13. Juli 2023   Themen

Ampelregierung: 700 Millionen Euro für Waffen in die Ukraine, keinen Cent für die Rettung kommunaler Krankenhäuser

Quelle: Gemeingut in BürerInnen-Hand

Liebe Freundinnen und Freunde der öffentlichen Daseinsvorsorge,

wir waren dort: In Friedrichshafen, vor den Türen der Gesundheitsministerkonferenz, haben wir zahlreich und lautstark gegen die zerstörerische Krankenhausreform protestiert. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach haben wir den Schmähpreis die „Goldene Abrissbirne“ verliehen. Dass Lauterbach nicht die Größe hatte, den Preis persönlich entgegenzunehmen, steht auf einem anderen Blatt. Wahr ist leider aber auch: Bund und Länder haben drei Tage später einen tragischen Kompromiss geschlossen.

Lauterbach ist es leider gelungen, sein Prinzip von der Verwaltung des Mangels durchzusetzen. Zuvor hatte er in den Haushaltsberatungen des Bundes ohne mit der Wimper zu zucken so massive Kürzungen hingenommen wie kein anderes Ressort.

Dem Gesundheitsbereich fehlen künftig weitere 16 Milliarden Euro. Auf unserer Kundgebung kommentierte eine Pflegekraft Lauterbachs Kürzungen mit verzweifeltem Humor: „Wir haben doch noch jede Menge Applausreserven.“ Aber auch der Bund-Länder-Kompromiss, festgehalten in einem „Eckpunktepapier“, hat es in sich: Sogenannte anteilige Vorhaltepauschalen bewirken, dass die eigentlich als schädlich erkannten DRG-Fallpauschalen beibehalten werden können. Die Kommerzialisierung im Krankenhaussektor wird damit zementiert, Dutzende weitere Krankenhäuser werden demnächst pleitegehen. Dauerhaft überlastet und unterbezahlt geben viele Pflegekräfte den Beruf auf. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Auszubildenden drastisch. Und in von der Politik aufgegebenen Regionen fehlen tausende Ärztinnen und Ärzte. Auf zynische Weise passt dazu die neue Richtlinie zur Ersteinschätzung in der ambulanten Notfallversorgung: Künftig dürfen in Rettungsstellen Patienten ohne ärztliche Begutachtung abgewiesen werden.

Der Bund-Länder-Kompromiss zu den Krankenhäusern bedeutet ein Kliniksterben in zwei Stufen. Bis 2026 werden wir ein regelloses Sterben unter den sechzig Prozent der Kliniken erleben, die seit Jahren rote Zahlen schreiben. Mit Inkrafttreten der Reform kommt die Phase des geregelten Kliniksterbens – dann steuert der Bund die Schließungen über seine Qualitätsvorgaben, die festlegen, dass kleine Krankenhäuser zumachen und ihr Personal an Großkliniken abgeben müssen.

Wir geben nicht auf. Der Wahnwitz von Lauterbachs Vorhaben ist zu gewaltig, um geräuschlos über die Bühne gehen zu dürfen. Was wir benötigen, sind sachkundige, kritische Informationen, die breite Kreise der Bevölkerung erreichen. Die Menschen sollen wissen, dass sie diese Reform nicht nur mit steigenden Krankenkassenbeiträgen bezahlen, sondern unter Umständen mit der eigenen Gesundheit. Dazu haben wir eine aktualisierte Ausgabe unserer Krankenhauszeitung drucken lassen, die Sie kostenlos zum Verteilen bei uns bestellen können. Für knappe Infos zum Thema haben wir ein Faltblatt erstellt, das ebenfalls gratis bezogen werden kann. Zum Bestellen schreiben Sie uns an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! und geben Sie Ihre Postadresse und die Menge der erwünschten Zeitungen und Flugblätter an.

Für GiB und das Bündnis Klinikrettung grüßen herzlich
Laura Valentukeviciute und Carl Waßmuth

PS:         Im Sommer erarbeitet das Gesundheitsministerium das Kahlschlag-Gesetz, und ab Herbst wird es im Bundestag und im Bundesrat diskutiert. Wir können mit Ihrer Hilfe eine breitere Öffentlichkeit erreichen und in diesen Prozess eingreifen. Bestellen Sie die Zeitung und das Flugblatt, und unterschreiben und verbreiten Sie unsere Petition in Ihrem Bekanntenkreis: https://www.openpetition.de/petition/online/stoppen-sie-lauterbachs-katastrophale-reformplaene-fuer-eine-echte-krankenhausrevolution

