27. November 2019   Themen

Ramstein - Drehscheibe für US-Drohnenmorde von deutschem Boden aus!

OVG Münster gibt Klägern aus Jemen Recht: Bundesregierung muss sicherstellen, dass die US-Regierung in Ramstein das Völkerrecht einhält und Washington notfalls zur Ordnung rufen. Ramstein, Hauptquartier der United States Air Force in Europe, ist nicht nur Hauptumschlagplatz für US-Militärtransporte nach Mittelost, sondern auch Standort einer Relaisstation, über die Signale zur Steuerung der Drohnen aus den USA in die Operationsgebiete weitergeleitet werden.

Die Bundesregierung muß Drohnenangriffe der USRegierung von Ramstein aus  iihre Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht überprüfen und Washingteon gegeb


Die Klage zur Rolle Deutschlands im US-Drohnenprogramm ist Teil der rechtlichen Interventionen des ECCHR zu den Menschenrechtsverletzungen der USA im Namen der Terrorismusbekämpfung. Das ECCHR unterstützt gemeinsam mit seiner Partnerorganisation Reprieve die Kläger und ihre Rechtsanwälte. Beide Organisationen arbeiten seit fast zehn Jahren zu Klagen gegen US-Drohnenangriffe weltweit.

 

 

 

Die Bundesregierung muss US-Drohnenangriffe im Jemen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht überprüfen und Washington gegebenenfalls zur Ordnung rufen. Das schreibt ein am 19. März verkündetes Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vor, das einer Klage dreier Angehöriger jemenitischer Drohnenopfer teilweise stattgegeben hat.

Demnach hat die Bundesregierung womöglich ihre „Schutzpflicht“ gegenüber den zivilen Opfern – drei Al Qaida-Gegnern – verletzt, weil die US-Drohnenangriffe über die US-Luftwaffenbasis Ramstein abgewickelt wurden.  Zu den Mordoperationen, die US-Drohnenkrieger via Ramstein durchführten – auf der Basis gilt deutsches Recht -, gehörten auch tödliche Angriffe auf deutsche Staatsbürger, die ohne die Zuarbeit deutscher Behörden nicht durchführbar gewesen wären.

Zivilisten umgebracht

Das Gerichtsverfahren, in dem das Oberverwaltungsgericht Münster am gestrigen Dienstag geurteilt hat, war im Oktober 2014 von drei Jemeniten angestrengt worden. Die drei, Angehörige der Familie Bin Ali Jaber aus dem Dorf Khashamir im Osten des Jemen, hatten gegen die Bundesregierung geklagt, weil drei ihrer Verwandten am Abend des 29. August 2012 durch einen Angriff von US-Drohnen getötet und viele andere schwer traumatisiert worden waren. Der Angriff galt offiziell Al Qaida-Terroristen. Die Todesopfer waren als Al Qaida-Gegner bekannt; einer von ihnen hatte sich kurz zuvor in einer Predigt öffentlich gegen die Terrororganisation gewandt.[1] Abgesehen davon, dass offensichtlich Zivilisten umgebracht wurden, denen nichts vorzuwerfen war, ist zumindest zweifelhaft, ob es für den Angriff überhaupt eine juristisch zulässige Grundlage gab. Das Gericht in Münster hat jetzt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom Mai 2015, das die Klage abgewiesen hatte, revidiert und den Klägern in Teilen Recht gegeben.

