06. August 2012   Themen

Wertanlage Ackerland - schmutzige Geschäfte

31.07.2012
BERLIN

Quelle: german-foreign-policy.com (Eigener Bericht)

Bundesdeutsche Unternehmen kaufen oder pachten rund um den Globus im großen Maßstab Farmland zum Schaden der örtlichen Bevölkerung. Allein die Deutsche Bank hat fast 400 Millionen Euro direkt oder indirekt in Ackerböden weltweit investiert.

Daneben beteiligen sich auch die Allianz, Agrarius, die DJE Kapital AG, der Kaffee-Konzern Neumann und andere Firmen am so genannten Landgrabbing. Finanzdienstleister werben mit Slogans wie "Megatrend Agrarwirtschaft" um Geld-Einlagen und versprechen Traum-Renditen. In den betroffenen Ländern führt die neue Kapitalanlageform hingegen zur Vertreibung von Kleinbauern, zur Gefährdung der Nahrungsmittelsicherheit und zu Wassermangel. Trotz solcher gravierenden sozialen und ökologischen Folgen hält die Bundesregierung freiwillige Selbstverpflichtungen zu fairen Deals für ausreichend.
Megatrend Agrarwirtschaft
Die Nahrungsmittel-Krise 2007/2008 mit ihren exorbitant gestiegenen Lebensmittelpreisen und der Verlust lukrativer Anlagemöglichkeiten seit dem Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers hat Ackerland verstärkt in das Zentrum des Interesses von Investoren gerückt. 100 bis 200 Millionen Hektar haben sie unterschiedlichen Schätzungen zufolge in den letzten zehn Jahren erworben, einen Großteil davon in Afrika. Die Deutsche Bank buhlt mit dem Werbe-Spruch "Megatrend Agrarwirtschaft" um Einlagen in ihre Fonds, die ihren Sitz zumeist in Steuer-Paradiesen wie Luxemburg oder den Cayman-Inseln haben.[1] Das Unternehmen Agrarius preist derweil die "Wertanlage Ackerland" an, konstatiert "Wachstum, soweit das Auge reicht" und lockt darüber hinaus mit Sonder-Profiten durch das Abgreifen von EU-Subventionen: "Dadurch ergeben sich zusätzliche interessante Rendite-Chancen für Investoren."[2]
Bis zu 18 Prozent Rendite
In Tansania avancierte die Deutsche Bank, die auch mit Nahrungsmitteln spekuliert [3], zum größten Großgrundbesitzer [4]. 5.000 Hektar umfasst ihr dortiges Anwesen mit dem Namen "Mountainside". Der Bank-Fonds "Global Agricultural Land and Opportunities" (GALOF), der seinen Zeichnern eine Rendite von bis zu 18 Prozent verspricht, kultiviert dort neben Weizen auch Gerste für die Brau-Industrie und hält über 1.000 Schafe. Insgesamt hat GALOF für 110 Millionen Euro Land mit einer Gesamtfläche von 104.000 Hektar in Argentinien, Australien, der Demokratischen Republik Kongo, in Sambia und Tansania erworben. 2009 hat das Geldhaus das Fonds-Management auf die Firma Duxton übertragen, an der es Anteile von 20 Prozent besitzt. Gegenüber der Presse hatte der Global Player deshalb behauptet, nichts mehr mit den betreffenden Geschäften zu tun zu haben, musste das jedoch wieder zurücknehmen.[5] Neben GALOF bietet das Institut noch neun zusätzliche Agro-Fonds an; "DWS Global Equity Agrobusiness" und andere Finanz-Produkte haben insgesamt 1,6 Milliarden Euro in die landwirtschaftliche Wertschöpfungskette investiert. 279 Millionen Euro davon flossen direkt in Unternehmen, die Flächen aufkaufen - und mittlerweile über ca. drei Millionen Hektar verfügen.
Allianz und Co.
