14. September 2023   Themen

Der Verteidungshaushalt wird auf Kosten des Gesundheitssystems, der Bildung und des Sozialstaates aufgestockt

Die Konrad Adeneuer Stiftung schreibt: Als derzeit größte unmittelbare Bedrohungfür unsere Sicherheit muss Russland wahrgenommen werden. Ist das real so??  Verteidigungsminister Pistorius betont: Die Verbesserungen der personellen und materiellen Ausstattung der Bundeswehr sind nur im Einklang mit steigenden Investitionen zu realisieren. Fazit: Der Verteidungshaushalt wird  auf Kosten des Gesundheitssystems, der Bildung und des Sozialstaates aufgestockt. Reformer Lauterbach reformiert und die Waffenlobby frohlockt.


Quelle: Der marktgerechte Patient?!

Deutschlands Krankenhausversorgung steckt tief in der Krise. Es fehlt an Personal,
technischer Ausstattung, aber auch an Schutzmitteln und Reservekapazitäten, wie die jüngste Epidemie verdeutlichte. Immer mehr öffentliche und freigemeinnützige Kliniken schließen, weil sie insolvent gespart worden  sind. Besonders betroffen sind kleine Kliniken in ländlichen Gebieten.

Nachfolgend finden Sie zehn Fakten zu Klinikschließungen sowie Angebote, sich gegen das Kranken- haussterben zu wehren

1. Mehr als 1 Klinik bundesweit schließt durchschnittlich pro Monat

Seit Beginn der 1990er Jahre nahm in Deutschland die Zahl der Krankenhäuser um 20 Prozent
und die der Krankenhausbetten um 25 Prozent ab. Gab es im Jahr 1991 noch 2.411 Kliniken und
684.000 Klinikbetten, waren es 2018 nur noch 1.925 Krankenhäuser und circa 498.000 Betten.
In 30 Jahren wurden 486 Klinikengeschlossen – das ist mehr als
eine Klinik pro Monat.

Im Gegensatz dazu stiegen die PatientInnen-/Fallzahlen im gleichen Zeitraum um 33 Prozent. Möglich
wurde das durch eine immer kürzere Verweildauer: Betrug sie 1992 im Durchschnitt noch
13,3 Tage, waren es 2019 nur noch 6,7 Tage.
Ein rascher PatientInnen- wechsel durch Kürzen der Verweildauer erhöhtzwar den Arbeitsdruck
der Beschäftigten, schafft aber freie Behandlungskapazitäten – und damitbegründen die Gesund- heitsökonomInnen die Reduzierung der Krankenhäuser.

2. 60 Prozent aller Krankenhäuser bundesweit sollen zumachen

Krankenhausschließungen sind nichts Neues. Seit 2016 bekommen sie aber eine neue Dimension.
GesundheitsökonomInnen emp fehlen einen regelrechten Kahlschlag: Nur 600 zentrale Kranken
häuser sollen bestehen bleiben, ein Extremszenario sieht sogar eineReduktion auf 330 Kliniken vor. AlsVorbild ziehen die BeraterInnen Dänemark heran. Aber dort stehen die wenigen verbliebenen Krankenhäuser inzwischen erneut unter Wirtschaftlich keitsdruck und müssen ihre Kapazitäten
weiter abbauen.

 

Im Sommer 2019 hat das Land Nordrhein-Westfalen die Berateragentur Partnerschaft Deutschland – Berater der öffentlichen Hand GmbH mit einem Gutachten beauftragt. Danach soll die Zahl der Kliniken in diesem Bundesland um bis zu 60 Prozent reduziert werden. Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt, nach demselben Schema bundesweit vorzugehen.

3. 750 Millionen Euro Steuergelder werden jährlich vor allem für Schließungen bereitgestellt


Bund und Länder stellen seit 2016 jährlich eine Milliarde Euro (seit 2018 jährlich 750 Millionen Euro)
Steuergelder für Schließungen von Krankenhäusern bereit. Aus diesem Strukturfonds wird der
Abbau von Betten finanziert. Ein Teil der Betten soll dann in anderen Krankenhäusern wieder aufgebaut werden. Das geschieht häufig verzögert und nicht im gleichen beziehungsweise versprochenen Umfang.