„Als Mord einzustufen“

Das Münsteraner Gericht geht dabei von der für die Bundesregierung günstigen Annahme aus, dass der Einsatz von US-Drohnen im Jemen „nicht generell unzulässig“ sei.[2] Das ist keineswegs Konsens. „Außerhalb bewaffneter Konflikte … sind Tötungen mittels Drohnenangriffen strafrechtlich als Mord einzustufen“, konstatiert das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das die Angehörigen der Opfer unterstützt.[3] Die Vereinigten Staaten befinden sich nicht im bewaffneten Konflikt mit dem Jemen. Das Oberverwaltungsgericht macht sich nun aber die Auffassung zu eigen, die US-Drohnen würden im Jemen lediglich „mit Zustimmung der dortigen Regierung eingesetzt“. Bei der Regierung handelt es sich um prosaudische Kräfte, die im Bürgerkrieg gestürzt wurden und die Riad mit US-Unterstützung zurück an die Macht zu bringen sucht.[4] Freilich ist auch dann der Einsatz tödlicher Gewalt klar geregelt. Angriffe dürfen sich „grundsätzlich nur gegen Kämpfer der am Konflikt beteiligten bewaffneten Gruppe richten“, hält das Gericht fest; ob das nun aber bei den US-Drohneneinsätzen der Fall sei, daran bestünden erhebliche „Zweifel“.

Zahllose Tote

Tatsächlich kommen bei US-Drohnenangriffen keineswegs nur „bewaffnete Kämpfer“, sondern vielmehr zahllose Zivilisten ums Leben. So sind etwa im Jemen laut Angaben des Bureau of Investigative Journalism in London von den mehr als 1.000 Personen, die durch Drohnenangriffe getötet wurden, zwischen 174 und 225 zivile Opfer gewesen.[5] Ob die Angaben wirklich umfassend sind, ist unklar. So zählten die Londoner Journalisten in Pakistan zwischen 424 und 969 zivile Todesopfer. Pakistanische Stellen gaben die Anzahl hingegen mit 2.714 an.[6] Klar ist, dass Zahl der Opfer zunimmt. Wurden während der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama 1.878 Drohnenangriffe durchgeführt, so hat die Trump-Administration bereits 2.243 Attacken genehmigt. US-Präsident Donald Trump hat Anfang des Monats die von Obama im Jahr 2016 auf massiven öffentlichen Druck hin eingeführte Pflicht zur Veröffentlichung der Zahl ziviler Todesopfer bei Drohnenangriffen aufgehoben.[7] Kritiker waren ohnehin nicht überzeugt, über die wirkliche Gesamtzahl umgebrachter Zivilisten informiert zu werden.

Drehscheibe Ramstein

Die Bundesregierung ist, wie das Gericht in Münster bestätigt, in die Angriffe involviert, da für die US-Drohnenangriffe die US-Luftwaffenbasis in Ramstein nahe Kaiserslautern genutzt wird. Ramstein, Hauptquartier der United States Air Forces in Europe – Air Forces Africa (USAFE-AFAFRICA), ist mit über 8.000 Militärs und Hunderten zivilen Beschäftigten der größte US-Luftwaffenstützpunkt außerhalb der Vereinigten Staaten.

Er hat eine zentrale Funktion als Drehscheibe für US-Material- und Truppenverlegungen nach Mittelost sowie ans Horn von Afrika; Berichten zufolge sollen geheime, nach deutschem Recht illegale Waffenlieferungen an Aufständische in Syrien über Ramstein abgewickelt worden sein.[8] Zudem wird Ramstein für die Evakuierung von Verletzten aus dem Mittleren Osten genutzt – im unmittelbar angrenzenden Landstuhl befindet sich mit dem Landstuhl Regional Medical Center das größte US-Militärlazarett außerhalb der Vereinigten Staaten. In Ramstein ist zudem das Air and Space Operation Center (AOC) untergebracht, in dem mehr als 500 US-Soldaten den Luftraum über Europa und Afrika überwachen.