Neben der Deutschen Bank engagieren sich noch zahlreiche andere bundesdeutsche Konzerne auf diesem Sektor. Der "Allianz RCM Global Agricultural Trends"-Fonds hat 184 Millionen Euro in Firmen angelegt, die von der "Bereitstellung landwirtschaftlicher Produktionsressourcen wie Land und Wasser" sowie von Bereichen wie dem Nahrungsmittel-Vertrieb "profitieren sollten".[6] Das "Private Equity"-Unternehmen Aquila hat fünf Fonds im Angebot und betreibt beispielsweise in Brasilien auf einer Fläche von über 3.000 Hektar mit einem Kapital-Einsatz von 18 Millionen Euro Nutzholz-Gewinnung. Der Hamburger Kaffee-Importeur Neumann pflanzt in Uganda auf 2.500 Hektar Kaffee an, Bionic Palm hat in Ghana riesige Flächen zum Anbau von Agrosprit-Pflanzen und Getreide gepachtet. Zudem sind die "Ärzte-Versorgung Westfalen-Lippe", die "DAH Beteiligungs GmbH" der Familie Hopp, die "Universal Investment Gesellschaft", Agriworld, die LIM AG, DJE Kapital AG, KTG Agrar und weitere Firmen direkt oder indirekt in Landgrabbing involviert.
Vertreibung von Kleinbauern
Die Land-Deals haben zahlreiche negative soziale und ökologische Folgen. So mussten der Kaweri-Plantage von Neumann in Uganda 400 Kleinbauern mit ihren Angehörigen weichen. Da der Grund und Boden dort wie in den meisten afrikanischen Ländern dem Staat gehört und die Landwirte ihre Äcker nur nach Gewohnheitsrecht bewirtschaften, konnten sie ihre Besitz-Rechte nicht offiziell geltend machen. Die Ansprüche Neumanns hingegen setzte das Militär durch. Es knüppelte Farmer nieder und zerstörte ihre Behausungen und Pflanzungen. Der Prozess um Entschädigungen, in deren Folge es schon zu Drohungen gegen die Kläger kam, zieht sich bereits seit 2002 in die Länge.[7] Konzerne, die Geld aus den Fonds der Deutschen Bank bezogen, haben ebenfalls Landwirte vertrieben.[8] Wilmar hat sich in West-Sumatra Land der Bevölkerungsgruppe der Minangkabau angeeignet, der Khon Kaen Sugar Industry fielen in Kambodscha 400 Farmer-Familien zum Opfer und Cosan hat in Brasilien Indigenen-Gebiet für seine Zuckerrohr-Kulturen in Beschlag genommen. Auch ansonsten gehen die Multis rücksichtslos vor. Cosan hält Beschäftigte in Schuldknechtschaft, weshalb der Zucker- und Biosprit-Produzent schon auf der Schwarzen Liste des brasilianischen Arbeitsministeriums landete. Wilmar führte illegale Brandrodungen durch, während Cresud in Argentinien zur Gewinnung von Ackerflächen 56.000 Hektar Wald umholzte und dafür von der Presse des Ökozids bezichtigt wurde. Nachdem FIAN und andere Organisationen diese Informationen in die Öffentlichkeit gebracht hatten, bekundete die Deutsche Bank, die meisten der inkriminierten Firmen nicht länger mitzufinanzieren. Sie blieb damit ihrer Angewohnheit treu, auf publik gewordenes Fehlverhalten umgehend zu reagieren, ohne ihr Geschäftsgebaren grundsätzlich in Frage zu stellen.
Watergrabbing und andere Kleinigkeiten
