14. Juni 2016   Themen

Action & Fun oder Kanonenfutter für Ressourcenkriege?

Verteidigungsministerin von der Leyen setzt auf Familienfreundlichkeit. Dabei denkt sie nicht nur an Kitas in Kasernen. Sie beruft auch Minderjährige ein, denn beim Bund darf man mit 17 an die Waffe.                                                                                   

2012 wurden nach Angaben der Bundesregierung 1216 freiwillig Wehrdienstleistende und Zeitsoldaten unter 18 Jahren, also Minderjährige eingestellt. Die Anzahl deutet auf ein leicht steigendes Interesse bei deutschen Teenagern am militärischen Dienst hin. Natürlich wird niemand die minderjährigen Bundeswehrangehörigen ernsthaft gleichsetzen mit den zwangsrekrutierten Kindersoldaten in afrikanischen oder asiatischen Kriegs- und Krisengebieten. Dennoch verdient die Tatsache, dass sich bereits 16-Jährige beim Bund bewerben und sich auf Eignung testen lassen können, um dann ab dem 17. Lebensjahr eine Ausbildung an der Waffe zu beginnen, besondere Aufmerksamkeit. Es reicht das Einverständnis der Eltern und schon unterliegen die Minderjährigen dem ganz normalen Wehrstrafgesetz.

Katrin Kunert, die sich in der Linksfraktion des Bundestages um Verteidigungspolitik kümmert, versuchte mit einer Kleinen Anfrage mehr Aufmerksamkeit zu erreichen. Gerade weil Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) so auf Familienfreundlichkeit pocht. Kunert meint, der beste Schutz für Familien bestünde darin, »Minderjährige nicht mehr für militärische Zwecke zu rekrutieren«. Die Abgeordnete beruft sich auch auf ein Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention aus dem Jahr 2002. Es wurde von Deutschland ratifiziert.

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat die Bundesrepublik bereits 2008 aufgefordert, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre zu erhöhen, »um den Schutz des Kindes durch insgesamt höhere gesetzliche Standards zu fördern«. Das Gremium wies darauf hin, »dass die große Mehrheit der Vertragsstaaten die Einberufung von Kindern (also unter 18-Jährige) nicht erlaubt«.

Mit der hierzulande geltenden Rekrutierungsgrenze von 17 Jahren befindet sich die Bundesrepublik in einer Gruppe von 24 Staaten, zu der Länder wie Algerien, China, Libanon, Malaysia, Saudi-Arabien und die USA gehören. Innerhalb der EU berufen nur noch Frankreich, Großbritannien und Österreich Minderjährige ein. Spätestens seit Aussetzung der Wehrpflicht 2102 versucht das Militär systematisch, Minderjährige für den Militärdienst zu begeistern. Denn pro Jahr sollen insgesamt 5000 bis 12 500 Stellen mit sogenannten "Freiwillig länger dienenden" besetzt werden.

2012 sind von den Meldebehörden 720 000 Datensätze von Jugendlichen im werbefähigen Alter erhoben und an die Truppe weitergegeben worden. Die lockt vor allem mit Action, Abenteuer und Fun - von der Wirklichkeit in Afghanistan ist abgesehen von der Höhe des steuerfreien Auslandsverwendungszuschlags kaum die Rede.

Rund 300 000 Jugendliche erreicht die Bundeswehr pro Jahr alleine durch Werbeveranstaltungen der Jugendoffiziere und Wehrdienstberater. Zudem spannen sich die Arbeitsagenturen ein. Deren Beratungsfachkräfte organisieren gemäß einem Vertrag mit dem Verteidigungsministerium in den Räumen der Agenturen spezielle Bundeswehr-Karrieretreffs. Das ist ein Service, den man weder für die Bundespolizei noch für die Bahn oder andere Bedarfsträger anbietet, bestätigte die Nürnberger Behörde auf nd-Nachfrage.

Natürlich fehlen nicht Hinweise darauf, dass man bei der Bundeswehr bereits mit 16 Jahren eine zivile Ausbildung beginnen kann. Hat man das entsprechende Alter erreicht, um den Blaumann mit der Tarnuniform zu tauschen, winken raschere Beförderungen und Vergünstigungen. Auch bei der Lehrerausbildung steigt die Einflussnahme der Bundeswehr. Das Militär schult jährlich um die tausend Referendare und bietet Fortbildungen für Lehrer an.

Foto v. Spülgel an der Lein

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