24. Februar 2021   Themen

Der Krieg ist der Fehler, die NATO muss endlich raus aus Afghanistan


Von Heike Hänsel, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Im Wortlaut, 19.02.2021

Die NATO hat ihre Entscheidung zum Afghanistan-Einsatz vertagt. Eigentlich sollten alle Truppen spätestens im April abgezogen werden. Das Bundeswehrmandat, das Ende März ausläuft, könnte dementsprechend erneut verlängert werden. Sogar eine Truppenaufstockung wird von deutscher Seite ins Spiel gebracht.

Dabei ist doch allen klar: Die NATO ist in Afghanistan gescheitert. Die Fortsetzung dieses verlorenen Krieges wäre eine fatale Entscheidung. Leidtragende ist wie immer die Zivilbevölkerung. Dieser seit fast 20 Jahren andauernde Krieg, angeblich für Menschenrechte und Demokratie, war und ist ein großes Verbrechen. Forderungen von SPD und Grüne, die den Kriegseinsatz in „uneingeschränkter Solidarität“ mit den USA 2001 beschlossen hatten, nach einer ehrlichen Bilanz des NATO-Einsatzes und Aufarbeitung der gemachten Fehler, sind zwar richtig. Aber überfällig wäre das Eingeständnis, dass der Krieg selbst der Fehler ist.

Besser wäre in Friedens- und Sozialprogramme investiert worden

Der NATO-Krieg in Afghanistan hat nach Einschätzung von Expertenorganisationen, wie dem Onlineportal Iraq Body Count, bereits mehr als 185.000 Menschenleben gekostet. Auch 59 Bundeswehr Soldaten sind seit 2001 in Afghanistan ums Leben gekommen. Die Bundewehr ist gleichzeitig verantwortlich für eines der größten Massaker an Zivilisten, 2009 in Kundus mit mehr als 140 Toten, für das die Angehörigen bis heute nicht einmal eine richtige Entschädigung erhalten haben.

Alleine der Einsatz der Bundeswehr hat bereits mehr als 10 Milliarden Euro verschlungen. Derzeit werden jährlich noch über 300 Millionen Euro fällig. Die Kosten für die USA werden allein zwischen 2001 und 2017 auf 2,4 Billionen US-Dollar geschätzt. Man stelle sich vor, das Geld wäre in Aufbau-, Friedens- und Sozialprogramme investiert worden, wie die Fraktion DIE LINKE stets gefordert hat. Dann wäre den Menschen in Afghanistan viel mehr geholfen gewesen.

Denn sowohl die Sicherheitslage als auch die humanitäre Situation sind verheerend. Heute kontrollieren die Taliban, unterstützt durch Pakistan, über die Hälfte des Landes. Die Gewalt und die Zahl der Anschläge nahmen zuletzt wieder deutlich zu. Nur für den Zeitraum Januar bis Oktober 2020 hat die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) 5.939 zivile Opfer gezählt (davon 2.117 Tote und 3.822 Verletzte). Dazu kommen geschätzt jährlich bis zu 10 000 afghanische Sicherheitskräfte und Soldaten, die in Kämpfen und durch Anschläge getötet werden. Allein im vergangenen Jahr sind laut aktuellen Zahlen von UN-OCHA knapp 380 000 Menschen innerhalb des Landes vor Kämpfen und Gefechten aus ihren Dörfern und Städten geflohen. Über 2,7 Millionen afghanische Flüchtlinge sind weltweit im Ausland registriert. Die Zahl der Menschen, die auf humanitäre Hilfe im Land angewiesen sind, hat sich seit Anfang 2020 von 9,4 Millionen auf 18,4 Millionen verdoppelt.

Für eine internationale Afghanistan-Konferenz

Auch die Zunahme an gezielten Tötungen von Journalisten ist besorgniserregend. Allein im letzten Jahr wurden 11 Medienschaffende ermordet, Afghanistan ist mittlerweile eines der gefährlichsten Länder für Journalisten.

Angesichts solcher Zahlen ist es kein Wunder, dass über 50 Prozent der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln aus Afghanistan stammen. Besonders zynisch ist es, dass trotz Krieg, Perspektivlosigkeit und Pandemie, erneut Menschen aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben werden. Die Linksfraktion fordert immer wieder einen Abschiebestopp für AfghanInnen. Wer Krieg führt, ist auch verantwortlich für die Kriegsflüchtlinge!

Statt Durchhalteparolen ohne jegliche Perspektive muss die NATO endlich raus aus Afghanistan und sich stattdessen für eine internationale Afghanistan-Konferenz unter Einbeziehung aller Nachbarstaaten stark machen. Es gibt keine Alternative zu Verhandlungen über politische Lösungen. Es müssen in Friedensverhandlungen allerdings alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen, Frauenorganisationen, Friedensgruppen, Medien, Gewerkschaften, alle progressiven Gruppen, die an Versöhnung arbeiten, einbezogen werden. Kriegsverbrecher und korrupte Regierungsmitglieder müssen verurteilt werden, es darf keine Straflosigkeit geben. Einen Verbleib der Bundeswehr in Afghanistan verbunden mit einer möglichen Truppenaufstockung, erteilt die Fraktion DIE LINKE eine klare Absage.

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