Deutsche Entwicklungshilfe oder lukratives Geschäft mit der Armut
Beitrag: Roswitha Engelke
Eigentlich sollten Mikrokredite Armut verringern. Sie sind Teil der deutschen entwicklungspolitischen Strategie.
In Kambodscha bewirkten sie jedoch eine hohe Verschuldungsrate. Mehr als zwei Millionen Kambodschaner*innen sind durch Mikro- und Kleinkredite verschuldet.
Ihre Schulden veranlassen viele von ihnen ins Ausland zu migrieren, wo sie zum Teil unter prekären Bedingungen arbeiten, um die Rückzahlung der Darlehen zu sichern.
LICADHO untersuchte den Zusammenhang von Verschuldung und Migration anhand einer Fallstudie eines Dorfes an der Grenze zu Thailand. In Interviews mit den Dorfbewohner*innen gab der Großteil der Befragten an, dass die hohe Verschuldung durch Mikrokredite der Hauptgrund für Arbeitsmigration von Familienangehörigen sei.Fast alle Familien in diesem Dorf stehen bei Kreditinstituten in der Kreide. Müßten sie ihr Land verkaufen, würden sie ihre Lebensexistenz verlieren.
Die hohe Anzahl an verschuldeten Kreditnehmer:innen, die die Rückzahlungen nicht leisten können, führe „in einer nicht akzeptablen Zahl von Fällen zu der Notwendigkeit für die Schuldner:innen, Land verkaufen zu müssen“, bestätigt nun eine aktuelle Studie der Universität Duisburg-Essen mit Förderung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
„In meiner Gemeinde sind Schulden das größte Problem. Sie wachsen und wachsen bis manche ihr Land verkaufen müssen“, sagt Community Organizer Om Somoul in einem Video auf der Webseite von Equitable Cambodia.
Bundesregierung kennt das Problem
Aus Deutschland kommt das Geld für den Finanzsektor unter anderem von der staatlichen Deutschen Entwicklungs- und Investitionsgesellschaft (DEG) in Höhe von rund 60 Millionen Euro. Es geht an zwei Geschäftsbanken, die Kredite an kleine und mittlere Unternehmen vergeben. Zusätzlich gibt es regionale Mikrofinanzprogramme der KfW Entwicklungsbank.
Viele Mikrofinanzinstitute sind jedoch eng mit ausländischen Banken, Investmentfirmen und westlichen Entwicklungsagenturen verbunden, die erhebliche Gewinne mit ihnen machen, schreibt die Menschenrechtsorganisation FIAN in einer Untersuchung zur genannten Problematik. Demnach beliefen sich die Gewinne im Jahr 2017 auf 130 Millionen US-Dollar. Und auch im Jahr 2020, als die Covid-19-Pandemie ausbrach, waren es „nach Angaben der Nationalbank von Kambodscha sogar 453 Millionen US-Dollar“. Die Berechnung umfasste 81 Kreditinstitute. Banken, die ebenfalls im Mikrofinanzsektor tätig sind, werden nicht berücksichtigt. Dazu Mathias Pfeifer, Referent bei FIAN:
„Die Entwicklungsbanken und Mikrofinanzfonds haben ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten in Kambodscha zweifelsohne missachtet“,
„Die Bundesregierung und andere Geber wissen seit mindestens 2017 um die gravierende Überschuldung in Kambodscha. Sie haben aber so gut wie nichts unternommen, um das Problem anzugehen, und pumpen bis heute Millionen von Euro in den Sektor“.
Mehr Information
Mikrokredite und die Überschuldungskrise in Kambodscha im Kontext von
COVID-19
Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Eva-Maria Schreiber, Andrej Hunko,
Żaklin Nastić, Helin Evrim Sommer und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 19/25519 –
Spiegel: Lukratives Geschäft mit der Armut