In vielen Fällen werden aus den geschlossenen Krankenhäusern ambulante Gesundheitseinrichtungen, die zum Beispiel keine Notfallversorgung leisten, sondern lediglich auf das nächste Notfallkrankenhaus verweisen
dürfen.

4. 2,5 Millionen Menschen wären von den Schließungen betroffen

Durch die Schließung von Klinikenin der Fläche wird der Weg zum nächsten Krankenhaus weiter –
ein Risiko für AkutpatientInnen. Aufgrund der weiten Fahrtwege werden auch die NotärztInnen länger als zuvor für die einzelnen Notfälle benötigen und somit für weitere Notfälle nicht verfügbar sein. (Ein Beispiel die drohende Schließung des Kinderärztlichen Notdienstes in Darmstadt.)

Von dem bisher geltenden Prinzip,dass jeder Mensch in Deutschland innerhalb von 30 Minuten ein
Krankenhaus erreichen soll, rücken die PolitikerInnen jetzt ab – und zwar ohne jegliche öffentliche
Debatte dazu. Bisher benötigten nur 0,29 Prozent der BürgerInnen 30 oder mehr Minuten bis zum nächsten Krankenhaus. Wenn jetzt regional viele Krankenhäuser schließen, werden um die drei Prozent der Bevölke-
rung, circa 2,5 Millionen Menschen, mehr als 30 Minuten Fahrzeit zurnächsten Klinik benötigen.

5. Nur noch 44,3 Prozent der Investitionsmittel kommen von den Ländern

Die Bundesländer müssen laut Krankenhausfinanzierungsgesetz für Investitionen aufkommen. Aber die Finanzmittel dafür sinken seit vielen Jahren nahezu kontinuierlich. Im Jahr 2017 kamen nur noch 44,3 Prozent (2,8 Milliarden
Euro) der Investitionsmittel entsprechend den gesetzlichen Vorgaben von den Länder Investitionen in gleicher Höhe – 2,8 Milliarden Euro – stemmten die Krankenhäuser selbst, also aus den laufenden Einnahmen oder kreditfinanziert. Krankenhaus- einnahmen sind aber prinzipiell für laufende Behandlungen vorge- sehen, es fehlen also Mittel für eine wertschätzende PatientInnen- versorgung und für eine angemes- sene Arbeitsweise und Bezahlung des Personals. Auch das neue Krankenhauszukunftsgesetz ändert die Lage nicht grundlegend.

6. Bis zu 65 Prozent Kosteneinbuße drohen bei Fehlprognose

Krankenhäuser müssen jährlich ihre künftigen Kosten voraussagen, um sie erstattet zu bekommen. Sie müssen dabei Abschläge hin nehmen, wenn sie gegenüber der eigenen Prognose zu wenig oder zu viel Umsatz gemacht haben. Diese Abschläge sind existenzbedrohend, sie betragen 35 bis 65 Prozent der betreffenden Kosten

Dabei kommt es gerade bei den Mehrleistungen zu Kettenreaktionen:
Muss ein Krankenhaus schließen,gefährdet es damit sofort die Nachbarstandorte, die die PatientInnen auf-
nehmen müssen, aber dafür Erstattungs- abschläge hinnehmen müssen. Auch ist es nicht im Sinne des Patien-
tInnenwohls, Krankheiten beziehungs- weise Behandlungen künstlich zu generieren, um einen Plan zu erfüllen.

7. 172,3 Millionen Euro Gewinn machte der Krankenhauskonzern Asklepios 2019

Seit 1985 können Krankenhäuser indirekt, seit 2003 offen Gewinneerwirtschaften. Seit Mitte der
1980er Jahre entstanden in Deutschland fünf große private Klinikkonzerne. Ihre Profite speisen sich aus Einsparungen beim Personal, lukrativeren Fällen bei der PatientInnenwahl und -behandlung und höheren Abrechnun gen bei den Krankenkassen.

