Der Staat zieht sich aus der Pflicht und macht Rückzieher bei Berufskrankheiten
Reform bei Berufskrankheiten: Staat weiter auf dem Rückzug Jutta Krellmann, 16. Oktober 2019
Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage „Reform des Berufskrankheitenrechts“ (Drs. 19/13457) von Jutta Krellmann u.a., Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.
Zusammenfassung:
Die Anzahl der angezeigten Berufskrankheiten ist in den letzten zehn Jahren um mehr als ein Viertel angestiegen. Davon wurden 48 Prozent mehr anerkannt als 2007. Dabei ist die Anerkennungsquote kaum gestiegen. Sie liegt 2018 bei einem Viertel und 2007 bei 22 Prozent. Die Anerkennungsquote für die drei am häufigsten angezeigten Berufskrankheiten liegt 2018 für Hautkrankheiten bei 2,4 Prozent; für Lendenwirbelsäule, Heben und Tragen bei 7,1 Prozent und für Lärmschwerhörigkeit bei 50 Prozent.
Die durchschnittliche Dauer bis zur Entscheidung, ob eine Berufskrankheit anerkannt wird, hat sich in den letzten zehn Jahren von 5,8 auf 4,6 Monate reduziert. Für bestimmte Berufskrankheiten kann die Bearbeitungszeit durchschnittlich bis zu knapp 40 Monate betragen. Durchschnittlich dauert die Anerkennung lange am häufigsten bei Druckluft, Erkrankungen durch organische Phosphorverbindungen und Durchblutungsstörungen der Hände.
Für die fachliche Überwachung der Berufskrankheitenverfahren sind per Gesetz die Gewerbeärzte der Länder zuständig. Die Anzahl Gewerbeärzte ist im letzten Jahr weiter gesunken von 68 auf 64. Weniger Gewerbeärzte gibt es in Bayern (- 2), Berlin (- 1) und Niedersachsen (- 1). In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der Gewerbeärzte um über 40 Prozent, in den letzten zwanzig Jahren um knapp 60 Prozent zurückgegangen. In Bremen gibt es seit 2016 keinen Landesgewerbearzt mehr. Die Bundesregierung sieht die Verantwortung dafür alleine bei den Ländern.
Die Bundesregierung beabsichtigt das Berufskrankheitenrecht zeitnah zu reformieren. Ein Beschluss im Kabinett ist für 2019 geplant. Ziel ist es die Anerkennung von Berufskrankheiten zu erleichtern, die Prävention zu verbessern und neue Berufskrankheiten schneller anzuerkennen. Erreicht werden soll dies u. a. durch einen Wegfall des Unterlassungszwangs (siehe Hintergrund), eine rechtliche Verankerung des Ärztlichen Sachverständigenrates und eine rückwirkende Anerkennung von Bestandfällen.
Dazu sagt Jutta Krellmann, MdB, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit, DIE LINKE. im Bundestag:
„Endlich packt die Bundesregierung die Reform der Berufskrankheiten an. Dass der Unterlassungs- zwang wegfällt ist richtig und längst überfällig. Insgesamt greift die Reform aber zu kurz. Staatliche Kontrollbehörden bluten weiter aus und die Bundesregierung schiebt die Verantwortung an die Län- der ab. Dabei brauchen diese flächendeckend Gewerbeärzte und unabhängige Beratungsstellen. Auch bei der Anerkennung von Berufskrankheiten gibt es Reformbedarf. Hier gilt es die Hürden für die Anerkennung abzusenken. Wir brauchen eine Härtefallregelung für Betroffenengruppen, denen der Nachweis einer Berufskrankheit schwerfällt.“
Hintergrund:
Für Hautkrankheiten und Erkrankungen der Lendenwirbelsäule, Heben und Tragen gilt der sogenannte Unterlassungszwang. Sie können laut Gesetz nur anerkannt werden, wenn die Betroffenen so schwer erkrankt sind, dass sie die Tätigkeiten aufgeben müssen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Deshalb ist hier die Anerkennungsquote sehr niedrig. Die Konsequenzen des Unterlassungszwangs zeigt folgendes Beispiel: Eine Pflegekraft leidet an einer schweren Wirbelsäulenerkrankung aufgrund schweren Hebens und Tragens. Dank der angebotenen Präventionsmaßnahmen kann sie ihre Tätigkeit weiter ausüben. Nach geltender Rechtslage kann ihre Erkrankung nun allerdings nicht anerkannt werden, denn dafür müsste sie ihre Tätigkeit aufgeben. (Quelle: DGUV Weißbuch: Berufskrankheitenrecht 2016: Probleme, Herausforderungen, Lösungen).
