30. September 2019   Themen

NRWs Universitäten dürfen seit Beginn des Wintersemesters 2019 wieder militärisch forschen

Beitrag: Roswitha Engelke

Die Friedensklausel/Zivilklausel - Schranke oder inhaltliche Bestimmung der Wissenschaftsfreiheit?

Quelle: Grundrechtereport 2019, Arnold Köpcke-Duttler, Seite 81-84

Die Diskussion über eine universitäre Friedens- bzw. Zivilklausel geht nicht zuletzt auf Albert Einstein zurück, der alles Streben nach Wahrheit und Wissen achtete und jeden Versuch ablehnte, die Probleme der Menschheit durch kriegerische Gewalt zu entscheiden.

 

In seinem "Philosophieren nach Auschwitz und Hiroshima" hat Georg Picht später betont, dass der individuellen Freihe eine globale Verantwortung korrespondieren muss, soll die Humanität des Menchen bewahrt werden. Schon vor über zwanzig Jahren hat der Verfassungsrechtler Erhard Denninger Möglichkeiten und Grenzen einer  Bindung der Hochschulaufgaben an humanitäre, ökologische und soziale Grundsätze diskutiert.

Versuch einer Abschaffung

Nach dem aktuellen Hochschulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen leisten die Hochsculen einen Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt.

Sie sind friedlichen Zielen verpflichtet und müssen ihrer besonderen Verantwortung für einen nachhaltige Entwicklung nach innen und außen nachkommen.

Die Landesregierung will diese Friedensklausel bis zum Sommer 2019 streichen.
1 (*) 


In der amtlichen begründung ihres Entwurfes für das sog. Hochschulfreiheitsgesetz wird behauptet, dem Grundgesetz sein ein absolutes Friedensgebot fremd. Ein sloches wäre aber nötig,um den Eingriff in die vorbehaltlos gewährleistete Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre aus Artikel 5 Abs. 3 GG rechtfertigen zu können

Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken erzwängen die Streichung der Friedensklausel.

Das Hochschulfreiheitsgesetz solle die Hochschule schnell von zentraler Steuerung und bürokratischem Aufwand befreien, ihre Autonomie stärken. Das gelte auch für die Pflicht, zur Aufnahme von Friedensklauseln in die Grundordnungen der Hochschulen.

Die beabsichtigte Lossagung wom "Zwang zur Zivilklausel mit der Freiheit von Wissenschaft und Forschung zu begründen übergeht allerdings völlig die kontroverse verfassungsrechtliche Diskussion über den Sinn einer freien Wissenschaft und über das Friedensgebot des Grundgesetzes.

Kontroverse Diskussion um den Gehalt der Wissenschaftsfreiheit


Es ist bereits umstritten, ob das Grundgesetz die nicht-friedliche Forschung überhaupt schützt.

So wirkt nach Udo Fink Art. 26 Abs. 1 GG, der das friedlich Zusammenleben der Völker schützt, zurück auf den Gealt der Wissenschaftsfreiheit. Wissenschaft im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG sei die planmäßige Suche nach der Wahrheit; Forschung für friedensstörende Ziele diene arber nicht der Wahrheit. In Art. 26 Ags. 1 GG wird nach siesem Verständnis eine immanente, nicht durch den Staat aufgezwungene Grenze der Freiheit von  Wissenschaft und Forschung sichtbar. Auch nach Götz Frank prägt die verfassungsrechtliche Pflicht zur Gestaltung einer Friedensordnung - ausdrücklich genannt in Art. 9 Abs. 2 GG - alle Grundrechte, insbesondere Art. 5 GG. Der Friedensauftrag des Grundgesetzes stehe in einer inneren Verbindung mit der Freiheit der Wissenschaft und ihres Schutzbereiches.

Gabriele Britz 2 (*) vertritt demgegenüber ein weites Verständnis der Wissenschaftsfreiheit das auch Forschung zu nicht-friedlichen Zwecken einschließt. Enstsprechend stellen Verbote, inhaltliche Vorgaben aller Art und Einschränkungen bei der Ausübung von Forschungsvorhaben direkte Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit dar. Dies gelte auch für Rüstungsforschungsverbote.

"Friedensfinalität" als Verfassungsziel

Auch die nicht-friedliche Forschung dem Schutz der Wissenschaftsfreiheit zuzuordnen bedeutet allerdings nicht, dass Zivilklauseln verfassungswidrig wären. Wie alle Grundrechtseingriffe bedürfen solche Klauseln nach dieser Auslegung lediglich einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Auch dies übergeht der nordrhein-westfälische Entwurf zum Hochschulfreiheitsgesetz.

