Hungerlohnpolitik in Deutschland
Fast 3,6 Mio. Beschäftigte in Deutschland arbeiteten im Jahr 2009 für weniger als 7 Euro brutto pro Stunde. Dies entspricht gut elf Prozent aller Beschäftigten. Mehr als 1,2 Mio. bekamen sogar einen Stundenlohn von weniger als 5 Euro. Das zeigen neue Auswertungen des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen.
„Selbst bei einer Vollzeitbeschäftigung liegt das monatliche Erwerbseinkommen bei solchen Stundenlöhnen nur bei rund 800 Euro oder sogar darunter, was selbst bei Alleinstehenden nicht zum Leben reicht“, rechnet Dr. Claudia Weinkopf, Stellvertretende IAQ-Direktorin. Unter 8,50 Euro, also der von den Gewerkschaften als Mindestlohn geforderten Bezahlung pro Stunde, arbeiteten 2009 fast 5,8 Mio. Beschäftigte. Die Zahl der Betroffenen dürfte sogar noch höher liegen, da bei den Berechnungen aus methodischen Gründen Schüler, Studierende und Rentner sowie Nebenjobber nicht einbezogen wurden.
Arbeitgeber in Branchen ohne tarifliche Regelungen könnten versuchen, Tarifverträge mit Splittergewerkschaften abzuschließen, damit ihre Branche nicht unter die Mindestlohnregelung fällt. Gewerkschaften in Branchen mit Tariflöhnen unter der verbindlichen Lohnuntergrenze kämen in die paradoxe Situation, dass sie im Interesse der Beschäftigten künftig eigentlich darauf verzichten müssten, überhaupt Tarifverhandlungen zu führen, weil die Beschäftigten sonst nicht von der Lohnuntergrenze profitieren würden.
„Um Niedrigstlöhne in Deutschland wirksam zu unterbinden, müsste eine Lohnuntergrenze für alle Beschäftigten verbindlich sein. Diese dürfte in keiner Branche unterschritten werden. Den Tarifvertragsparteien stünde es jedoch weiterhin frei, höhere Tariflöhne zu vereinbaren, die über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auch als branchenbezogene Mindestlöhne für allgemeinverbindlich erklärt werden können“, schlägt Dr. Claudia Weinkopf vor.
Quelle 1: idw
Quelle 2: Statistik des IAQ