23. Juni 2015   Themen

Bundesweite ver.di-Aktion '162.000 Arbeitsplätze fehlen'

Der Streik am Berliner Uni-Klinik Charité ist kein normaler Arbeitskampf um Tariferhöhungen, sondern ein Streik für mehr Personal und für ein gerechteres Gesundheitswesen, das sich nicht nur an Profitraten, betriebswirtschaftlichen Rechnungsgrößen, Kennziffern und entpersönlichten Pauschalberechnungen orientiert.

Gut, dass sich in einer bundesweiten ver.di-Aktion '162.000 Arbeitsplätze fehlen' Mitarbeiter*innen von hunderten von Kliniken vor die Portale ihrer Einrichtungen begeben haben und deutlich dafür demonstriert haben, dass sie nicht mehr bereit sind, die seit langem bekannten Missstände hinzunehmen.

 

Sie wollen nicht nur in der Charité sondern auch im Uniklinikum Göttingen, in den Kliniken von Asklepios, im von der Insolvenz in Planinsolvenz befindlichen bedrohten Krankenhaus Hann. Münden etc. nicht mehr nachts mit 25 Patienten allein sein. Im neuen Bettenhaus am UMG sollen sogar noch mehr Patient*innen im Nachtdienst von einer einzigen Pflegekraft betreut werden

Sie wollen nicht mehr weiterhin Pflegeschüler*innen und Auszubildende zur Krankenschwester als bewusst eingeplante Kräfte einsetzen und deren Ausbildung vernachlässigen, weil ihnen dafür die notwendige Zeit fehlt. Sie wollen mit den kranken Menschen wenigstens ein paar Worte wechseln können und nicht gleich zum nächsten Patienten hetzten müssen. Sie wollen nicht länger die ständig zunehmende Arbeitsverdichtung hinnehmen, den wegen der enormen physischen und psychischen Belastungen vermehrten Krankenstand der Kolleginnen ohne Personalersatz auffangen, um dann selbst irgendwann nicht mehr zu können. Sie wollen endlich ihre Überstunden abbauen und endlich die notwendige Anerkennung und den Respekt für ihre Arbeit erhalten. Sie wollen ein anderes Gesundheitssystem.

Seit Jahren fordern die Beschäftigten eine gesetzlich verankerte beziehungsweise tariflich vereinbarte Personalzumessung. Nichts hat sich getan. Seit Jahren fordern sie, die Welle der Ausgründungen wichtiger Krankenhausaufgaben und -bereiche, häufig Outsourcing genannt, zu beenden. Das Gegenteil ist der Fall. In Hann. Münden bangen die Mitarbeiterinnen zusätzlich aktuell darum, dass der mögliche neue Investor das Personal weitgehend übernimmt, dass er keine Lohn- und Gehaltsdrückerei betreibt und keine weiteren Rationalisierungen zu Lasten der Patienten und des Personals vornimmt.

Diese Befürchtungen und Ängste stellen die Realitäten in unserem Krankenhaussystem dar, weil Gesundheit zur Ware verkommen ist. Weil eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe in großen Teilen privatisiert und Renditeerwartungen unterworfen wurde und weil sich Bund und Länder immer mehr aus der Verantwortung gestohlen haben.

Deshalb muss endlich mehr Personal her im Sinne der Aktion 162.000. Deshalb müssen wir alle begreifen: In diesem Streik geht es auch um uns, denn jeder von uns kann ganz schnell in die Situation kommen auf die kompetente, zuverlässige und zugewandte Hilfe von Schwestern und Pfleger*innen und Ärzt*innen angewiesen und nicht von ausgepowerten, gestressten und überforderten Personal abhängig zu sein.

Der Streik der Charite-Kolleg*innen ist ein wichtiges Signal, das weit über Berlin hinaus wirken kann. Die Beteiligung von mehr als 100.000 KollegInnen an der bundesweiten Krankenhaus-Aktion vom 24.Juni zeigt, dass dieses Signal bereits aufgegriffen wird

Peinliches Verhalten der Asklepios-Geschäftsführung Göttingen

Es passt in das Geschäftsgebaren und insbesondere in den Umgang mit seinem Personal, das Verbot der Asklepios-Geschäftsführung für seine Mitglieder sich an dem bundesweiten Aktionstag für mehr Personal in den Kliniken zu beteiligen. Verbot auf dem Klinikgelände zu demonstrieren, Teilnahme an der nur für eine kurze Zeitdauer angekündigte nicht nur außerhalb des Geländes, sondern auch nur außerhalb der Arbeitszeit. Auch in den Göttinger Asklepios-Kliniken stöhnen die Mitarbeiter*innen unter der ständig zunehmenden Arbeitsverdichtung, unter hohem Krankenstand wegen völliger Überlastung des Personals und wegen fast inhumanen Bedingungen im Umgang mit den Patient*innen. Fürsorgepflicht für das Personal scheint für Asklepios ein Fremdwort zu sein, von Wertschätzung darf man schon gar nicht mehr reden. Gewinnmargen und Renditen für die Anteilseigner und Aktionäre stehen im alleinigen Focus dieser Gesundheitsdienstleister oder sollte man hier eher von Krankmachern sprechen. Wo Gesundheit zur Ware verkommt und wo Gewinnstreben das einzige Ziel darstellt, ist auch das Personal mit seiner verantwortungsvollen, schweren und aufopfernden Arbeit anscheinend nur noch ein leider nicht vermeidbarer Kostenfaktor. Erbärmlich!

Bleibt zu hoffen, dass die Mitarbeiter/innen sich nicht einschüchtern lassen sich an der Aktion 162 000 neue Stellen in den Kliniken beteiligten.

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