30. November 2020   Themen

Corona-"Hilfen" der Bundesregierung sind planlos und dürftig

Antrag an den niedersächsischen Landesausschuss   Einreicher Dr. Diether Dehm (KV Regio Hannover), Arnold Neugebohrn (KV Osterholz-Scharmbeck), Benjamin Koch-Böhnke (KV Stade), Marion Köllner (KV Gifhorn) Solidarität mit „Alarmstufe Rot“ und den Kulturschaffenden  

Seit Montag den 2.11. sind die Vorhänge wieder zu: für selbstständige KünstlerInnen, Theatermachende, TechnikerInnen, Kinos, Museen, Agenturen, Caterer, Schaustellende, Messebauende, Sicherheitskräfte und viele andere.   Der neuerliche Lockdown für die Kulturbranche und die Veranstaltungswirtschaft verlängert damit ein seit acht Monaten währendes Dauerdesaster. Acht Monate, in denen die Kulturschaffenden von der Bundesregierung mit ihren Forderungen bisher nicht gehört wurden, wie auch die linke Forderung nach einem Runden Tisch von der niedersächsischen Landesregierung und der Bundesregierung übergangen wird.   Andererseits:   die meisten Theater, Kabaretts, Kinos hatten „geliefert“, mit ausgefeilten Hygienekonzepten, mit der Anschaffung virustötender Belüftungssysteme, sogar mit Schnelltests.  

Bis zur Entscheidung der Kanzlerin und der MinisterpräsidentInnen vergangene Woche wurde ihnen dies als „sicher“zertifiziert und genehmigt.   So ist es auch eine ganz wesentliche Forderung aller betroffenen Soloselbstständigen, den Lebensunterhalt in Form eines Unternehmerlohns bezahlt zu bekommen, statt auf Hartz IV verwiesen zu werden.

 

Das Bündnis der Verbände der Veranstaltungswirtschaft, Alarmstufe Rot, hatte auch deshalb erst in der letzten Woche wieder vor dem Brandenburger Tor zu einer großen Protestveranstaltung mobilisiert.   Zwar werden mit der außerordentlichen Wirtschaftshilfe 75 Prozent der Einkünfte des Vorjahresmonats ersetzt und Regierungssprecher Seibert verkündete kurz darauf für den November (!) einen fiktiven Unternehmerlohn, aber insgesamt wird das der Veranstaltungswirtschaft nicht weiterhelfen,   denn die meisten selbstständigen Kulturschaffenden, Unternehmen wie Clubs, Bookingagenturen, Security- oder Technikfirmen verzeichneten im Coronajahr Umsatzeinbrüchezwischen 80 und 100 Prozent. Professor Jens Michow, der Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, geht bspw. davon aus, dass die Insolvenzwelle schon längst am Laufen ist und sich im Frühjahr, wenn die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung ausgelaufen sein wird, ihr verheerendes Ausmaß offenbart.

  Der niedersächsische Landesausschuss der Partei Die Linke ist solidarisch mit den Protesten der Kultur- und Veranstaltungswirtschaft und unterstützt deren Forderung nach einem Rettungsdialog mit der Bundesregierung.   Finden die Betroffenen nicht mit ihren spezifischen Interessen Gehör, bedeutet das Ende der Corona-Krise auch das Ende für weite Teile unseres Kulturbetriebs und viele Vorhänge bleiben für immer geschlossen.   Unsere Kreisverbände werden solidarisch mit den Kulturträgern vor Ort gemeinsam für deren Existenzen, ihr Überleben und das der Kulturen streiten. <   Anhang: die sechs Forderungen des Bündnisses Alarmstufe Rot, auch nachzulesen unter
https://alarmstuferot.org/forderungen   

1/6 Überbrückungsprogramm   Überbrückungsprogramm für alle: alle Unternehmensgrößen, alle Kostenarten, alle Krisenmonate.   Das Programm ist ohne Einschränkung aufzusetzen, vom Einzelunternehmer über KMU bis zum Mittelständler mit bis zu 1.000 Beschäftigten. Die Mittel müssen verwendbar sein für alle nachweisbaren Kostenarten. Wir fordern einen Zuschuss von 80% der Fixkosten. Damit tragen die Unternehmen immer noch 20% der Schäden, die ihnen unverschuldet aufgebürdet wurden.

