21. Juli 2019   Themen

Berater: Von der Leyens Hypothek

 

Quelle: Lobbycontrol, Newsletter vom 20. Juli 2019

LobbyControl

Liebe FreundInnen,

Anfang der Woche machte im Internet ein Witz die Runde: Was ist Ursula von der Leyens größte Stärke? Sie ist nicht beratungsresistent. Und ihre größte Schwäche? Sie ist nicht beratungsresistent, leider.

 

Die "Berateraffäre" ist eine Hypothek, die von der Leyen auch in ihr neues Amt als EU-Kommissionschefin mitnimmt. Unter ihrer Führung vergab das Verteidigungsministerium binnen zwei Jahren Aufträge im Wert von 200 Millionen Euro an externe Beratungsfirmen – viele davon ohne Begründung, Ausschreibung und Prüfung. Teilweise sollen sogar Berater über die Vergabe von Beratungsaufträgen entschieden haben. Ein Bundestags-Untersuchungsausschuss soll die Vorwürfe aufklären. Ausschussvertreter machten bereits klar: Von der Leyen kann sich durch ihren Sprung nach Brüssel nicht der Ladung vor den Ausschuss entziehen. Gut so.

 

Über einen Mangel an Beratern wird von der Leyen auch in der EU-Hauptstadt nicht klagen können. Im Januar 2018 etwa erhielten die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften PwC, Deloitte und KPMG millionenschwere Aufträge von der EU-Kommission für Studien zum Thema Steuern und Zölle. Dies, obwohl es zum Geschäft dieser Beratungsfirmen gehört, Konzernen bei der Minimierung ihrer Steuernpflicht zu helfen. Die EU lässt sich also ausgerechnet von denen beraten, die Lücken in Steuergesetzen an Konzerne verkaufen. Ein ähnliches Missverhältnis gibt es in vielen wichtigen Expertengruppen der Kommission: Konzernvertreter dominieren, zivilgesellschaftliche Organisationen sind krass unterrepräsentiert. Deshalb forderten wir vor der EU-Wahl von den Spitzenkandidat*innen die klare Ansage, endlich für mehr Ausgewogenheit bei Lobbytreffen und beim Einholen von Expertise zu sorgen.

 

Und das fordern wir auch von Ursula von der Leyen - zumal angesichts der Vorbelastung, mit der sie in ihr neues Amt geht. Bitte helfen Sie uns, Druck zu machen: Unterzeichnen Sie unseren Appell!

 

Jetzt unterzeichnen: Europa nicht den Konzernen überlassen!

 

In den politischen Leitlinien, die von der Leyen am Dienstag vorstellte, findet sich zum Thema Ausgewogenheit leider kein Wort. Auf die Fragen in unserem offenen Brief, den wir ihr nach ihrer überraschenden Nominierung geschickt hatten, bekamen wir bisher auch keine Antwort. Doch davon lassen wir uns nicht entmutigen. Wir wollen ihr unseren Appell persönlich übergeben und zeigen: Sie muss das Thema Ausgewogenheit besonders ernst nehmen und auch denen Gehör verschaffen, die sich keine teure Lobbyvertretung leisten können. Die Kommission darf sich nicht länger einseitig von Expertise abhängig machen, die im handfesten Interesse bestimmter Unternehmen ist.

 

Zumindest spart von der Leyen das Thema Transparenz in ihren Leitlinien nicht aus: Sie verspricht, gemeinsam mit Rat und Parlament für mehr Transparenz "während des gesamten Rechtsetzungsverfahrens" zu arbeiten. Denn: "Die Bürgerinnen und Bürger sollten wissen, mit wem wir – als die Organe, die ihnen dienen – uns treffen, mit wem wir diskutieren und welche Positionen wir vertreten." Bei diesem Wort werden wir sie nehmen!

 

Konkrete Taten müssen folgen: Es braucht endlich ein gemeinsames verpflichtendes Lobbyregister für alle drei EU-Institutionen - und eine "legislative Fußspur", die Lobbyeinflüsse auf die Gesetzgebung sichtbar macht. Das Lobbyregister hatte schon Jean-Claude Juncker bei seinem Amtsantritt versprochen, doch das Projekt scheiterte - vorerst. Wir erwarten, dass von der Leyen liefert!

 

Jetzt Appell unterzeichnen

 

Auch die Besetzung der weiteren Kommissionsposten werden wir in den nächsten Wochen genau beobachten. In der Vergangenheit schlugen die Regierungen der Mitgliedstaaten bisweilen Personen vor, deren Eignung aufgrund von Interessenkonflikten zweifelhaft war. So leitete mit Miguel Arias Cañete ein ehemaliger Ölmanager das Klimaressort, dessen Verwandtschaft weiter in der Ölindustrie tätig war. Mit Jonathan Hill wurde ein Brite Finanzmarktkommissar, der vorher Jahre lang als Finanzlobbyist und Berater tätig war.

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