16. Juni 2022   Themen

Direktor des Dritten Europäischen Departements des russischen Außenministeriums: Russland vertreibe deutsche Unternehmen nicht und habe nicht vor, ihnen die Tür ins Gesicht zu schlagen

Quelle: Russische Botschaft

Oleg Tjapkin, Direktor des Dritten Europäischen Departements des russischen Außenministeriums

In seinem Interview mit Interfax sprach Oleg Tjapkin, Direktor des Dritten Europäischen Departements des russischen Außenministeriums, darüber, wie Moskau die derzeitige Situation in den Beziehungen zwischen Russland und Berlin einschätzt, darunter auch die Absicht Deutschlands, auf Energieimporte aus Russland zu verzichten. Er äußerte sich auch zu den Aussichten für eine Rückkehr deutscher Unternehmen auf den russischen Markt.

 

 

Russland und Deutschland waren lange Zeit durch enge Beziehungen in unterschiedlichen Bereichen verbunden: Wirtschaft, Handel, humanitärer und kultureller Austausch. Nun wird aber in Moskau auf verschiedenen Ebenen davon gesprochen, die Beziehungen zum Westen de facto vollständig abzubauen und in allen Bereichen völlig unabhängig vom Westen zu werden. Bedeutet dies, dass wir bereit sind, auch mit Deutschland die Zusammenarbeit herunterzufahren?

 

Moskau hat immer betont, dass es an der Entwicklung der gutnachbarschaftlichen und vielseitigen Beziehungen zu Deutschland interessiert ist, die auf der Grundlage der Gleichberechtigung, des gegenseitigen Respekts und der Berücksichtigung der Interessen des jeweils anderen beruht. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass sie nur auf einem solchen Fundament aufgebaut werden können und sollten. Wir bedauern, dass die deutsche politische Elite heutzutage eine völlig entgegengesetzte Meinung vertritt. Derzeit zerstört Berlin zielgerichtet und konsequent die deutsch-russischen Kontakte in allen Bereichen des bilateralen Zusammenwirkens: in Handel, Wirtschaft, Forschung, Bildung und Kultur. Russland hat nicht vor, die Beziehungen zwischen unseren Staaten und Nationen von sich aus abzubauen und ist bereit, Kontakte mit allen deutschen Partnern zu pflegen, die uns wohlgesinnt sind.

 

Berlin will in naher Zukunft vollständig auf die Energie aus Russland verzichten. Wie schädlich wäre dies für die russische und deutsche Wirtschaft?

 

Schon seit Jahrzehnten bezieht Deutschland Kohle, Erdöl und Erdgas aus Russland zu günstigen Preisen und in den Mengen, die für die Entwicklung seiner Volkswirtschaft erforderlich sind. Das deutsche Wirtschaftswachstum wird seit langem auch durch die Wettbewerbsfähigkeit der russischen Brennstoffe begünstigt. Falls die Bundesregierung ihre Pläne umsetzen würde, auf unsere Energieimporte möglichst schnell zu verzichten, würde die energieintensive und exportorientierte deutsche Industrie wichtige Ressourcen verlieren, deren Verfügbarkeit die Selbstkosten ihrer Produkte und damit ihre Position auf den internationalen Märkten unmittelbar bestimmt.

 

Darüber hinaus riskiert Berlin nach Ansicht deutscher Experten mit dem Abbruch der deutsch-russischen Energiebeziehungen schlicht und ergreifend, dass viele deutsche Unternehmen unprofitabel, d.h. bankrott werden. Damit können Zehntausende von Arbeitsplätzen in Gefahr geraten. Es ist einfach nicht möglich, russisches Gas auf demselben oder einem vergleichbaren Preisniveau vollständig zu ersetzen. Wir sehen nicht ein, wie Deutschland von all dem jetzt wirklich profitieren kann, schon gar nicht in der Zukunft.

 

Welchen Einfluss hatte die Ukraine-Krise auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland in den letzten Monaten? Gibt es Angaben dazu, wie viele deutsche Unternehmen den russischen Markt verlassen haben? Und bekommen wir von unseren Partnern irgendwelche Signale über ihren Wunsch zurückzukehren sowie ihren Einschätzungen der aktuellen Lage?

 

Die deutsche Unternehmerschaft, die seit Jahrzehnten erhebliche Gewinne aus der Arbeit in Russland und Kooperation mit Partnern aus unserem Land erwirtschaftet hat, muss hohe Verluste infolge der Entscheidungen einstecken, die in den letzten Monaten vom offiziellen Berlin und den westlichen Staaten im Allgemeinen getroffen werden. Die Rede ist von Dutzenden Millionen Euro. Europäische und deutsche Sanktionen zwingen deutsche Firmen vor allem aus politischen Gründen faktisch dazu, sich vom russischen Markt zurückzuziehen sowie ihre Geschäftspläne und Ressourcen, die in diese Pläne investiert wurden, aufzugeben. Aus rein vorgeschützten und nicht wirtschaftlichen Gründen werden beidseitig vorteilhafte Beziehungen und Partnerschaften abgebrochen. Eine genaue Zahl der Firmen, die weggegangen sind, und wir reden mindestens von zweistelligen Zahlen, wird in den kommenden Monaten bekannt werden.

 

Viele Firmen, die ihren Rückzug aus unserem Land unter dem Druck der gegen uns eingeführten EU-Sanktionen ankündigen mussten, signalisieren uns ihre Absicht, unverzüglich auf den russischen Markt zurückzukehren, sobald sich die Lage stabilisiert und die politische Druckwelle nachlässt. Unsererseits signalisieren wir, dass Russland deutsche Unternehmen nicht vertreibt und nicht vorhat, ihnen die Tür ins Gesicht zu schlagen.

 

 

 

 

 

 

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