28. April 2019   Themen

Arbeitsbedingungen sind kein Naturphänomen, sondern „von Menschen gemacht und können von Menschen geändert werden.“

Beitrag: Roswitha Engelke

(Quelle: u. a. Deutschlandfunk)

Der Anteil der psychischen Erkrankungen an den Arbeitsunfähigkeitstagen steigt seit Jahren an. Ein Zeitgeistphänomen? Oder liegt es an der neuen Arbeitswelt, die den „ganzen Menschen“ fordert?  Wenn letzteres der Fall ist, wären nicht nur die Leidenden zu therapieren sondern in erster Linie das System.

Die Autonomie hat zugenommen, was zur Folge hatte, dass die Handlungs- und Entscheidungsspielräume für viele Menschen enorm angestiegen sind, aber durch gesetzte Zeitlimits und geforderte Leistungen sind den Arbeitnehmern wiederum enge Grenzen gesetzt. Die Folge der permanenten Überforderung sind Depressionen, depressive Erschöpfung oder auch Burnout. Immer mehr Menschen geben an, darunter zu leiden und werden deswegen auch krank geschrieben. Sie bekommen Therapien verordnet, fallen für mehr oder weniger lange Zeit am Arbeitsplatz aus.

Überlastung am Arbeitsplatz ist ein Zeitgeistphänomen, dass eine Menge über die Gesellschaft in der wir leben aussagt.

Arbeitgeber sparen an Mitarbeitern, Tarifverträge sind ein Auslaufmodell, das Lohnniveau ist gesunken, viele Arbeitnehmer müssen hochqualifizierte Arbeit zu einem Mindestlohn leisten, etliche haben seit Jahren mehrere Arbeitsstellen, um über Runden zu kommen.

Da ist Stress vorprogrammiert.

 

Die  Pflicht als Arbeitnehmer ist es, Aufgaben nach bestem Wissen und Können im Rahmen der tariflichen und arbeitsvertraglichen Regeln auszuführen.
Die Pflicht Ihres Arbeitgebers ist es, Ihnen das auch möglich zu machen. Dazu gehört nicht nur, dass er Sie mit allen notwendigen Informationen, Hilfsmitteln und Arbeitsmaterialien versorgt. Ihr Arbeitgeber muss auch noch dafür sorgen, dass Sie nicht überlastet sind.

Die Praxis sieht oft anders aus. Überlasteter Arbeitnehmer, kein Tarifvertrag? Das heißt im besten Fall eine Änderungskündigung flattert ins Haus, im schlimmsten Fall droht Entlassung und damit HARTZ IV. HARTZ IV heißt: Sozialer Ruin.

Dieses Damoklesschwert hängt seit Jahren über vielen Arbeitnehmern und läßt sie Belastungen ertragen, ohne zu murren. Viele von ihnen können keine Therapien genießen, ihnen fehlen ganz einfach die wirtschaftlichen Mittel dazu, da unsere nur noch sogenannte Solidargemeinschaft  diese nicht mehr bereitstellt.

Arbeitsüberlastungen und seelische Auswirkungen des Sozialabaues in unserer Gesellschaft als Krankheit zu definieren, ist ohnehin der falsche Weg. Er setzt das Verantwortungsbewußtsein derer herab, die diese gesellschaftliche Wandlung verschuldet haben.

Wir werden schon sehr früh dazu angehalten, uns selbst zu reflektieren. Inzwischen geschieht das teilweise schon in der Grundschule. Im Hinblick zum Beispiel auf Kompetenzen werden Kinder dazu aufgefordert,  zu reflektieren.

Das ist in gewisser Weise folgerichtig, weil es sie tatsächlich auf genau das vorbereitet, was später am Arbeitsmarkt von ihnen verlangt wird. Es ist aber die Frage, ob das eine wünschenswerte Entwicklung ist, wenn wir uns quasi in einem permanenten Reflektionsprozess über uns selbst befinden, der letztlich darauf hinauslaufen soll, dass wir unsere Ressourcen und Kompetenzen optimieren müssen.

Reflektiere und sei wieder einsatzbereit zur Höchstleistung, ohne aufzubegehren! Das bei niedrigstem Lohn, weniger freier Zeit und mehr sozialem Mangel. Arbeite für Fixkosten wie Miete, Strom und dein Auto, denn das benötigst du,  um zu deinem Arbeitsplatz zu gelangen ...

Wenn wir diese Arbeits- und Lebensbedingungen weiterhin akzeptieren, zerstören wir uns selbst. Ändern wir das System, bevor es uns killt.

 

 (Quelle: u. a. Deutschlandfunk)

 

 

 

 

Suche

 
 
 

Rosa Luxemburg Stiftung

 

Besucherzähler

Heute9
Gestern15
Woche32
Monat183
Insgesamt88096
 

Anmeldung