Neues auf der Gemeingut-Website

10. Juli: Der Bund und die Länder haben sich auf die Eckpunkte für die geplante Krankenhausreform geeinigt. In einer Pressemitteilung kommentierte das Bündnis Klinikrettung: „Die Eckpunkte lösen kein einziges der grundlegenden Probleme der Krankenhäuser – Unterfinanzierung, Personalmangel, Klinikschließungen“. https://www.gemeingut.org/vereinbarte-eckpunkte-fuer-die-krankenhausreform-loesen-die-kernprobleme-im-krankenhauswesen-nicht/

6. Juli: Anlässlich der Gesundheitsministerkonferenz protestierte das Bündnis Klinikrettung heute gemeinsam mit weiteren Initiativen in Friedrichshafen gegen die geplante Krankenhausreform. Das Bündnis kürte Karl Lauterbach zum Preisträger der „Goldenen Abrissbirne“, dem Schmähpreis für Klinikschließer. https://www.gemeingut.org/protest-zur-gesundheitsministerkonferenz-2023-schmaehpreis-goldene-abrissbirne-fuer-karl-lauterbach/ Die Laudation kann hier nachgelesen (https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2023/07/Laudatio_Lauterbach_GiB.pdf) und hier nachgeschaut werden (https://www.gemeingut.org/infothek/audiovideo/)
Über die Aktion berichteten folgende Medien:
Die Schwäbische Zeitung (Druckvariante, Beitrag vom 7.7.2023 „Sechs Streitpunkte am See“) hat den Arzt Joachim Flämig vom Bündnis Klinikrettung und der Initiative RUK Rosmann-Breisach zitiert: „Politiker wie Herr Lauterbach und Herr Lucha haben keine Ahnung von den Menschen auf dem Land" […] "Die brauchen in der Nähe gute Krankenhäuser, denen sie vertrauen. Sonst werden Krankheiten verschleppt.“ Weite Berichte erschienen in Nordkurier (https://www.nordkurier.de/politik-wirtschaft/streit-um-kliniken-in-deutschland-geht-weiter-1742452), Seemotz (https://www.seemoz.de/lokal_regional/gmk-protestaktionen-von-ver-di-und-dem-buendnis-klinikrettung/) und in der jw (https://www.jungewelt.de/artikel/454154.gesundheitsversorgung-lauterbachs-pleiteplan.html)
SWR und ARD haben einen Videobericht veröffentlicht: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/friedrichshafen/gesundheitsministerkonferenz-in-friedrichhshafen-geht-weiter-100.html , https://www.ardmediathek.de/video/swr-aktuell-baden-wuerttemberg/sendung-18-00-uhr-vom-6-7-2023/swr-bw/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzE4ODUyOTE

29. Juni: Am 29.6. tagte die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die die Weichen für die Krankenhausreform stellen sollte. Lauterbach befürwortet die Schließung von 20 Prozent der Krankenhäuser. Gesundheitsökonom Reinhard Busse schlägt vor, 50 Prozent aller Kliniken schließen. Das Bündnis Klinikrettung hält dagegen und veröffentlichte zusammen mit dieser Pressemitteilung seine Analyse zur aktuellen Debatte und seine Vorschläge für notwendige Veränderungen. https://www.gemeingut.org/krankenhausreform-bund-laender-arbeitsgruppe-verkuemmert-zum-schliessungsbasar/

10. Juni: Das Bündnis Klinikrettung veröffentlichte unter dem Titel „Krankenhausreform: Bayern droht Kahlschlag“ eine Sonderzeitung mit dem Fokus auf Bayern. Darin geht es u.a. um den Scheinwiderstand von dem Bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek, der gegen die aktuellen Klinikschließungen keinen Finger krumm macht. https://www.gemeingut.org/bayerische-sonderzeitung-zur-krankenhausreform/ Die Zeitung kann kostenlos bestellt werden.

Weitere Berichte in den Medien

17. Juni, junge welt: Im Interview unter dem Titel »Lauterbach kann sich hinter Lindner verstecken« sprach Laura Valentukeviciute von Gemeingut über die angekündigte Erhöhung der Kassenbeiträge und wie das mit der geplanten Krankenhausreform zusammenhängt. https://www.jungewelt.de/artikel/452973.austerit%C3%A4t-im-gesundheitswesen-lauterbach-kann-sich-hinter-lindner-verstecken.html

