13. März 2014   Themen

Mindestlohn, der Dorn im Auge des Unternehmers

Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher DIE LINKE, Mitglied im Parteivorstand – 13. März 2014

Gefährdet Mindestlohn die Pressefreiheit?

Die Unternehmer haben nichts gegen einen Mindestlohn – solange er nicht dazu führt, dass die Menschen mehr verdienen. Das ist allerdings genau sein Sinn. Viele agitieren daher gegen den Mindestlohn und fordern Ausnahmen. Derzeit in vorderster Front: die Zeitungsverleger. Doch ihre Argumente sind schlecht.

In der deutschen Bevölkerung findet er schon seit Jahren eine Mehrheit. Mittlerweile haben es auch CDU und SPD gemerkt: Deutschland braucht einen Mindestlohn. Das liegt am „Erfolg“ vergangener „Reformen“: Mit Hartz IV, Agenda 2010 und anderen Maßnahmen ist ein Niedriglohn-Sektor entstanden, in dem die Menschen von ihrer Arbeit nicht mehr leben können. Vielen muss der Staat aushelfen – die Gemeinschaft zahlt, weil Unternehmer zu geizig sind, ihren Beschäftigen einen anständigen Lohn zu zahlen.

Nun soll er also kommen, der Mindestlohn von ohnehin mageren 8,50 Euro die Stunde. Doch die Unternehmen laufen Sturm. Ihre Wunschliste ist lang: Ausnahmen soll es geben für geringfügig Beschäftigte, Rentner, Schüler, Studenten, Langzeitarbeitslose, Saisonkräfte und so weiter. Auch einige Branchen fordern das Sonderrecht auf Dumpinglöhne.

An vorderster Front kämpfen derzeit die Zeitungsverleger: Sollten die 300.000 Zeitungsboten in Deutschland künftig einen Mindestlohn bekommen, seien nicht nur 16.000 Jobs gefährdet, sondern sogar die Pressefreiheit. Stimmt das?

Wird die Zeitungszustellung mit dem Mindestlohn zu teuer? Wohl kaum. Denn erstens verdienen viele Zusteller bereits einen durchschnittlichen Lohn von 8,50 Euro die Stunde. Zweitens machen die Zustellkosten gerade mal elf bis zwölf Prozent der Gesamtkosten der Zeitungsproduktion aus. Steigt der Zusteller-Lohn auf 8,50 Euro, dürften sich diese Gesamtkosten gerade mal um zwei Prozent erhöhen. Deswegen muss keine Zeitung zumachen.

Ihr Lohn ist für die meisten Zusteller bloß ein Zuverdienst, argumentieren die Verleger. Na und? Selbst wenn das zuträfe – warum sollte der harte Job des Zeitungsaustragens deswegen schlecht bezahlt werden? Nachtarbeit, Transport schwerer Zeitungspakete, Unfallrisiken im Winter, Pöbeleien, Angriffe durch Angetrunkene, all diese Härten verdienen angemessene Bezahlung.

Weiteres Argument: Boten werden nach Stücklohn bezahlt, also pro zugestellter Zeitung. Daher sei ein Mindestlohn, der nach Zeit berechnet wird, unmöglich. Aber auch dieses Argument ist schwach. Schließlich braucht man keine höhere Mathematik, um aus der jahresdurchschnittlichen Stückzahl zugestellter Zeitungen eine Normalleistung pro Zeiteinheit auszurechnen und diese als Stundenlohn zu vergüten.

Wenn der Mindestlohn tatsächlich die Pressefreiheit gefährden würde, dann würde das für alle Lohnerhöhungen gelten! Eine vollkommen abstruse Vorstellung. „Dieses Szenario ist abwegig“, kontert die Gewerkschaft Ver.di. Dann wären in dieser Logik alle Kostensteigerungen eine Gefahr für die Pressefreiheit: höhere Strompreise, LKW-Maut, Drucker-Löhne ... Und übrigens verlangt die Verfassung nicht nur die Freiheit der Presse, sondern auch eine angemessene Entlohnung für geleistete Arbeit.

Deutschland braucht den einheitlichen Mindestlohn. Wird die Lohnuntergrenze durch Ausnahmen durchlöchert, wirkt sie nicht mehr. Würde man allein die geringfügig Beschäftigten, Rentner, Schüler, Studenten und hinzuverdienenden Arbeitslosen vom Mindestlohn ausnehmen, so kommt man laut Institut WSI auf zwei Millionen Beschäftigte. Und da sind Saisonarbeiter oder branchenspezifische Ausnahmen wie Zeitungszusteller noch gar nicht mitgerechnet.

Jetzt gilt es schnell den Mindestlohn ohne Ausnahmen einzuführen. 8,50 Euro ist für viele eine Verbesserung. Notwendig sind 10 Euro, denn das ist das Mindeste. In jedem Fall brauchen wir schnell weitere Erhöhungen. Für 10 Euro zumindest in 2015 macht sich die Gewerkschaft ver.di stark. Nimmt man als Maßstab für weitere Erhöhungen Preis- und Produktivitätssteigerung, dann muss es bald um 12 Euro gehen.

Damit ist heute schon klar: Die Höhe eines angemessenen gesetzlichen Mindestlohnes wird im Wahlkampf 2017 ein wichtiges Thema werden.

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