  Den Zuschuss mindestens in Höhe von 2% des letzten Jahresumsatzes, mindestens aber 2.500€ pro Monat für Soloselbstständige und Unternehmer anderer Gesellschaftsformen. eine Programmlaufzeit von mindestens einem vollem Jahr (vom 01.04.2020 bis mindestens 31.03.2021).   Die Mittel müssen umgehend und nichtrückzahlbar für die gesamte Dauer der Pandemie und ihrer Folgen für unsere Branche bereitgestellt werden. einen adäquaten Unternehmerlohn, für Einzelunternehmer, Freiberufler, Künstler, mit realistischenAntragsvoraussetzungen.   Deren Vermögen wie Lebensversicherung, Sparguthaben, Wertanlagen und Immobilien muss geschützt werden.   Die Förderung muss umfänglich alle Kostenarten abdecken und darf nicht, wie im aktuellen Corona-Überbrückungsprogramm massiv überreguliert sein. So werden die verbleibenden Personalkosten zu 90% und Raummieten, die die private Nutzung bedingen oder sich im Eigentum des Antragstellersbefinden, nicht anerkannt. Auch weitere Kostenarten werden nicht umfänglich berücksichtigt.   Die Limitierung auf 50.000 Euro pro Monat würdigt nicht, dass Betriebe mit mehr als 30 Mitarbeitern viel höhere Fixkosten aufwenden müssen.   Der Antragsberechtigungszeitraum ist mit April und Mai sowie 150.000 Euro Höchstförderbeitrag für drei Monate so stark limitiert, dass die in Aussicht gestellte zusätzliche Förderung nicht ausreichend zum Tragen kommt.   Fazit: Es wird mit diesem Programm keinem Einzelunternehmen oder Mittelständler ausreichend geholfen. Es deckt nur ca. 30% der Gesamtkosten. Österreich hat hierzu bereits ein umfassenderes und weniger limitiertes Programm ermöglicht (www.fixkostenzuschuss.at).   Das deutsche Überbrückungsprogramm ist so derzeit wirkungslos und endet im Kollaps der Veranstaltungswirtschaft!   2/6 Kreditprogramme   Aktuelle Kreditprogramme anpassen. Es muss zusätzliche Liquiditätshilfe geschaffen werden, da die aktuellen Kreditprogramm-Laufzeiten allein nicht helfen. Sie treiben die Unternehmen massiv in die Überschuldung und entziehen ihnen jede Investitionskraft.   Die Maßnahmen im Einzelnen:   Kreditlaufzeitverlängerung auf bis zu 15 Jahre Verlängerung der tilgungsfreien Phasen: je Krisenmonat ein Jahr mehr - alternativ die Flexibilisierung des Tilgungsbeginns bis 2030   <divAbmilderung der überzogenen Rating-Anforderungen   Außerkraftsetzung des Going-Concern-Prinzips,   alternativ Haftungsfreistellung zu 100%   >  Der Liquiditätsbedarf ist durch die lange Dauer des Veranstaltungsverbotes so groß, dass Banken nicht gewillt sind, notwendige Obligos einzugehen, da der Zeitpunkt der Rückkehr des Geschäftsmodells ungewiss ist.   KfW- und Bankenvorschriften sind wegen der benötigten Kredithöhen, der bisherigen Kreditlaufzeiten und der geforderten verbindlichen Rückzahlungsdaten nicht ausreichend zu erfüllen.   Selbst kerngesunde Unternehmen mit soliden Jahresrenditen schaffen es nicht, ausreichend Kapitaldienst nachzuweisen. Sie bekommen nicht die benötigten Kreditlinien, um langfristig zu überleben. Zudem entziehen die Kredite den Unternehmen die Investitionsmöglichkeiten für die nächsten fünf Jahre und verschleppen die Zahlungsunfähigkeit nur kurzfristig in die Zukunft. Stark betroffen sind ebenfalls Soloselbstständige, kleine und mittelständische Betriebe bis 1.000 Mitarbeiter.   Es drohen in den nächsten 100 Tagen Insolvenz und Massenarbeitslosigkeit. Neben der Laufzeitverlängerung auf bis zu 15 Jahre und der Tilgungsaussetzung, angepasst an die Krisendauer, sind die Außerkraftsetzung des Going-Concern-Prinzips oder eine Flexibilisierung der Tilgung bis 2030 erforderlich.   Die Alternative wäre eine 100%ige-Staatsgarantie für Coronakredite.     3/6 Steuerlicher Verlustrücktrag Trotz aller bisherigen Hilfen verbleibt ein hoher Sockelbetrag an Fixkosten, die nicht eingespart werden können. Deshalb entsteht schnelle eine bilanzielle Überschuldung. Sie ist unter aktuellen Möglichkeiten nicht abwendbar, bei 80% der Unternehmen, innerhalb der nächsten 100 Tage.   Die Ertragskraft ist nicht ausreichend, um Fremdkapital in gebotener Zeit zurückzuführen.   Kreditprogramme allein reichen nicht. Notwendig sind gezielte Hilfen gegen die massenhaftebilanzielle Überschuldung.   Je Krisenmonat brauchen wir die Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags um ein Jahr, mindestens jedoch auf fünf Jahre. Wir brauchen die Rückerstattung zuviel gezahlter Steuern. Die Veranstaltungswirtschaft verliert zurzeit pro Monat durchschnittlich einen Jahresertrag. Die Ertragskraft der Unternehmen ist vollständig eingebrochen. Bei den meisten ist das Eigenkapital aufgebraucht, die Überschuldung bereits eingetreten. Zur Rettung wird sofort verfügbares Kapital benötigt. Eine zusätzlich wirksame Eigenkapitalhilfe ist das Instrument des Verlustrücktrags.   „Das Mittel der Wahl  hierfür ist der steuerliche Verlustrücktrag, der durch § 10d EstG vorgesehen ist und für die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer gleichermaßen gilt.“ (Bofinger et al.: Wirtschaftliche Implikationen der Corona‐Krise und wirtschaftspolitische Maßnahmen, 10.03.2020).   Dies allerdings ausgeweitet auf mindestens fünf Jahre zur Sicherung von in der Vergangenheit solide steuerzahlenden Betrieben. Wir fordern:   die Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags: je Monat Veranstaltungsverbot plus ein Jahr Rückerstattung zu viel gezahlter Steuern den Mindestansatz des steuerlichen Verlustrücktrags: fünf Jahre     4/6 Flexibilisierung der Kurzarbeiterregelungen Flexibilisierung der Kurzarbeiterregelungen: Mitarbeiter sollen trotz 100% Kurzarbeitergeld in ihren Unternehmen für notwendige Tätigkeiten arbeiten dürfen.   Die Veranstaltungswirtschaft benötigt eine Überbrückungszeit aufgrund längerer wirtschaftlicher Betroffenheit, da diese auch nach künftigen Lockerungen anhalten wird. Bedingt wird dies durch eine lange Anlaufphase und lange Vorplanungszeiträume für Aufträge, die bereits laufen, aber noch keinen Umsatz bringen.   Die Unternehmen schaffen es nicht, die Kurzarbeit voll zu nutzen, da für nicht unmittelbar umsatzrelevante Arbeiten weiterhin Mitarbeiter notwendig sind. Betriebe kommen nicht ohne Administration, Projektplanungsteam, IT-Abteilung, Unterstützungsmitarbeiter etc. aus, die nicht 100% Kurzarbeit machen können.   Damit bleibt ein Sockelbetrag von 15-30% Personalkosten bestehen.Es muss möglich gemacht werden, Mitarbeiter trotz Kurzarbeitergeldleistung teilweise arbeiten zu lassen, um wichtige Innovations- und Umweltprojekte, Prozessoptimierungen und Projektplanungsleistungen für eine Umsatzerholung anzustoßen, die die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen sichern (Bsp. Luxemburg, Wiedereingliederungszuschuss für alle Beschäftigten).     5/6 EU-Beihilferahmen Alle Möglichkeiten des „Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19" der EU-Kommission müssen ausgeschöpft werden.   Echte Hilfe für besonders hart getroffene Branchenunternehmen jeder Größe ist dringend nötig. Alle bisherigen Programme in Deutschland reichen nicht aus, um die Unternehmen der Veranstaltungswirtschaft und damit Millionen Arbeitsplätze zu retten.   Wir sind durch das Veranstaltungsverbot besonders hart getroffen, das ein Berufsverbot darstellt. Dies führt zumassenhaftem Unternehmenssterben und vernichtet Millionen Arbeitsplätze.   Der Beihilferahmen war auf 800.000 Euro limitiert und wurde bisher nur unzureichend angepasst. Schädlich ist, dass sich die deutsche Regierung auf EU-Höchstbeträge beruft, sodass Hilfen nicht ausreichend gewährt werden. Doch ihr stehen Möglichkeiten zur Verfügung, eine Ausnahme zubeantragen. <   Wir fordern, dass die Regierung für unsere Härtefälle grundsätzlich diese Ausnahmen herbeiführt, anstatt sich ohne Not hinter dem EU-Beihilferahmen zu verschanzen. Wir fordern:   direkte Hilfen für alle Unternehmensgrößen in der Veranstaltungs- und Messewirtschaft entsprechend dem „Befristeten Rahmen" der EU, um unseren besonders hart betroffenen Wirtschaftszweig direkte Hilfen zukommen zu lassen und Millionen Arbeitsplätze vor dem Aus zuretten.  < entsprechende Anpassungen des Überbrückungsprogramms für alle Unternehmensgrößen. Hilfen auch für Unternehmen, die sich bereits vor dem COVID-19-Ausbruch in finanziellen Schwierigkeiten befunden haben entsprechend den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien der EU-Kommission.< 6/6 Rettungsdialog Leider hat die Regierung unsere Gesprächsangebote bisher nicht oder nur unzureichend wahrgenommen. Die von unseren Branchenvertretern aufgezeigten Lösungen, wie die Veranstaltungswirtschaft sinnvoll und nachhaltig vor dem Untergang gerettet werden kann, sindungehört verhallt.   Wir haben mehrfach auf die Aufnahme von Gesprächen im Rahmen eines Branchendialogs gedrungen, um die dramatische Lage der Veranstaltungswirtschaft in Deutschland zu erörtern. Um gemeinsam mit der Regierung Lösungen und Wege zu finden, wie ein massenhaftes Unternehmenssterben verhindert werden kann. Um den Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen zuvermeiden. Um den Erhalt von tausenden von Ausbildungsverhältnissen zu sichern.  

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