Bereits 1978 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass auch die Wissenschaftsfreiheit - wie alle ohne ausdruckücklichen Vorbehalt gewährten Freiheitsrechte - im Rahmen gemeinschaftsgebundener Verantworung steht (Beschluss vom 01.3.1987, Az. 1 BvR 3233/75). Grenzen oder Inhalt der Wissenschaftsfreiheit bestimmen sich aus einer Abwägung mit anderen Gütern von Verfassungsrang. Dabei sei zugunsten der Wissenchaftsfreiheit stets zu berücksichtigen, dass gerade eine von gesellschftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft am besten diene. Aber die Reglung des universitären Lebens sei nicht festgelegt auf die absolute Freiheit für die Forschungs- und Lehrtätigkeit der einzelnen Wissenschaftlerin und des einzelnen  Wisschaftlers unter Vernachlässigung aller anderen im Grundgesetz geschützten Rechtsgüter. Die gesellschaftlichen Folgen wissenschaftlicher Erkenntnis zu bedenken sei als gesetzliche Verpflichtung mit dem Grundgesetz vereinbar. Helmuth Schulze-Fielitz spricht von der "verantwortlichen Autonomie der Wissenschaft".

In diesem Zusammenhang lässt der Gesetzentwurf auch jede Auseinandersetzung mit der "Friedensfinalität" des GG vermissen.

Diese verfassungsrechtlich gebotene Friedensförderungspflicht kommt in Artikel 26 GG zum Ausdruck. Denninger versteht sie nicht nur als existenziell wichtiges Staatsziel sondern auch als "unmittelbares Verfassungsrechtsgut", das, in einer Zivil- bzw. Friedensklausel ausgedrückt, gegen eine auf militärische Relevanz ausgerichtete Forschung in Anschlag gebracht werden und Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit verfassungsrechtlich rechtfertigen kann.

Befreiung von Krieg und Unmenschlichkeit

Friedlichkeit erachtet nicht nur Denninger als konstitutives Motiv und Element der Verfassung; die Friedensfinalität des Grundgesetzes zu beachten führt nicht zu einer Einschränkung der Freiheit der Wissenschaft, sondern trägt zur positiven Verwirklichung dieser Freiheit bei, die ohnehin nicht als persönliches Prinzip der einzelnen Wissenschaftlerin oder des einzelnen Wissenchaftlers zu deuten ist.

Zudem ist das Staatsziel Frieden längst zu einem humanen Ziel geworden, das die Grenzen eines einzelnen Staates überschritten hat. Während des Zivilklauselzukunftskongresses 2014 in Hamburgwurd mit dem Blick auf die Genese des Grundgesetzes proklamiert, die Freiheit der Wissenschaft bedeute Befreiung von Krieg und Unmenschlichkeit, niemals Freiheit zu diesen. Mit Albert Einstein wurde gefordert, dass das Denken der ZukunftKriege unmöglich machen müsse. In seiner nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichten Abhandlng "Die Internationale des Geistes" hat der Rechtsphilosoph Gustav Radbruch, vor die Frage Weltfrieden oder Weltuntergang gestellt, geantwortet, wir könnten die Hoffnung nicht aufgeben, dass die "Geistigen der Welt" die furchtbare Gefahr für die Menschheit und die Menschlichkeit des Menschen od rechtzeitig erkennen und sich ihr nicht gefügig beugen. Der Geist dieser Hoffnun durchdringt auch Zivil- und Friedensklauseln.

 

 

Kommentar Roswitha Engelke:

Von 2014 ab bis zum Beginn des Wintersemesters 2019 durften in NRW-Hochschulen laut Zivilklausel im NRW-Hochschulgesetz ihre Forschungen nur für friedliche Zwecke betreiben. Dennoch floss wohl seit Jahren Geld vom US-Verteidigungsministerium für militärisch nutzbare Forschungen an NRW-Universitäten. Von 2008 bis 2019 profitierten in Nordrhein-Westfalen von Forschungsmitteln des Pentagon vor allem die RWTH Aachen sowie die Ruhr-Uni Bochum und die Uni Paderborn.

Die RWTH Aachen hat für sich sogar drei Exellenz-Cluster herausgeholt, was bedeutet, dass die Universität sieben jahrelang pro Jahr von 2019 ab mit einem Förderbetrag von 6,5 Mio Euro rechnen darf.

Recherchen des „Spiegel“, der Datenbanken mit US-Haushaltsdaten aus den entsprechenden Jahren ausgewertet hat ergaben, dass Mal ein paar Tausend Dollar zur Finanzierung einer Konferenz, mal Hunderttausende für die Erforschung von Sprengstoffen oder Radarsystemen beigesteuert wurden.

 

 

1 (* In Nordrhein-Westfalen können sich Hochschulen künftig wieder für militärische Forschung öffnen. Das ermöglicht das neue Hochschulgesetz, das der nordrhein-westfälische Landtag mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen CDU und FDP verabschiedet hat. Es tritt zum Wintersemester 2019/2020 in Kraft.)

2 (* Richterin des Bundesverfassungsgerichts u. Professorin für Öffentliches Recht u. Europarecht an der Justus-Liebig-Universität in Gießen)

 

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