08. April 2023   Themen

Wir sind nicht Baerbock

Entschuldigung

Quelle: Neulandrebellen

Dieser Text stellt eine Entschuldigung dar: Liebe Welt außerhalb des Westens, bitte vergebt uns. Unsere Führer sind wahnsinnig. Doch nicht alle im Westen sind es: Bitte berücksichtigt das, wenn ihr uns künftig zu ächten gedenkt.

 

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat sich neulich für den Westen und Baerbock entschuldigt. Er sagte: »Ich möchte mich bei der indischen Präsidentschaft und den Kollegen aus dem globalen Süden für das ungebührliche Verhalten einiger westlicher Delegationen entschuldigen, die die G20-Agenda in eine Zirkusarena verwandelt haben, um zu versuchen, ihre Verantwortung für wirtschaftspolitisches Versagen auf andere abzuwälzen, vor allem auf Russland.«

Das war nett von ihm. Aber eigentlich, wenn man es genau nimmt, ist das gar nicht seine Aufgabe. Es liegt ja nicht in seiner Hand, wen die westlichen Länder personell auswählen, damit jene ihre Interessen in der Welt vertreten. Er hätte sagen können, dass es ihm leidtue, dass die indischen Bemühungen so enttäuscht wurden – irgendwas in der Art. Aber für den Westen kann er sich nicht entschuldigen. Schon klar, natürlich war das auch ein propagandistischer Kniff, wie alles dieser Tage: Doch das ändert nichts daran, dass der Außenminister Russlands seine Kompetenzen überschritten hat. Wenn sie jemand zu entschuldigen hat, dann der Westen. Wir alle! Sie hier drüben! Der da hinten! Die Dame hier vorne! Und ja: Ich!

Wir sind nicht Baerbock!

In diesem Sinne, liebe Inderinnen und Inder, liebe Menschen außerhalb des Westens überhaupt: Es tut mir leid. Wie der Westen und ganz speziell wie die deutsche Delegation auftrat – und weiterhin auftritt. Ob nun in Indien oder sonst irgendwo 360 Grad und Hunderttausende Kilometer fern der Heimat: Es tut mir wirklich leid. Denn wir haben es so weit kommen lassen. Nicht Lawrow! Nicht ihr! Nein wir! In unserer Gesellschaft haben die Verrückten, die Bildungsfernen, die Spießbürger und Reaktionäre das Ruder in die Hand genommen. Und wir haben zugesehen.

Ja, wir haben es zugelassen, haben wie Voyeure zugeguckt, wie wir uns in die Hände von Führern begaben, die keine Kontrolle über ihr eigenes beschissenes Leben haben, aber glauben, sie könnten jetzt die Geschicke von 82 Millionen lenken – wenn man mal von Deutschland ausgeht. Baerbock kennt jeder von Euch da draußen: Man hat von dieser Frau ja auch außerhalb des Westens gehört. Lacht über sie. Aber zu lachen gibt es da nichts. Während ihr lacht, weil Deutschland sich von einer Frau vertreten lässt, deren kleinstes Problem noch ein Sprachfehler ist, schäme ich mich wie viele andere. Für die Frau? Nein, für mich! Für uns! Wir haben diesen Wahnsinn zugelassen.

Uns scheint nämlich längst jedes Gefühl für das Gemeinwesen abhandengekommen zu sein. Daher zucken wir nur mit den Achseln, wenn sich Clowns zur Wahl stellen. Ein großer Teil wählt dann sogar clownesk: Hinterfragt die Zirkusnummer gar nicht, sondern nennt das Normalität. Am Ende schicken wir dann Narren, Hanswurste und Filous hinaus. Wir haben uns für unser Versagen zu entschuldigen, liebe Ausländer des Nicht-Westens. Wir haben verkackt. Haben es zugelassen, dass unser Desinteresse zu euch kommt, um euch zu brüskieren und lächerlich zu machen: Um euch eine Welt zu erklären, die wir verprellt haben mit unserem Anspruch der Dominanz.

Wir sind aber nicht Baerbock! Wir haben uns nur die fadenscheinige Gabe angeeignet, unsere Trottel zu Führern zu machen: Offenbar sind wir zu milde mit ihnen. Früher ächteten wir sie als Dorfdeppen. Heute machen wir sie zu Kommunalfunktionären, lassen sie aufsteigen, in Landtage vordringen, in Bundestage votieren, in Ämter marschieren und am Ende die Welt in unserem Namen besuchen.

Entschuldigt bitte!

Seid bitte nachsichtig mit uns: Die Welt ändert sich, der Westen und Deutschland werden den Anschluss verlieren. Sie sind schon dabei, je lauter sie sich aufführen wie trotzige Kinder oder aggressive Demenzkranke, desto sicherer ist: Sie spüren den eigenen Deutungsverlust bereits, da heißt es also plärren, es übertönen. Dass die Welt unseren Führern und uns abhandenkommt, dieser Tatsache kann sich ein unipolar tickender Westen nicht mehr entziehen. Ihr habt es in der Hand, ihr Inder, Chinesen, Russen, ihr Brasilianer und Südafrikaner, ihr BRICS-Nachrücker: Euch gehört die Welt der Zukunft.

Die Frage wird sein wie sehr sie euch gehören wird: Mit einem Westen, der absteigt und den ihr auf Augenhöhe behandelt? Oder doch ohne ihn? An dieser Stelle möchte ich nochmal den Lawrow geben: Entschuldigt! Nicht alle im Westen sind so vermessen wie unsere Führer. Wir wissen, dass diese Welt nicht mehr gegeneinander, nur noch miteinander regiert werden kann. Die Zeiten westlicher Deutungshoheit sind vorbei. Und das ist gut so: Glaubt mir, es gibt hier viele, die das wissen und nicht festkleben wollen an diesen US- und NATO-Weltbild, das von einer Tatsache gezeichnet ist: Der Imperialismus ist längst vorbei – man gestehe sich das besser schneller als zu zögerlich ein.

Nach den Auftritten westlicher Politiker, nach mancher Baerbockiade der letzten Monate, wäre es natürlich ein Leichtes für euch, liebe BRICSer und Schwellenländer, dem Westen in Zukunft die kalte Schulter zu zeigen. Vielleicht denkt ihr dann an diesen kleinen Text, daran, dass nicht alle so großkotzig waren: Entschuldigt diesen ganzen Wahn, entschuldigt Baerbock und Konsorten.

Aber klar ist mir bei aller Entschuldigung auch: Die nächsten Wahlen bringen womöglich keine Veränderung mit sich. Die wahnsinnigen Führer in diesem Teil der Erde werden nicht ausgetauscht, sie werden euch künftig zu euch kommen und euch von oben herab schulmeistern. Alles wie gehabt. Irgendwie logisch, wenn ihr dann auf uns verzichtet. Nicht ihr, wir haben es verbaerbockt.

 

 

 

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