19. Januar 2021   Themen

Wie sah für Rosa Luxemburg eine Alternative zum Kapitalismus aus?

Sozialismus

Die Wachstumsmaschine Kapitalismus läuft – trotz Fridays for Future – ungehinderter denn je, nicht nur in China und Indien. Kapitalismus ohne Wachstum ist undenkbar, unbegrenztes Wachstum auf einem endlichen Planeten auch. Trotzdem sind die bisherigen Alternativen zur Zerstörung der Natur und des menschlichen Lebens unter die Kapitalverwertung diskreditiert: Die sozialistischen Staaten des 20. Jahrhunderts brachten weder Freiheit, noch zeichneten sie sich durch einen schonenden Umgang mit Natur und Umwelt aus. Allerdings befördert die heutige Vielfachkrise des Kapitalismus die Suche nach anderen Alternativen; auch eine neue Diskussion über einen Sozialismus im 21. Jahrhundert hat begonnen. Diese kann bei Rosa Luxemburg anknüpfen, die einen lebendigen, widerspruchsvollen und in jeder Hinsicht demokratischen Sozialismus anstrebte. Als den »wahren Odem des Sozialismus« sah sie »rücksichtsloseste revolutionäre Tatkraft und weitherzigste Menschlichkeit«. [Link zu: Eine Ehrenpflicht]

Rosa Luxemburg dachte den Sozialismus als eine Einheit aus politischen und sozialen Freiheiten. Damit geriet sie sofort in Konflikt mit Lenin und Trotzki, den Führern der Bolschewiki, die im Oktober 1917 in Russland die Macht übernommen und die politischen Freiheiten abgeschafft hatten. Luxemburg schrieb im September 1918: »Wir unterschieden stets den sozialen Kern von der politischen Form der bürgerlichen Demokratie, wir enthüllten stets den herben Kern der sozialen Ungleichheit und Unfreiheit unter der süßen Schale der formalen Gleichheit und Freiheit – nicht um diese zu verwerfen, sondern um die Arbeiterklasse dazu anzustacheln, sich nicht mit der Schale zu begnügen, vielmehr die politische Macht zu erobern, um sie mit neuem sozialen Inhalt zu füllen.« [1]

Nichts fürchtete Rosa Luxemburg mehr, als dass durch die Herrschaftspraxis der Bolschewiki die sozialistische Idee ihrer wichtigsten Bedeutung beraubt würde: eine Alternative zu Unterdrückung, Ausbeutung und Herabwürdigung werden zu können. Weil Sozialismus nicht durch eine Hintertür eingeführt werden könne, sei es in der Friedhofsruhe einer Diktatur, auch einer »linken«, unmöglich, Sozialismus freizusetzen. Sozialismus müsse von einer Mehrheit gewollt werden und sei deshalb eine Angelegenheit größtmöglicher Öffentlichkeit. Seine Attraktivität könne sich nur in der öffentlichen Auseinandersetzung entfalten. In Revolutionen waren für Luxemburg nicht die »revolutionären Parteien«, sondern ausschließlich die Massen diejenigen, die die Gesellschaft in Richtung Sozialismus verändern können. Demokratie bildete dabei und dafür alternativlos die Grundlage. Sozialismus ließ sich für Luxemburg zudem nicht verordnen, schon weil Sozialismus der Freiheit als Voraussetzung bedürfe, die aber nie von oben kommen könne, sondern von unten gewollt sein müsse.

Ins Zentrum ihres Politikansatzes stellte Rosa Luxemburg die von Marx in kleinem Kreis immer wieder geäußerte Alternative »Sozialismus oder Barbarei«. Sollte die Menschheit nicht einen Ausweg aus der Profitdominanz finden, werde die Gattung Mensch rettungslos der Barbarei verfallen. Nach zwei Weltkriegen, dem Scheitern des Staatssozialismus und der immer sichtbarer werdenden Störanfälligkeit der kapitalistischen Produktionsweise lassen sich die Grundgedanken Luxemburgs – ebenso politische wie soziale Freiheit zu schaffen, Gesellschaft und Natur zusammen zu denken – nutzen, um Grundzüge einer alternativen Gesellschaft zu entwickeln.

»Es ist die historische Aufgabe des Proletariats, wenn es zur Macht gelangt, an Stelle der bürgerlichen Demokratie sozialistische Demokratie zu schaffen, nicht jegliche Demokratie abzuschaffen. Sozialistische Demokratie beginnt aber nicht erst im gelobten Lande, wenn der Unterbau der sozialistischen Wirtschaft geschaffen ist, als fertiges Weihnachtsgeschenk für das brave Volk, das inzwischen treu die Handvoll sozialistischer Diktatoren unterstützt hat.« [2]

Fußnoten

1 Rosa Luxemburg: Zur russischen Revolution [September/Oktober 1918], in: dies.: Gesammelte Werke, Bd. 4, Berlin 1974, S. 363.
2 Ebd.

 

Suche

 
 
 

Rosa Luxemburg Stiftung

 

Besucherzähler

Heute0
Gestern15
Woche23
Monat174
Insgesamt88087
 

Anmeldung