Unter AktienanlegerInnen gilt der Gesundheitssektor als „konjunktur unabhängiger Wachstumsmarkt“.
Die Asklepios Kliniken Gruppe erwirtschaftete im Jahr 2019 einen Gewinn von 172,3 Millionen Euro. Der weitere Aufbau zentralisierter Großkliniken verspricht den Privaten ein profitables Geschäft.

8. 48 Prozent mehr Knieoperationen und 40 Prozent mehr Kaiserschnitte

2003 wurde das Abrechnungs system nach Fallpauschalen (DRG – Diagnosis Related Groups/
Diagnosebezogene Fallgruppen) eingeführt. Das hatte zur Folge,dass Krankenhäuser für aufwendige
Behandlungen, vor allem Operationen mit viel Einsatz von Medizin-technik, höhere Erträge bekommen als für konservative (erhaltende), langwierige und pflegeintensive Behandlungen. So stieg mit der Einführung der DRG Abrechnung die Zahl der Knieoperationen um 48 Prozent, der Hüftgelenk-operationen um 23 Prozent oder
der Kaiserschnitte um 40 Prozent.

Auf lukrativere aufwendige Operationen spezialisieren sich die privaten Kliniken. Die öffentlichen Kranken-
häuser müssen hingegen die Grundversorgung garantieren und stehen deswegen finanziell viel schlechter da.

9. #992,5ProzentAuslastung führen zuvermeidbarenTodesfällen

Die durchschnittliche Auslastung der Krankenhausbetten lag 2019 in den allgemeinen Krankenhäusern
bei 76,2Prozent. Mit der Zahl
begründen Gesundheitsökono mInnen gern, dass noch weitere Betten abgebaut werden können.

Die Auslastung im Winter und bei Infektionswellen ist aber höher alsder jährliche Durchschnitt und
kann, wie bei der Grippewelle 2017,
zu vollen Häusern führen. Eine Studie aus dem Jahr 2013zuüber 82.000Krankenaktenaus83Krankenhäusern zeigte, dass bei einer Auslastung von 92,5 Prozent
der Druck auf das Personal so hoch wird, dass es vermehrt zu vermeidbaren Todesfällen bei PatientInnen kommt. Auch die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass die Kapazitäten in den Krankenhäusern nicht
nur den Schönwetter-Prognosen standhalten müssen.

10. 96 Prozent finden die PatientInnenversorgung wichtiger als die Wirtschaftlichkeit

Bei einer von Gemeingut in BürgerInnenhand beauftragtenrepräsentativen Forsa-Umfrage Ende Juni 2020
haben 96 Prozentder Befragten angegeben, dass sie die PatientInnenversorgung wichtigerals die Wirtschaft-
lichkeit im Kranken hauswesen finden. 88 Prozent sind lautder gleichen Befragung gegen weitere
Krankenhaus schließungen. Eine weitere ForsaUmfrage vom Juli 2020, beauftragt vom Katholischen Krankenhausverband Deutschlands, ergab, dass die wohnort-nahe Krankenhausversorgung für 93 Prozent der Befragten wichtig oder sehr wichtig ist.

Viele PatientInnen benötigen nämlich keine komplizierten Operationen und müssen trotzdem stationär behandelt werden. Auch bei einer Blinddarm operation oder einer schwer verlaufenden Grippe müssen Menschen ins Krankenhaus und, wenn sie älter sind, auch länger stationär therapiert werden.

Fazit: Ein bundesweites Netz gut ausgestatteter Krankenhäuser ist überlebenswichtig

Deshalb appellieren wir an den Bundesgesundheitsminister und die GesundheitsministerInnen  der Länder: Sichern Sie zu, dass keine weiteren Krankenhäuser geschlossen werden. Sorgen Sie dafür, dass Kliniken ausreichend Geld für Personal, Behandlungen und Investitionen bekommen.


Die BürgerInnen haben das Recht, sowohl in normalen Zeiten als auch in Krisenzeiten eine gutewohnortnahe klinische Versorgungzu erhalten!

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