06. September 2021   Themen

Polen - kein Rechtsstaat - kein EUGeld

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Warschau kommt Aufforderungen aus Brüssel nicht nach, die Unabhängigkeit der Justiz wiederherzustellen. Deshalb bleiben nun die Milliarden aus dem Corona-Aufbaufonds aus.

Von Florian Hassel, Warschau

 

Mit Werbetafeln und Spots im ganzen Land drückt Polens Regierung Freude aus über Dutzende Milliarden Euro der Europäischen Union. Die Sache hat nur einen Haken: Warschau hat das Geld aus dem 750-Milliarden-Euro-Wiederaufbaubudget der EU noch gar nicht bekommen. Denn die EU-Kommission gibt wegen des Rechtsstaatsabbaus bisher das Geld nicht frei.

Polens Oppositionsführer Donald Tusk, der frühere EU-Ratspräsident, gibt die Schuld für die Verzögerung Polens faktischem Regierungschef und Vorsitzendem der Partei PiS, Jarosław Kaczyński. Dieser habe mit seiner "unverantwortlichen und unreifen Politik" des Rechtsstaatsabbaus und der Verletzung der europäischen Rechtsordnung den Auszahlungsstopp der EU-Milliarden zu verantworten. Tusk zog einen Vergleich zur Nachkriegszeit, als Polens kommunistische Regierung auf Befehl Moskaus US-amerikanische Wiederaufbaumittel aus dem Marshallplan ablehnte. Damals sei Polen ein "rechtloses Land mit einer autoritären Regierung" gewesen. "Heute beginnt es, ähnlich zu sein."

Coronavirus Wie Polen, Spanien und Italien auf die Pläne reagieren
Corona-Hilfsfonds der EU

Wie Polen, Spanien und Italien auf die Pläne reagieren

Alle drei Länder gehören mit zu den größten Empfängern der europäischen Corona-Hilfen. Dass an den Erhalt der Mittel Bedingungen geknüpft sind, sorgt vor allem in Warschau für Unmut.   Von Florian Hassel, Warschau, Karin Janker, Madrid, und Oliver Meiler, Rom

Eigentlich stehen Polen 58 Milliarden Euro zu: 23,9 Milliarden Euro Zuschüsse der EU, weitere 12,1 Milliarden Euro billige Kredite und noch einmal 22 Milliarden Euro Darlehen bis 2023. 18 andere EU-Länder bekamen von Brüssel schon die Zustimmung für ihre Ausgabenpläne, zehn auch bereits Geld. Doch im Falle Polens und Ungarns verlängerte die EU-Kommission die Bearbeitungsfrist. Eigentlich sollte bis zum 1. September entschieden sein, das wurde verschoben.

Dazu führten Polens Weigerung, trotz eines Grundsatzurteils des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 15. Juli unverzüglich eine rechtswidrige Disziplinarkammer aufzulösen, die jeden Richter und Staatsanwalt entlassen oder suspendieren kann - und dies bereits bei mehreren Richtern tat, die Rechtsbrüchen der Regierungspartei PiS nachgingen. Der EuGH sah auch andere Änderungen des polnischen Rechtssystems als einen Bruch von EU-Recht an.

Es gibt noch keinen Gesetzentwurf für die Neufassung der suspendierten Justizelemente

Justizminister Zbigniew Ziobro tat Urteile des EuGH als "hybride Kriegsführung der EU" gegen Polen ab. Das regierungskontrollierte Verfassungsgericht urteilte am 14. Juli, Polen sei nicht verpflichtet, einer EuGH-Anweisung zu folgen, die Polen schon Anfang April 2020 zur Suspendierung der Disziplinarkammer verpflichtet hatte. Zudem beantragte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki beim Verfassungsgericht ein Grundsatzurteil, das den Vorrang von polnischem vor EU-Recht festschreiben soll. Die Entscheidung wurde sechs Mal verschoben, nun auf den 22. September.

Suche

 
 
 

Rosa Luxemburg Stiftung

 

Besucherzähler

Heute0
Gestern5
Woche41
Monat136
Insgesamt88049
 

Anmeldung