06. Dezember 2015   Themen

Urteil des Bundessozialgerichtes zu Unionsbürgern

Das BSG stellt mit seinem Urteil klar,

dass die unsäglichen Leistungsausschlüsse von Unionsbürgern im SGB II und SGB XII so nicht haltbar sind und, wenn keine Aufenthaltsgründe im SGB II vorliegen,  spätestens nach sechs Monaten ein Leistungsanspruch nach dem SGB XII besteht.

Im Detail:
+ wenn neben Arbeit, im nicht absolut geringfügigen Umfang, weitere Aufenthaltsgründe in Deutschland vorliegen, so beispielsweise ein Aufenthaltsrecht der Kinder durch Eingliederung in das Schulsystem und Durchführung einer Ausbildung, dann besteht ein SGB II Anspruch bei Vorliegen von Hilfebedürftigkeit.  

+ Bürger aus EFA – Staaten (dies sind Bürger aller Staaten, die bereits vor dem Jahr 2004 der Europäischen Union angehört haben, außer Österreich und Finnland, sowie Estland, Malta, die Türkei, Island und Norwegen) haben einen regulären SGB XII – Leistungsanspruch ab dem ersten Tag des Aufenthalts in Deutschland, wenn sie sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten und dem Grunde nach von SGB-II-Leistungen ausgeschlossen sind. Die Tatsache, dass sie gesundheitlich erwerbsfähig sind, steht dem nicht entgegen.

+ Bei Nicht EFA – EU-Bürger muss bei einem SGB-II-Ausschluss im Rahmen des Ermessens über SGB-XII-Leistungen entschieden werden. Im Falle eines verfestigten Aufenthalts – über sechs Monate – ist dieses Ermessen jedoch aus Gründen der Systematik des Sozialhilferechts und der verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG in dem Sinne auf null reduziert. Hier ist Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu erbringen. Die Tatsache, dass sie gesundheitlich erwerbsfähig sind, steht dem nicht entgegen.

+ Der früher beim Jobcenter gestellte und abgelehnte oder nicht bearbeitete SGB II - Antrag löst rückwirkend einen SGB XII – Anspruch aus. Dieser SGB XII-Anspruch ist rückwirkend bis max. Januar des jeweiligen Vorjahres geltend machbar.

Das BSG stellt sich mit diesem Urteil gegen die absolut restriktive Leistungsverweigerungs-praxis des deutschen Gesetzgebers und des EuGH. Es bestätigt den vom BVerfG entwickelten unabdingbaren Gewährleistungsanspruch auf Existenzsicherung.

Ich denke, dass dazu in absehbarer Zeit Arbeitshilfen für die existenzsichernde Beratung erstellt werden, in denen die Feinheiten der Aufenthaltsgründe im SGB II, die Rechtsprechung zur Arbeit im nicht ganz geringfügigen Umfang usw zusammengestellt werden.

Jetzt geht es um drei Dinge:
1. Die vielen Unionsbürger die in Folge des EuGH Urteils vom 15.09. spätestens nach sechs Monaten des SGB II-Leistungsbezuges den SGB II-Anspruch verloren haben, diese haben jetzt alle einen SGB XII-Leistungsanspruch. Sie sollten nun alsbald zum Sozialamt gehen und Leistungen beantragen. Hierbei ist aber zu beachten, dass andere Vermögensgrenzen existieren, so 1.600 € für unter 60-Jährige, 2.600 € für über 60-Jährige, zzgl. 614 € für Ehegatten und 256 € jede weitere Person (§ 1 Abs. 1-Vo zu § 90 SGB XII), sowie dass kein Kfz geschützt ist.

2. Das BSG hat klargestellt, dass die behördliche Kenntnis der Notlage beim JC, also mit der Ablehnung der SGB II – Leistungen, im Sinne des § 18 Abs. 1 SGB XII rückwirkend anspruchsbegründet für SGB XII-Leistungen ist. Diese sind erst ausgeschlossen mit Ablauf des Januar des Vorjahres (§ 118a SGB XII) oder, wenn kein Leistungsanspruch vorlag, durch Wegfall der Hilfebedürftigkeit.

3. Die explizit vom BSG hingewiesene Rückwirkung ist für Betroffene, aber auch Klinken oder Frauenhäuser wichtig, die so rückwirkend die Chance haben, ihre Leistungen noch zu erhalten. Im Zweifel wäre hier über die Einrichtungen innerhalb der nächsten 3 Wochen nach dem BSG – Urteil ein sog. Nothelferantrag nach § 25 SGB XII von den Kliniken oder Frauenhäusern und etwaig weiteren Einrichtungen selbst zu stellen.

Dazu folgende Links:

Der Terminbericht des BSG
Bericht in der Welt dazu
und die Kommunen bekommen kostenmäßig Panik aus der FAZ

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