06. März 2024   Themen

Kurz nach der Übernahme: "Müller-Milch" schließt "Landliebe"-Werk

Nicht profitabel? Hat Müller die Schließung von Anfang an geplant? 


"Theo Müller schließt Landliebe-Werk: "Riesenkatastrophe", sagt ein Gewerkschafter"

Stern Interview

Quelle: Dieser Artikel ist eine Übernahme aus dem Wirtschaftsmagazins Capital

Nur kurz nach der Übernahme durch Müllermilch muss das Landliebe-Werk in Heilbronn schließen. Der Standort sei nicht profitabel, so der Konzern. Doch NGG-Gewerkschafter Frank Meckes vermutet andere Gründe.

Herr Meckes, Müllermilch hat das Landliebe-Werk in Heilbronn erst 2023 übernommen. Nun soll es spätestens Mitte 2026 schließen. Wie ist die Stimmung in der Belegschaft?
Beschissen, ganz ehrlich, mir fällt kein anderes Wort ein. Natürlich auch enttäuscht, frustriert, zornig, wütend. Die komplette Bandbreite. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Viele Beschäftigte haben über Jahre hinweg den Niedergang des ehemaligen Traditionsbetriebes Südmilch miterleben müssen. Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten teilweise 20, 30 Jahre und länger da unten. Viele hatten irgendwann einen Punkt erreicht, wo sie nur weg von FrieslandCampina wollten, die den Betrieb ja übernommen hatte. Mit Müllermilch kam dann ein Unternehmen, das erfolgreich am Markt ist. Das hat die Belegschaft zunächst beeindruckt. Und jetzt ist das natürlich eine Riesenkatastrophe. 

Manche Mitarbeiter sagen, Müller habe die Schließung von Anfang an geplant.

Ja, einige sagen, das sei von vornherein klar gewesen, sie hatten nicht viel Hoffnung. Die anderen sagen, dass sie total enttäuscht seien, weil sie dachten, dass es aufwärts geht und Innovation und Aufschwung kommen. Es ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten, die sich da seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten in den Dienst dieses Unternehmens stellen.

Die offizielle Begründung ist, das Werk sei nicht mehr rentabel. Stimmt das?
Das werden jetzt die Wirtschaftsprüfer, die der Betriebsrat in Auftrag genommen hat, analysieren. Das wollen wir natürlich wissen. Und das wollen vor allem auch die Menschen wissen, die da unten arbeiten. Bisher haben wir eine einseitige Ansage bezüglich Profitabilität und bezüglich Investitionsstau. Das müssen wir selbst prüfen. Deswegen hat der Betriebsrat beschlossen, hier Sachverständige hinzuzuziehen.

Wobei nicht nur Müllermilch davon spricht, dass es unrentabel ist. Das hat doch auch schon die vorige Eigentümerin FrieslandCampina eingeräumt?
Ja, da liegen Sie nicht falsch. Aber das ist die typische Ei-oder-Huhn-Debatte: Was war zuerst da? Ein profitables Geschäft, das dann über eine fehlende oder falsche Strategie einfach den Bach runtergegangen ist? Oder tatsächlich ein verändertes Verbraucherverhalten, auf das das Unternehmen zu spät oder gar nicht reagiert hat?

Es scheinen ja Dinge falsch gelaufen zu sein. Welche?
FrieslandCampina hat über die Jahre an den Standorten Heilbronn und Köln offensichtlich grobe Fehler gemacht im Hinblick auf Rentabilität, Margen-Politik und vielleicht auch eine falsche Strategie gegenüber Handelsketten. FrieslandCampina hatte ja nicht nur eigene Marken wie Landliebe, sondern hat auch Handelsmarken produziert für sämtliche große Einzelhandelsketten wie Lidl, Edeka und Aldi. Wenn da das Verhältnis irgendwann kippt und, ich sage mal, man mehrheitlich nur diese weißen Produkte fährt, dann kippt die betriebswirtschaftliche Berechnung. Jetzt bin ich kein Controller von FrieslandCampina und kein Controller von Müller. Aber so viel, glaube ich, bringe ich auch noch auf dem Papier zusammen, dass ich zumindest sagen kann: Ich muss Geld verdienen, und wenn ich das nicht tue, dann muss ich eine andere Markenstrategie fahren. Aber jetzt wie Müller so zu tun, als ob man nach einem Dreivierteljahr, nachdem man dieses Unternehmen hier ins Handelsregister hat eintragen lassen, auf die Idee kommt: Das Geschäft ist überhaupt nicht mehr profitabel. Das halte ich für eine Frechheit.

