Ein Nachruf auf Karstadt
Guten Tag, Genossinnen und Genossen!
Wieder einmal stirbt in Deutschland ein Stück Kulturgeschichte: Karstadt!
Nun werden viele fragen: Karstadt, ein Stück Kulturgeschichte? Für die Älteren unter uns steht der Name Karstadt für Beständigkeit, soziale Sicherheit, Tradition und Ehrlichkeit.
1881 von Rudolf Karstadt in Schwerin gegründet, wurde in den Jahrzehnten daraus ein Unter-nehmen, dass über ganz Deutschland verteilt war. Rudolf Karstadt stammte aus einer Zeit, in der Verträge noch per Handschlag geschlossen wurden und das Wort eines Kaufmanns einen Wert hatte.
Aber das ist heute nicht mehr modern, nicht mehr "cool". So etwas hat heute keinen Platz mehr in einer Gesellschaft, in der nur noch der höchste Profit mit dem wenigsten Aufwand Erfolg bedeutet. Solide Preise müssen Kaufargumenten wie "Geiz ist geil" weichen zum Nachteil der Menschen, die die Waren herstellen, den Bedingungen für Natur und Umwelt und den Menschen, die die Waren verkauften.
Ganze Generationen vieler Familien arbeiteten bei Karstadt. Eine Arbeit dort war fast so sicher
wie als Beamter. So wurden soziale Bindungen und Zusammenhalt begründet und fortgeführt. Dadurch war immer die kompetente Beratung und eine freundliche Bedienung der Kunden eine der Stärken der Warenhäuser. Und bei einer Tasse Kaffee im eigenen Restaurant konnte man den Einkauf dann ausklingen lassen.
Aber wie in den Banken der menschliche Kontakt zum Kunden aus "Kostengründen" nicht mehr "in" ist, so kauft man heute "online", genau so unpersönlich an einem Automaten, der unser aller Leben schon fast völlig übernommen hat. Schöne bunte Bilder, unpersönlich und steril. Und läutete das Sterben der Warenhäuser wie Karstadt, Hertie, Wertheim usw. ein.
Doch den "Todesstoß" bekam Karstadt von der 1. Heuschrecke, die sich die fette Beute einverleibte: Thomas Middelhoff, ein Finanzhai, der Karstadt und Quelle zum Konzern ARCANDOR 2001 zusammenfasste. Mit Verkäufen, überhöhten Mieten bei Rückmietungen, Lügen und eklatanten handwerklichen Fehlern in der Geschäftsführung wurde der Konzern systematisch in den
Ruin gewirtschaftet. Verlierer war -wie immer-die Belegschaft, die durch Entlassungen immer kleiner wurde. In der gleichen Größenordnung wie die Erträge der Vermieter und Aktionäre stiegen.
Aber dann kam die große Stunde der damaligen Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leiharbeit. Sie zauberte den guten "Samariter" Nicolas Berggruen aus dem Hut. Ein Milliadär mit
zusammenklappbarem Heiligenschein. Und so übernahm die 2. Heuschrecke für 1,-- Euro ein Unternehmen mit Filetstücken wie das "Alsterhaus" in Hamburg oder das "KaDeWe" Berlin und versprach eine Goldene Zukunft, wenn alle nur auf vieles verzichten würden. Mit Sekt segnete Frau von der Leyen den schmutzigen Deal. Die Rettung für alle Karstadt-Mitarbeiter! Was für eine skrupellose Lüge! Schon vergessen? So einen Blender und Schaumschläger hatten wir schon mal:
"Wir haben es geschafft! Gerhard Schröder hatte ein "Rettungspaket" verhandelt
(Bankkredite 1.000.000.000 DM, Bürgschaften aus Steuergeldern 250.000.000 DM). Holzmann ging trotzdem pleite. 48.000 Arbeitsplätze waren verloren.
Berggruen handelt nach dem Leitmotiv: Wie kann ich etwas tun, ohne es zu machen! Mit der Übernahme wurde er nämlich Inhaber aller Recht, die zu Karstadt gehörten. Und diese Rechte vermietete er jetzt wieder an Karstadt, also an sich selbst. Und verdiente damit ca. 50.000.000 Euro. Und da die Belegschaft ihn als Hoffnungsträger ansah, verzichtete sie in den folgenden Jahren auf fast alle in vielen Tarifverhandlungen erworbenen Rechte wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Prämien, Lohnerhöhungen, Überstundenbezahlung, Betriebsrenten und zum Schluss ganz auf den Tarifvertrag. So kam ein Wert von sage und schreibe 700.000.000 Euro zusammen, der in das Unternehmen zur Sanierung eingebracht werden sollte.
Aber das Geld wurde gebraucht, um die Belegschaft noch weiter zu verkleinern und vor allem um drastische Mieterhöhungen zu finanzieren. Denn Berggruen hatte die Filetstücke an einen österreichischen Investor verkauft, die SIGNA Gruppe. Die auch als neuer Vermieter der verblie-
benen Häuser auftrat. Und der Chef dieser Investorengruppe ist: RENE BENKO ! Ein wegen Korruption (immer der Dr. Titel für einen Kapitalisten) vorbestrafter Milliadär, 27 Jahre alt! Er übernahm von Berggruen den Karstadtrest. Für 1,-- Euro!!!!
Die 3. Heuschrecke, aber wahrscheinlich die letzte. Denn wenn er fertig ist mit Karstadt, wird nichts mehr übrig sein. Von der restlichen 83 Warenhäusern sollen wahrscheinlich ca. 30 geschlossen werden und aus den verbleibenden sollen nach dem Vorbild seines Kaufhauses "TYROL"
sogenannte "Shopping-Mails" werden, viel Glitzer, wenig Personal. Und sollen dann -nach einer gewissen Zeit- gemäß einem vertraulichen Gesprächsprotokoll mit 30 % Gewinn weiter verkauft werden. Denn Benko macht sein Geld mit Immobilien.
Wie es zu erwarten war, ist nun der Leichenfledderer am Werk. Alle Heuschrecken haben eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Die Allmacht des Geldes, gepaart mit unfähigen, skrupellosen Politikern hat die Hoffnungen der fleißigen Mitarbeiter, die oft ihr Leben lang bei Karstadt gearbeitet haben, zerstört. Den Faschischmus unter Hitler und den 2. Weltkrieg hat Karstadt überlebt. Gegen die Heuschrecken sind sie machtlos!
Im Kriege heißt es immer: Wehe den Besiegten. Jetzt können wir nur noch bei den Menschen von Karstadt sagen: Wehe den Verlierern !
Aber wir sind alle Verlierer! Denn die Heuschrecken ziehen weiter. Jetzt ist es an uns, sie aufzu-halten. Und das geht nur, wenn man sie vor ihrem Flug an Boden vernichtet. Unser Gift gegen sie muss Solidarität heißen und unsere Waffe ist der Wahlzettel!
Rote Grüße
Augustin
und: FAZ