Über das AOC werden zudem Drohnenangriffe im Mittleren Osten und in Afrika abgewickelt:

Piloten in den USA steuern die Drohnen mit Hilfe von Signalen, die über ein Glasfaserkabel nach Ramstein geleitet und von dort via Satellit in die Einsatzgebiete übertragen werden. Ramstein ist für den Drohnenkrieg der Vereinigten Staaten unersetzlich, weil die direkte Signalübertragung aus den USA in den Mittleren Osten wegen der Erdkrümmung nicht möglich ist.[9]

„Auf die Einhaltung des Völkerrechts hinwirken“

Wie das Oberverwaltungsgericht in Münster  geurteilt hat, obliegt der Bundesrepublik, weil die Drohnenangriffe mit ihren zahllosen zivilen Todesopfern über deutsches Territorium abgewickelt werden, eine „Schutzpflicht“ für potenzielle Opfer, der sie bislang nicht nachgekommen ist.

Sie müsse sich nun, heißt es in der Urteilsbegründung, vergewissern, „ob die generelle Praxis der amerikanischen Drohneneinsätze … mit dem geltenden Völkerrecht in Einklang steht“. „Erforderlichenfalls“ müsse sie „durch ihr geeignet erscheinende Maßnahmen auf die Einhaltung des Völkerrechts“ hinwirken.[10] Dazu sei sie auch deshalb verpflichtet, weil die Vereinigten Staaten in ihren Stationierungsvereinbarungen zugesagt hätten, sich an deutsches Recht zu halten. Tatsächlich wäre die deutsche Justiz im Grundsatz verpflichtet zu prüfen, ob sich US-amerikanische Soldaten in Ramstein der Beteiligung an Drohnenmorden etwa im Jemen oder in Somalia schuldig gemacht haben.

Auf der Anklagebank

Dabei gerieten allerdings auch deutsche Regierungsbehörden auf die Anklagebank.

Mit Hilfe von US-Drohnen sind zumindest in Pakistan auch deutsche Staatsbürger umgebracht worden.

Das war möglich, weil ihre Mobilfunknummern von deutschen Behörden an US-Stellen weitergeleitet wurden, die damit den Standort der Betroffenen präzise orten und Drohnen zur Exekution losschicken konnten.[11]

Die Aushändigung von Daten an US-Behörden ist dabei Routine. Laut den Snowden-Unterlagen gab der Bundesnachrichtendienst regelmäßig „gewaltige Mengen an Verbindungsdaten“ an die NSA weiter, darunter „Telefonnummern, E-Mail-Adressen, IP-Daten“.

Es gebe keinerlei Beweise dafür, dass der BND die US-Stellen darauf zu verpflichten suche, die Daten nicht für tödliche Drohnenangriffe zu nutzen, hielt im vergangenen Jahr Amnesty International in einer ausführlichen Untersuchung der Attacken fest.[12] Auch damit haben sich deutsche Stellen demnach umfassender zu US-Drohnenmorden schuldig gemacht.


[1] European Center for Constitutional and Human Rights: Fallbeschreibung. ecchr.eu März 2019.
[2] US-Drohneneinsätze im Jemen: Kläger erzielen Teilerfolg. ovg.nrw.de 19.03.2019.
[3] European Center for Constitutional and Human Rights: Questions and Answers. ecchr.eu März 2019.
[4] S. dazu Die Schlacht um Al Hudaydah.
[5] Drone Strikes and Covert Operations. thebureauinvestigates.com.
[6] Munawer Azeem: Thousands killed in drone strikes, terror attacks since 2004. dawn.com 09.11.2018.
[7] Trump revokes Obama rule on reporting drone strike deaths. bbc.co.uk 07.03.2019.
[8] Frederik Obermaier, Paul-Anton Krüger: Heikle Fracht aus Ramstein. sueddeutsche.de 12.09.2017.
[9] Der Krieg via Ramstein. spiegel.de 17.04.2015.
[10] OVG NRW, Urteil vom 19.3.2019 – 4 A 1361/15 – Wortlaut der mündlichen Urteilsverkündung.
[11] S. dazu Feindliche Kämpfer und Zur Tötung vorgeschlagen.
[12] Amnesty International: Deadly Assistance: The Role of European States in US Drone Strikes. Amnesty International, April 2018.

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