Gerade deshalb fragen sich manche, ob es von Anfang an Müllers Plan war, die unliebsame Konkurrenz loszuwerden und sich die Marke Landliebe zu sichern.
Ich gehe schon davon aus, dass Unternehmen, die bereit sind, sehr viel Geld zu bezahlen, bei einer Übernahme nicht so blauäugig sind und sich vorher mit der Struktur beschäftigen. Der Eindruck, den die Beschäftigten haben, deckt sich auch mit unserem Eindruck als Gewerkschaft. Die Menschen sind ja nicht doof. Bei Betriebsversammlungen hat die Belegschaft immer wieder Fragen hinsichtlich Produktportfolio, Auslastung und auch Zukunftsfragen gestellt. Deswegen kommen nun auch diese Stimmen, die sagen, dass das von vornherein der Plan von Herrn Müller war. Und dass es eine Möglichkeit für ihn war, sich die Markenrechte zu sichern, einen Mitbewerber aus dem Markt zu schieben und die Marktdominanz auszubauen. 

 

Der Marktanteil der Müller-Gruppe liegt laut Bundeskartellamt in den Bereichen Milchreis, frische Milchmischgetränke und Basismilchgetränke schon jetzt bei über 60 Prozent. Deshalb hat sich die Behörde die Übernahme der Landliebe-Standorte auch genau angeschaut. 
Ja, trotzdem mache ich unseren Kartellbehörden auch Vorwürfe. Ich habe schon das Gefühl, dass man das Große und Ganze aus dem Auge verliert, also was so ein Konzern möglicherweise auch in dieser groß angelegten Portfoliogeschichte erreichen kann. Der Behörde kann man nicht vorwerfen, dass sie das hoppla hopp geprüft hat. Die haben sich da schon Zeit gelassen. Aber diese Marktposition des Konzerns ist mittlerweile schon enorm.

Welche Alternative hätte es zum Verkauf an die Müller-Gruppe gegeben? 
Man kann, glaube ich, so einen Standort und solche Produkte weder von heute auf morgen retten, noch an die Wand fahren. Hier ist ein großes Thema Innovation, aber auch Produkte am Markt vorbeiproduzieren, also auf falsche Artikel setzen, die möglicherweise sehr kompliziert und komplex zu produzieren sind und auch sehr viel Kosten verursachen, aber nicht im Geringsten das abwerfen, was ich als Firma brauche. 

Also hätte man die Landliebe-Produktion einmal auf links drehen und eine völlig neue Strategie fahren müssen?
Das machen wir doch alle. Auch als Privatleute. Sie kaufen doch auch nicht blind irgendwo irgendwas ein, oder? Da erwarte ich doch von Unternehmen nichts anderes wie das, was wir als Ottonormalverbraucher auch machen würden.

Welche Rolle spielen die AfD-Kontakte von Firmengründer Theo Müller in der Schließungs-Debatte?
Da muss ich tatsächlich mal reinhören in die Belegschaft. Für mich ist das, was Herr Müller privat macht, erst mal sein Ding. Ich frage mich nur, warum er die Kontakte pflegt. Es sollte ja darum gehen, nachhaltige Arbeitsplätze und Innovationskraft zu schaffen. Wenn es also um eine Alternative geht, um mal das eine Wort dieser Partei zu nutzen, dann wäre eine Alternative zur Werksschließung die Investition in Innovation, Zukunftsfähigkeit und nachhaltige Beschäftigungssicherung.

Wie geht es mit dem Landliebe-Werk und den Beschäftigten jetzt weiter – Sie werden doch einen Sozialplan verhandeln wollen?
Ein Sozialplan wird aus dem Grund schwierig, weil wir Erfahrungen damit haben, was Müller in Köln gemacht hat bei der Schließung dieses Standorts. Da hat sich der Konzern darauf berufen, dass er Neugründer von Landliebe sei mit neuer Eintragung ins Handelsregister. Entsprechend beruft er sich hier auf die betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen, wonach neue Firmierungen oder neue Firmen die ersten vier Jahre keinen verpflichtenden Sozialplan machen müssen. Wir prüfen das gerade und werden natürlich schon schauen, wie wir dem entgegentreten. Wenn wir da sehen, dass wir juristisch etwas tun können, dann werden wir es machen.

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