Krankenhausreform

Viele Zeitungen und Nachrichtensendungen durchschauen die Reform von Lauterbach nicht und berichten weitgehend regierungstreu. Aber auch Journalistinnen und Journalisten bekommen unsere Informationen. Und so wächst die Zahl derer, denen schwant, dass da etwas Ungeheuerliches im Gange ist. Im Spiegel kam es auf diesem Weg zu folgendem aufschlussreichen Interview: https://www.spiegel.de/wirtschaft/krankenhausreform-von-karl-lauterbach-so-warnt-ein-krankenhaus-chef-vor-den-risiken-a-4b3b5d61-8555-4b19-a174-be519599295e Insbesondere am Ende des Interviews entkräftigt Michael Decker, Chef des Diakoniekrankenhauses in Freiburg, die Argumente zur Konzentration der Kliniken:
"SPIEGEL: […] Würden Krankenhäuser schließen, könnte mehr Personal dem Markt zur Verfügung stehen.
Decker: Glauben Sie das ernsthaft? Es sprechen mehrere Punkte dagegen. Wenn ich an anderer Stelle mehr Patienten behandle, benötige ich dort auch mehr Personal. Sonst werden die Vorgaben      zur Betreuung nicht erfüllt. Viele Pflegekräfte etwa wollen aber gar nicht woanders hin wechseln. Die Universitätsklinik wirbt damit, dass man bis zu 18 Prozent mehr bei ihnen verdient als etwa bei uns. Es wechselt trotzdem keiner. Arbeitsbedingungen sind ein wichtiges Thema. Bei größeren Konzentrationsprozessen werden viele Beschäftigte den Krankenhausbereich verlassen. Hinzu kommt: Wir werden in Zukunft schon etliche Krankenhäuser brauchen. Dafür spricht die Demografie der Patienten. Sie werden immer älter und können deshalb auch mehr Krankheiten bekommen, die eine stationäre Versorgung erfordern."
[…]
"SPIEGEL: Nochmal: Dann würde doch ausgerechnet die Schließung von Krankenhäusern helfen, um das Geld an weniger Einrichtungen verteilen zu können.
Decker: Das ist Quatsch, auch wenn es immer gesagt wird. Bezogen auf das Bett wird das benötigte Geld kein bisschen weniger. Ein Maximalversorger, der alle Leistungen auf sich konzentrieren      würde, wird mindestens die gleichen Summen brauchen. Es ändert sich nichts, außer das Krankenhäuser verschwinden werden. Und genau das werfe ich Lauterbachs Reform vor: Er tönt, alles werde jetzt besser. Eine wissenschaftliche Begründung hat er nicht vorgelegt. Und die Öffentlichkeit glaubt ihm das."

7. Juli, tagesspiegel.de: Die Antwort auf eine Anfrage der Grünen in Brandenburg ergab, dass in Notfällen viele BrandenburgerInnen schon heute weite Strecken fahren müssen. Im Land ist die Sorge groß, dass durch die Krankenhausreform die Lage sich noch verschlimmern wird. https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/krankenhauser-in-brandenburg-schon-heute-weite-wege-zum-nachsten-maximalversorger-10106557.html Die brandenburgische Gesundheitsministerin Ursula Nonnenmachen stimmte Lauterbachs Eckpunktepapier zur Reform trotzdem zu.

Kritik an der Reform kam auch von der Verband der Unfallchirurgie, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Caritas:

3. Juli, www.aerzteblatt.de: Auch die UnfallchirurgInnen kritisieren die Reform: „Wir befürchten einen deutlichen Qualitätsrückschritt“, warnte Dietmar Pennig, stellvertretender DGOU-Generalsekretär. „Alle Initiativen, die zur Verbesserung der Versorgung von Verletzten in den letzten Jahren aufgebaut wurden, drohen verloren zu gehen“. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/144345/Unfallchirurgen-fuehlen-sich-bei-Krankenhausreform-uebergangen

29. Juni, dkgev.de. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisierte die Reform wie folgt: „Die Ideen des Bundesgesundheitsministers werden die Qualität der Krankenhausversorgung nicht verbessern, sondern tatsächlich in vielen Regionen massiv verschlechtern und Lücken reißen.“ https://www.dkgev.de/dkg/presse/details/patientinnen-und-patienten-sind-keine-ware/
Auch Caritas übte Kritik: „Die Reform ist eine verdeckte Rationierung von Gesundheitsleistungen, die den massiven Abbau von Krankenhausbetten zum Ziel hat.“ https://www.caritas-berlin.de/krankenhausreform

13. Juni, Südkurier: Im Interview unter dem Titel „Warum sterben immer mehr Krankenhäuser?“ erläuterte Dr. Thomas Strohschneider (auch aktiv im Bündnis Klinikrettung) die Gründe für die Misere in vielen Kliniken. https://www.suedkurier.de/ueberregional/politik/warum-sterben-immer-mehr-krankenhaeuser-ein-chirurg-hat-antworten;art410924,11603840 (Bezahlschranke)

 

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