19. April 2020   Themen

Als hätten die USA keine anderen Probleme - US-Kriegsschiffe kreuzen vor Venezuela

"Operation Covid-19"?

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Mit anderen Schiffen im Einsatz: Der Zerstörer "USS Pinckney".

(Foto: AP)

Als hätten die USA keine anderen Probleme, haben sie Marine, Aufklärungsflugzeuge und sogar Bodentruppen in die Karibik geschickt. Sie sind Teil einer Strategie, um Venezuelas Präsident Maduro endlich aus dem Amt zu drängen.

Zerstörer, Hubschrauber, Küstenkampfschiffe und Aufklärungsflugzeuge hat das Pentagon vor zwei Wochen in die Karibik und den östlichen Pazifik entsandt. Dazu eine Kompanie von bis zu 150 Soldaten. Für den Fall der Fälle? Kriegsschiffe kreuzen auch vor Venezuelas Küste. Von den entsandten Einsatzkräften des US-Militärs twittert das Südkommando seit zwei Wochen immer wieder Fotos, in den Beiträgen gelobt es Treue und den Willen, die "Sicherheitsziele des Präsidenten" zu erfüllen. Sie führen eine der größten US-Militäroperationen in Lateinamerika seit Jahrzehnten aus.

Was geht da vor sich? Die Verlegungen stehen offiziell unter der Überschrift "Enhanced Counter-Narcotic Operations" - ein größerer Einsatz gegen Drogenschmuggel aus Südamerika in die Vereinigten Staaten.

Das ist erstens erstaunlich, weil das Pentagon in seiner öffentlichen Strategie aus dem Jahr 2018 kein Augenmerk auf Anti-Drogeneinsätze legt, und zweitens den neuen Einsatz auch gar nicht wollte, wie das Magazin "Foreign Policy" erfahren haben will. Demnach habe Präsident Donald Trump darauf bestanden.

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Dazu kommt, drittens, die Begründung, mit der Trump und Pentagonchef Mark Esper die Maßnahmen am 1. April vorstellten: "Während Regierungen sich auf das Coronavirus konzentrieren, gibt es eine wachsende Gefahr, dass Kartelle, Kriminelle, Terroristen (...) versuchen, die Situation für sich auszunutzen", sagte Trump. Doch die Planung begann höchstwahrscheinlich schon, bevor überhaupt der erste Ansteckungsfall von Sars-CoV-2 aus dem chinesischen Wuhan bekannt geworden war. Die Verlegung der Kriegsschiffe ist also keine "Operation Covid-19". Das Problem Venezuela soll endlich gelöst werden.

Für Washington ist der dortige Staatschef Nicolás Maduro ein untragbarer Diktator, der entfernt werden muss. Zu intensiv sind dessen Beziehungen in Netzwerken abseits US-amerikanischer Kontrolle: Er macht Geschäfte mit Guerilla-Gruppen in Südamerika, ist mit dem sozialistischen Kuba vor der eigenen Haustür verbündet und wird von den geopolitischen Antagonisten Russland und China mit Personal und Knowhow gestützt. Maduro ist zudem der stinkende Kopf der humanitären Katastrophe Venezuelas, die sich seit Jahren verschärft. Das Coronavirus wird die Lage dramatisch verschlechtern. Schon seit Jahren sind die Krankenhäuser des Landes in desolatem Zustand, medizinische Ausrüstung und Medikamente absolute Mangelware.

Historische Parallele

Auch wenn eine Invasion Venezuelas trotz des neuen Säbelrasselns weiterhin unwahrscheinlich ist: Eine historische Parallele ist deutlich erkennbar. Im Jahr 1988 wurde Panamas Machthaber Manuel Noriega zunächst in den USA angeklagt. Nach gescheiterten Verhandlungen übernahm das US-Militär im zentralamerikanischen Land die Kontrolle. Die Begründung der "Operation Just Cause" war damals, der Drogenschmuggel müsse eingedämmt und die Demokratie wieder hergestellt werden. Im Gegensatz zu Venezuela waren allerdings damals schon US-Truppen im Land, und der kleine Staat hatte wesentlich weniger Streitkräfte zur Verfügung.

Aber Venezuela ist kein Narcostaat, wie es in den vergangenen Wochen wiederholt von US-Stellen hieß. Dies belegen Daten, die von den USA selbst als Basis für ihre Entscheidungen genutzt werden. Im Jahr 2018 wurden demnach 210 Tonnen Kokain durch das Land geschleust, Tendenz fallend. In Guatemala war es das Sechsfache. 90 Prozent des geschmuggelten Kokains aus dem Hauptherkunftsland Kolumbien findet seine Wege in die USA im östlichen Pazifik und der westlichen Karibik - nicht in den östlichen Gewässern vor Venezuela.

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Nicolás Maduro (links)

(Foto: dpa)

Die militärische Verstärkung des Südkommandos schlägt vielmehr verschiedene Fliegen mit einer Klappe. Sie beantwortet zunächst den republikanischen Ruf nach einer weiteren Verschärfung der US-Position gegenüber Venezuela. Außerdem der des Südkommandos nach zusätzlichen Einsatzkräften in der Region. Und, wohl das wichtigste, übt die Präsenz symbolischen Druck auf Maduros Machtzirkel in Caracas aus, damit diese ihre öffentlichen Treuebekundungen überdenken, sich vom Präsidenten abwenden und so ihre eigenen Köpfe retten.

Die Verlegung der Kriegsschiffe ist offenbar ein Baustein einer Strategie. Am 26. März hatte das US-Justizministerium seine Anklagen gegen Maduro und 14 weitere aktuelle oder ehemalige Amtsträger in Venezuela verkündet. Die Vorwürfe: Korruption, Geldwäsche und Drogenschmuggel. Auf Maduro ist nun zusätzlich ein Kopfgeld von 15 Millionen US-Dollar bei Verhaftung ausgesetzt. Am 31. März veröffentlichte dann das Außenministerium einen Rahmenplan für die Absetzung des Regierungschefs.

Nur Druck reicht nicht

Auch wenn das niemand öffentlich sagt aus der US-Regierung: Im Plan enthalten sind einige Zugeständnisse, um dem gefühlten Stillstand zu entkommen. Sogar bei Außenminister Mike Pompeo ist die Einsicht gereift, dass wie bisher purer Druck nicht ausreicht. In die Karten spielt den USA die unausweichliche Rezession der Weltwirtschaft und der enorme Preisverfall für Öl. Die Machthaber in Caracas stellt das vor noch größere Probleme als andere Staaten, weil es ihre einzige legale Einnahmequelle ist.

Die ausgeworfenen Köder im US-Vorschlag: Eine Übergangsregierung unter Beteiligung der Chavisten soll die Neuwahlen vorbereiten. Der faktischen Nummer zwei im Staat, Verteidigungsminister Wladimir Padrino, dessen Militär Maduros Lebensversicherung ist, wird darin ein Platz zugesichert. Und das, obwohl Padrino zu den Angeklagten gehört. Der von den USA anerkannte Interimspräsident Juan Guaidó sowie Maduro selbst bleiben zunächst außen vor, könnten demnach aber bei einer Neuwahl antreten. Kurz: Washington führt zwar eine bedrohlich wirkende Militäroperation durch. Aber es gibt auch ein Friedensangebot.

Quelle: ntv.de

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