titanic, nur damit beschäftigt, sich selbst irgendwie über Wasser zu halten und ohne sich darum zu kümmern, ob der Rest der Besatzung versinkt. Statt um Politik geht es um die eigene Person, statt um Überzeugungen in der Sache um die Überzeugung der eigenen Unersetzlichkeit. Man kennt das aus der Politik, aus der deutschen insbesondere. Konrad Adenauer, Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Gerhard Schröder – sie alle hatten ihre Verdienste, ein würdevolles Ende ihrer Amtszeit gehört nicht dazu. Aber das macht das aktuelle Schauspiel in Berlin und Bayern nicht weniger schäbig.

 

 

Die vielen Fehler des Martin Schulz

 

Der unschuldigste der drei historischen Wahlverlierer ist SPD-Chef Martin Schulz. Er ist noch nicht einmal seit einem Jahr im Amt, und Kanzlerkandidat und Parteichef wurde er auch hauptsächlich deswegen, weil kein anderer in der Partei den Posten wollte. Doch lassen sich 20.5 Prozent für eine Volkspartei nun einmal nicht wegdiskutieren, zumal Schulz mit einem Sympathie-Bonus bei der Bevölkerung, den Medien und der eigenen Partei gestartet war, wie ihn lange kein SPD-Kandidat hatte. Schulz’ Wahlkampf voller Pleiten, Pech und Pannen hat Markus Feldenkirchen im Spiegel eingehend beschrieben.

 

 

Doch auch nach der Wahl machte Schulz Fehler über Fehler, den entscheidenden gleich zu Anfang. Er legte sich und seine Partei noch am Wahlabend auf die Oppositionsrolle fest. Nicht nur alte SPD-Strategen wie Erhard Eppler haben das nicht für besonders klug gehalten. Doch damit nicht genug. Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen bekräftigte Schulz seine Regierungsabsage ohne Not erneut. Martin Schulz hat viel erreicht als Europa-Politiker, er könnte die Bundespolitik abhaken nach dem Motto: „Ich habe alles gegeben, es hat eben nicht gereicht.“ Doch nun hängt der Vorsitzende der Partei wie ein Klotz am Bein auf dem Weg zu einer Großen Koalition. Dass er selbst und die  SPD dabei einigermaßen ihr Gesicht wahren können, hat er fast unmöglich gemacht.

 

Seehofers Zinnober

 

Der Unverfrorenste der Machtklammerer ist der „Kini“ aus Bayern, Horst Seehofer. Noch in der vergangenen Woche hatte er mit großem Trommelwirbel einen Fahrplan angekündigt, mit dem die Ämterübergabe im bayerischen Ministeramt und der CSU-Parteispitze geregelt werden sollte. Dass dringend was passieren muss in Bayern, wo die CSU ein Jahr vor der Landtagswahl gerade mal 37 Prozent der Stimmen gewann, ist eigentlich jedem klar.

 

Heraus kam dann aus all dem Seehoferschen Zinnober: nichts. Bis auf einen „Gesprächskreis“, der pikanterweise mit Gegnern des ewigen Kronprinzen Markus Söder besetzt ist, und nun offenbar genau die Vorschläge erarbeiten soll, die Seehofer immer wieder ver- statt ausgesprochen hat. Man könnte auch sagen: Seehofer hat sich Zeit verschafft. Schon bei den Jamaika-Sondierungen war offenbar ein Ministerposten in Berlin für ihn eingeplant, darauf würde es wohl auch im Fall einer Großen Koalition hinauslaufen, den Parteivorsitz würde er behalten. Die Drecksarbeit, um die absolute Mehrheit in Bayern zu kämpfen, würde Seehofer dann, großzügig wie er ist, Markus Söder überlassen. Söder die schwierige Aufgabe zu erleichtern, indem er ihm ausreichend Spielraum gibt, als Ministerpräsident zu reüssieren, kommt Seehofer dabei nicht in den Sinn. Dass bei all der Spielerei in der Partei die Ungeduld und die Wut wächst, sie sich immer weiter zerreißt und die heilige absolute Mehrheit in Bayern immer stärker gefährdet wird, nimmt er dabei offenbar in Kauf. Hauptsache er, Seehofer, ist weiter oben und sein Rivale Söder strampelt sich weiter ab.

 

Merkels Erkenntnis der eigenen Unersetzlichkeit

 

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat schon einmal aus nächster Nähe erlebt, wie ein Parteivorsitzender partout nicht gehen wollte. Sie war Umweltministerin im Kabinett Helmut Kohls, in dem der Rekordkanzler immer übellauniger und unwilliger für jede Art von Kompromiss auftrat. 1998 sagte Merkel, offenbar im Zuge der Erfahrung mit Kohl, der Fotografin Herlinde Koelbl: „Ich möchte irgendwann den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der Politik finden.“ Das sei, fügte sie an, viel schwieriger als sie gedacht habe. Fast 20 Jahre später lässt sich festhalten: Es scheint immer schwieriger geworden zu sein, bis es nun gar nicht mehr geht.

 

Vor ziemlich genau einem Jahr, als es um den Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur der CDU ging, habe sie „Stunden um Stunden“ darüber nachgedacht, ob sie noch einmal antreten sollte. Das Ergebnis der Merkelschen Meditation, oh Wunder: Immer stärker wuchs Angela Merkels Erkenntnis, dass allein sie für die Ämter in Frage kommen könnte. Nicht bloß ihre Partei, Deutschland hätte ihr viel gegeben, was sie nun zurückgeben wolle. Blöd nur, dass so wenige Wähler von Angela Merkel etwas haben wollten, wie nie zuvor von einem CDU-Kanzler. 32,9 Prozent.

 

Merkel auch für Scheitern von Jamaika verantwortlich

 

Doch statt in der Analyse des Wahldebakels nach Fehlern zu suchen, offenbarte sich auch im Nachgang immer stärker die „Machtarroganz“ der Kanzlerin, wie sie Alexander Marguier geschildert hat. Jegliche mögliche Aufarbeitung versickerte in dem erstaunlichen Satz: „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssen“. Auch danach wurde es nicht besser. Denn natürlich fällt auch das Scheitern der Jamaika-Sondierungen unter die Verantwortlichkeit der Kanzlerin. Hier hätte sie all ihr gerühmtes Verhandlungsgeschick aufbringen, hätte für das Bündnis kämpfen müssen. Doch statt die Verhandlungen zu führen, moderierte Merkel sie bloß, wie FDP-Generalsekretärin Nicola Beer berichtete.

 

Nun bleibt der Union nichts als eine erneute Große Koalition, in der die SPD den Preis ungebremst nach oben treiben kann. Auch das könnte Merkel noch verhindern. Eine Minderheitsregierung aber liege ihr nun einmal nicht, heißt es.  Und würde sie sich selbst vom Feld nehmen? Die SPD würde sofort einschlagen, und die Union könnte mehr von ihren Zielen durchsetzen. Aber ein derart selbstloses Verhalten kann man von deutschen Spitzenpolitikern offenbar nicht verlangen.

 

Stattdessen müssen alle dabei zusehen, wie drei historische Wahlverlierer nicht nur an ihren Stühlen kleben, sondern fast ausschließlich damit beschäftigt sind, den Kleber anzurühren und ihn großflächig zu verteilen. Es ist erstickend.

Suche

 
 
 

Rosa Luxemburg Stiftung

 

Besucherzähler

Heute5
Gestern15
Woche28
Monat179
Insgesamt88092
 

Anmeldung