13. Juni 2022   Themen

„Sanktionsmoratorium“ vom Bundesrat beschlossen

Das sog. Sanktionsmoratorium wurde nun vom Bundesrat am 10. Juni 2022  beschlossen. Es wird im Monat nach Verkündung wirksam, somit vermutlich zum 01. Juli 2022 und soll dann bis Ende Juni 2023 gelten.

Die Stellungnahmen gegen das Sanktionsmoratorium überschlagen sich, ArbeitsvermittlerInnen erklären sinngemäß: jetzt tanzen uns die Hartz IV – Beziehenden auf der Nase rum, der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, hält die jetzige Sanktionspraxis weiterhin für nötig. „Niemand möchte ein Jobcenter-Berater sein, der das erklären muss.“ 97 Prozent der Leistungsbezieher kämen mit Sanktionen überhaupt nicht Berührung, weil alle Auflagen befolgt würden.
Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) hält das Sanktionsmoratorium für einen „Schlag ins Gesicht aller Mitarbeiter in Jobcentern“. Baden-Württemberg: Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) betonte: „Für einige wenige, die beharrlich eine Zusammenarbeit verweigern, braucht es weiterhin Sanktionen.“ Die Liste der Sanktionsbefürworter lässt sich fortsetzen.

Einschätzung zum Sanktionsmoratorium:
Erstmal zu den Fakten:laut Aussage der BA werden nur 3 % der ALG II-Beziehenden jährlich sanktioniert. Wenn für ein Jahr die Sanktionen (teilweise) ausgesetzt werden, wird die Welt nicht untergehen. Die Sanktionen waren DAS MITTEL um den Niedriglohn in Deutschland durchzusetzen, soziale Standards und bestehende Sicherungssysteme mit Einführung der AGENDA 2010 abzuschaffen.

 


Bis zum Urteil des BVerfG wurden Sanktionen bis hin zur Obdachlosigkeit, absoluten Verschuldung und Existenzvernichtung, gerade junger Menschen, durchexerziert. Tacheles ist es Ende 2019 als Glanzstück durch öffentlichen Druck gelungen, die Weisung der BA zu den Sanktionen dahingehend zu beeinflussen, dass diese auf generell 30 % begrenzt werden.
Die Wirkung von möglichen Sanktionen strahlte auf alle Leistungsbeziehenden und sogar prekär Beschäftigte. Alle Hartz-IV-Beziehenden wussten bis zur Entscheidung des BVerfG, das Jobcenter kann sie bis zur Obdachlosigkeit sanktionieren. Kooperation und damit Niedriglohn wurde mit diesem Instrument erzwungen.

Nein, das „Abendland geht nicht unter“ vom Sanktionsmoratorium, mit diesen 3 % „unkooperativen Leistungsbeziehenden“ wird die Gesellschaft einfach leben können und müssen. Es ist vielmehr eine große Chance von der vorherrschenden Hetze gegen Erwerbslose wegzukommen und das System der sozialen Sicherung neu auszugestalten.
Notwendig sind vielmehr existenzsichernde Regelleistungen, für alle, sei es für Erwerbstätige, RentnerInnen, Geflüchtete. Die Regelleistungen müssen sofort massiv hoch, und zwar viel mehr als die von Arbeitsminister Heil angekündigten 10 % = 45 – 50 EUR, sondern in einer Höhe die das menschenwürdige Dasein, die gesellschaftliche Teilhabe und die Inflationsrate in geeigneten Maße wiedergibt. Das bedeutet 150 – 200 EUR, nicht einmalig im Jahr, sondern jeden Monat!     
Notwendig ist Fördern, dass alles getan wird, damit Leistungsbeziehende qualifiziert und weitergebildet werden und nicht das Finanzieren von unsinnigen Maßnahmen, die nicht selten völlig am Arbeitsmarkt vorbeigehen und wo es vielmals um Finanzierung der Hartz IV – Beschäftigungsträger und das Schönrechnen von Arbeitsmarktstatistiken geht. 
Diese Chance zur Neugestaltung der Arbeitsmarktpolitik sollte von der Ampel jetzt ergriffen werden!

Zu den konkreten Punkten des Sanktionsmoratorium:

- Aussetzen der Sanktionen nach § 31a SGB II gilt vermutlich ab Juli 2022 bis Juni 2023 (§ 84 Abs. 1 SGB II-N).
Das dürfte auch zuvor begonnene, aber im Juli 2022 noch nicht vollständig durchgeführte Sanktionen betreffen.

- Minderungen wegen Meldeversäumnissen erst nach wiederholtem Meldeversäumnis, Bemessungszeitraum für wiederholte Meldeversäumnisse ein Jahr. Minderung auf 10 % des RS begrenzt, dh. mehrere 10 % Minderungen übereinander sind nicht zulässig (§ 84 Abs. 3 SGB II - N).

Zwei große Gefahren besten:
- Ausgehend von der jetzigen Rechtslage können Sanktionen nach § 31a SGB II bis sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung durchgeführt werden (§ 31b Abs. 1 S. 5 SGB II), daher könnten ab Juli 2023 noch Sanktionen nachträglich für die Zeit ab Januar 2023, trotz des Moratoriums erfolgen.
- Neben Sanktionen kann auch bei einer Reihe von Sanktionstatbeständen ein Kostenersatz wegen vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführter Hilfebedürftigkeit nach § 34 SGB II geltend gemacht werden. Dieser Kostenersatzanspruch verjährt nach drei Jahren nach Ablauf des Jahres, für das die Leistung erbracht worden sind § 34 Abs. 3 S. 1 SGB II). Das bedeutet, statt zu sanktionieren ist in vielen Fällen auch einen Kostenersatzanspruch von Jobcentern möglich.

Hier die Infos des Bundesrates zur Verabschiedung er vom Sanktionsmoratoriums: https://t1p.de/w6wph und hier der Gesetzestext: https://t1p.de/b1har

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