Schon das Business as usual mit den Feldern sorgt für Verwerfungen. So befördert der Rendite-Druck die industrielle Landwirtschaft. In Australien etwa hat der GALOF-Fonds 31 Betriebsareale zu einer einzigen Farm arrondiert. Mit ihrem hohen Pestizid- und Düngemittel-Einsatz gefährdet diese Produktionsart Mensch und Umwelt; ein zusätzliches Risikopotenzial birgt das weit verbreitete Setzen auf die Gentechnik. Der für das Agrarbusiness und darum auch für dessen Finanziers besonders lukrative Anbau von Agrosprit-Pflanzen schürt die Flächen-Konkurrenz und dezimiert das Angebot an Feldern zum Anpflanzen von Nahrungsmittel-Grundstoffen - mit entsprechenden Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise. Die Export-Orientierung der großen Einheiten und ihre Fokussierung auf "Cash Crops" wie Mais und Soja für die fleischproduzierende Industrie tut ein Übriges zur Gefährdung der Nahrungsmittelsicherheit. Zudem hat der hohe Wasserverbrauch der Agro-Fabriken in einigen Regionen schon zu Versorgungsengpässen geführt und den entsprechenden Unternehmen den Vorwurf des "Watergrabbings" eingetragen. Überdies haben sich die Konzerne zumeist die fruchtbarsten Böden gesichert, weshalb der einheimischen Bevölkerung allzu oft nur das minderwertige Restland bleibt.
Neokoloniales System
Bereits seit Jahren stehen die Landgrabbing-Praktiken deshalb in der Kritik. Der ehemalige Generaldirektor der Welternährungsorganisation FAO, der Senegalese Jacques Diouf, warnte bereits 2008: "Das Risiko besteht darin, ein neokoloniales System zu etablieren, das die Industrieländer mit Rohstoffen ohne Wertschöpfungsanteil versorgt und unakzeptable Arbeitsbedingungen für die in der Landwirtschaft Beschäftigten schafft."[9] Die Weltbank, die selbst Landgrabbing-Projekte finanzierte, beurteilt die Lage ähnlich skeptisch. "Viele Investitionen (...) haben die Erwartungen nicht erfüllt, zu Verlusten geführt, anstatt nachhaltigen Nutzen zu liefern, und die lokale Bevölkerung schlechter dastehen lassen, als es ohne die Investition der Fall gewesen wäre", heißt es in ihrem Bericht von 2010.[10] Darum hat die FAO unlängst Leitlinien für Land-Akquisitionen beschlossen. Sie umfassen die Respektierung gewohnheitsrechtlicher Besitztitel, die Einbindung der örtlichen Bevölkerung und Vorgaben zur Transparenz. In einem "Politik-Dialog mit Partner-Regierungen, Investoren-Ländern, Banken/Fonds sowie Firmen" will die Bundesregierung, die an der von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner als "Meilenstein" bezeichneten Vereinbarung mitwirkte, die nötigen Veränderungen in die Wege leiten.[11] Allerdings hat die Übereinkunft keinerlei verpflichtenden Charakter, ihre Erfüllung bleibt daher letztlich den mit Land spekulierenden Konzernen anheimgestellt.
[1] Megatrend Agrarwirtschaft; www.dws.de
[2] Wertanlage Ackerland; www.agrarius.de
[3] s. dazu Profithunger
[4] FIAN: German investment Funds involved in Land Grabbing; www.fian.de
[5] Verschärfte Hungerkrise; www.taz.de
[6] FIAN: German investment Funds involved in Land Grabbing; www.fian.de. Allianz Global Agricultural Trends - AT - EUR, www.allianzglobalinvestors.de
[7] Wie ein deutscher Kaffee-Konzern Landraub ignoriert; www.fr-online.de 02.04.2012
[8] Thomas Fritz: Das große Bauernlegen; www.fdcl-berlin.de
[9] UN warns of food "neo-colonialism"; financial times v. 18.8.08, www.ft.com
[10] Logan Cochrane: Food Security or Food Sovereignty: The Case of Land Grabs; The Journal of Humanitarian Assistance; www.sites.tufts.edu/jha/archives/1241
[11] Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Partei DIE LINKE; Deutscher Bundestag Drucksache 17/2779, 20.08.2010
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