Merkels zynischer Jobgipfel in Berlin
Von Peter Schwarz WSWS
Die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa soll als Hebel zur Beseitigung der verbliebenen sozialen Rechte und Errungenschaften eingesetzt werden, lautet die Botschaft des europäischen Jobgipfels, der am 03.07.2013 im Berliner Kanzleramt tagte.
Unter Strukturreformen versteht Merkel die Abschaffung von gesetzlichen und tariflichen Regeln, die der uneingeschränkten Ausbeutung der Arbeiterklasse im Wege stehen – wie Kündigungsschutz, geregelte Arbeitszeiten, Mindestlohn, tariflicher Urlaub, sichere Renten und Ähnliches.
Als Vorbild nannte Merkel die Erfahrungen, die „wir Deutschen seit der Wiedervereinigung mit einem erfolgreichen Abbau der Arbeitslosigkeit durch Strukturreformen gesammelt haben“.
Merkel bezog sich damit auf die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze, die SPD und Grüne unter Kanzler Gerhard Schröder verabschiedet hatten und die zur Entstehung eines riesigen Niedriglohnsektors geführt haben. Von 42 Millionen Beschäftigten haben in Deutschland nur noch 29 Millionen einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz. Die restlichen arbeiten in prekären Arbeitsverhältnissen. Vier Millionen verdienen weniger als 7 Euro in der Stunde.
Merkel ließ keinen Zweifel daran, dass sie die Notlage der jungen Generation ausnutzen will, um ältere Arbeiter anzugreifen. Es sei „nicht klug, wenn das Arbeitsrecht in manchen Ländern nur für junge Leute flexibilisiert ist, nicht aber für Ältere, die schon lange Arbeit haben“, sagte sie. „Das befördert in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Jugendarbeitslosigkeit.“
Und schließlich gibt es eine unbekannte Zahl von „Überqualifizierten“, die weit unter ihren Fähigkeiten arbeiten – wie Universitätsabsolventen, die Taxi fahren, als Kellner jobben oder sich von einem Praktikum zum nächsten hangeln. Eine Studie der OECD aus dem Jahr 2011 schätzt die Zahl dieser „Überqualifizierten“ in der EU auf bis zu 65 Millionen, mehr als ein Viertel aller Erwerbspersonen.
Angesichts dieser Zahlen wirken die Maßnahmen der EU gegen die Jugendarbeitslosigkeit wie ein Hohn. Neben zusätzlichen Bildungsmaßnahmen sollen vor allem mittelständische Unternehmen subventioniert werden, die arbeitslose Jugendliche einstellen. Dadurch entstehen keine neuen Arbeitsplätze, sondern bestehende werden durch schlechter bezahlte ersetzt.
Die sechs Milliarden Euro, die die EU verteilt auf zwei Jahre gegen die Jugendarbeitslosigkeit einsetzen will, sind angesichts von 7,5 Millionen arbeitslosen Jugendlichen zudem lächerlich gering. Zur Einhaltung der versprochenen „Jugendgarantie“ – ein Job- oder Weiterbildungsangebot innerhalb von vier Monaten – reichen sie nach der allgemeinen Einschätzung von Fachleuten bei weitem nicht aus.
Quelle: Politik im Spiegel Zum Artikel