Für die fachliche Überwachung der Berufskrankheitenverfahren sind per Gesetz die Gewerbeärzte der Länder zuständig. Die Anzahl Gewerbeärzte ist im letzten Jahr weiter gesunken von 68 auf 64. Weniger Gewerbeärzte gibt es in Bayern (- 2), Berlin (- 1) und Niedersachsen (- 1). In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der Gewerbeärzte um über 40 Prozent, in den letzten zwanzig Jahren um knapp 60 Prozent zurückgegangen. In Bremen gibt es seit 2016 keinen Landesgewerbearzt mehr. Die Bundesregierung sieht die Verantwortung dafür alleine bei den Ländern.
Die Bundesregierung beabsichtigt das Berufskrankheitenrecht zeitnah zu reformieren. Ein Beschluss im Kabinett ist für 2019 geplant. Ziel ist es die Anerkennung von Berufskrankheiten zu erleichtern, die Prävention zu verbessern und neue Berufskrankheiten schneller anzuerkennen. Erreicht werden soll dies u. a. durch einen Wegfall des Unterlassungszwangs (siehe Hintergrund), eine rechtliche Verankerung des Ärztlichen Sachverständigenrates und eine rückwirkende Anerkennung von Bestandfällen.
Dazu sagt Jutta Krellmann, MdB, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit, DIE LINKE. im Bundestag:
„Endlich packt die Bundesregierung die Reform der Berufskrankheiten an. Dass der Unterlassungs- zwang wegfällt ist richtig und längst überfällig. Insgesamt greift die Reform aber zu kurz. Staatliche Kontrollbehörden bluten weiter aus und die Bundesregierung schiebt die Verantwortung an die Län- der ab. Dabei brauchen diese flächendeckend Gewerbeärzte und unabhängige Beratungsstellen. Auch bei der Anerkennung von Berufskrankheiten gibt es Reformbedarf. Hier gilt es die Hürden für die Anerkennung abzusenken. Wir brauchen eine Härtefallregelung für Betroffenengruppen, denen der Nachweis einer Berufskrankheit schwerfällt.“
Hintergrund:
Für Hautkrankheiten und Erkrankungen der Lendenwirbelsäule, Heben und Tragen gilt der sogenannte Unterlassungszwang. Sie können laut Gesetz nur anerkannt werden, wenn die Betroffenen so schwer erkrankt sind, dass sie die Tätigkeiten aufgeben müssen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Deshalb ist hier die Anerkennungsquote sehr niedrig. Die Konsequenzen des Unterlassungszwangs zeigt folgendes Beispiel: Eine Pflegekraft leidet an einer schweren Wirbelsäulenerkrankung aufgrund schweren Hebens und Tragens. Dank der angebotenen Präventionsmaßnahmen kann sie ihre Tätigkeit weiter ausüben. Nach geltender Rechtslage kann ihre Erkrankung nun allerdings nicht anerkannt werden, denn dafür müsste sie ihre Tätigkeit aufgeben. (Quelle: DGUV Weißbuch: Berufskrankheitenrecht 2016: Probleme, Herausforderungen, Lösungen).