Die Mehrheit will Enteignung
27. September 2021, 15:41 Uhr 353 Kommentare
Volker Boehme-Neßler lehrt öffentliches Recht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Er hat Rechts- und Politikwissenschaft in Berlin und Heidelberg studiert. Bis 2014 war er Professor für Europarecht, öffentliches Wirtschaftsrecht und Medienrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Technik in Berlin. Nach dem erfolgreichen Volksentscheid der Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen in Berlin stellt er fest: So einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht, ist die Lage nicht:
Thema:
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Das Grundgesetz schließt die direkte Demokratie (natürlich) nicht aus. Ihm ist aber die repräsentative Demokratie lieber. Im Zentrum seiner Demokratievorstellung steht das gewählte Parlament als die zentrale Entscheidungsinstanz. Die Skepsis gegenüber der direkten Demokratie hat vor allem historische Gründe. Als der parlamentarische Rat 1948/1949 die Verfassung entwickelte, war die Erinnerung an die Nazidiktatur noch frisch. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes wussten aus eigener Anschauung, wie leicht ein Volk zu verführen ist – und wie furchtbar Entscheidungen sein können, die das Volk direkt trifft. Um es klar zu sagen: Nach Ansicht des Parlamentarischen Rates hatte das deutsche Volk nicht die politische Reife, die in einer direkten Demokratie für gute Entscheidungen nötig ist. Das ist heute sicher anders. Nicht zuletzt deshalb gibt es immer wieder Initiativen, mehr plebiszitäre Elemente in die Verfassung einzuführen.
Manche Landesverfassungen hatten von vornherein ein entspannteres Verhältnis zur direkten Demokratie. Besonders weit geht dabei die Landesverfassung von Bayern. Aber auch die Berliner Landesverfassung kennt Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide. Mit diesen Instrumenten können die Wählerinnen und Wähler direkt Einfluss auf das Berliner Abgeordnetenhaus nehmen. In den vergangenen Jahrzehnten gab es in Berlin einige Volksbegehren und Volksentscheide – für die in der Landesverfassung jedoch hohe Hürden gesetzt sind. Ein Volksentscheid etwa hat nur dann Erfolg, wenn eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger zustimmt und das gleichzeitig mindestens ein Viertel der in Berlin Wahlberechtigten ist. Daran sind nicht wenige politische Initiativen gescheitert.