Bauern-Proteste in den Niederlanden - deutsche Bauern sind solidarisch
In den Niederlanden protestieren Bauern seit Wochen gegen strengere Umweltauflagen, die Polizei schoss aufTeilnehmer. Nun solidarisieren sich auch deutsche Landwirte. Worum es bei den „Boerenprotesten“ geht.
Seit Tagen blockieren niederländische Landwirte die Großlager von Supermärkten, Trecker bilden Straßenbarrikaden. Sie zünden auch Heuballen an. Bei diesen Protesten hat die Polizei sogar gezielt geschossen. Warum sich deutsche Landwirte solidarisieren und worum es bei den Bauernprotesten geht: Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum protestieren die Bauern in den Niederlanden?
Seit mehr als zwei Wochen protestieren Bauern in den Niederlanden. Der Grund: Auflagen der Regierung, um den Schadstoff-Ausstoß drastisch zu reduzieren. Konkret ist das Ziel, die Emissionen von Stickoxiden und Ammoniak bis 2030 um 50 Prozent zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, soll die Viehzucht weniger werden – durch Dünger gelangt Stickstoff in Form von Nitrat beispielsweise ins Grundwasser. Nach Einschätzung der Regierung müssen etwa 30 Prozent der Viehbauern ihren Betrieb aufgeben.
Wie protestieren die niederländischen Bauern?
Landwirte blockieren deshalb bereits seit Tagen Großlager von Supermärkten und Straßen mit Treckern und Heuballen. Auch am Mittwoch wurden die Proteste fortgesetzt, unter anderem bei einem Großlager und beim regionalen Flughafen von Groningen. Die Regierung hatte am Wochenende einen Vermittler in dem Konflikt bestimmt. Doch bisher gibt es keine Aussicht, dass die Aktionen ausgesetzt werden. Die Bauern hatten aufgerufen, „das gesamte Land lahm zu legen“. Zumindest die angekündigten Blockaden der Flughäfen blieben vorerst aus. Bei den Protesten wurden Ende Juni auch Häuser von Politikern angegriffen, unter anderem das von Umweltministerin Christianne van der Wal.
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Warum sind die Bauern in Holland so wütend?
Die Bauern fühlen sich verraten. Sie argumentieren, dass sie sich immer an alle Regeln gehalten und nachhaltige Investitionen getätigt hätten. Sie bezweifeln auch die Schadstoff-Messungen und vermissen eine Perspektive für die Landwirtschaft. Konkret fordern sie mehr Zeit für die Umstellung der Betriebe. Und sie setzen vor allem auf technische Innovationen.
Was ist Dienstag- und Donnerstagnacht in den Niederlanden passiert?
Die niederländische Polizei hat bei Protesten von Bauern nach eigenen Angaben Warnschüsse abgegeben und auch gezielt geschossen. Die Polizei sprach am Mittwoch im Radio von einer äußerst bedrohlichen Situation für die Beamten. In der Provinz Friesland habe sich in der Nacht ein Traktor aus einer Kolonne gelöst und versucht, auf Polizeifahrzeuge und Beamte zuzusteuern. Polizisten hätten deshalb mit Warnschüssen regiert und schließlich direkt auf den Traktor gezielt, der laut niederländischen Medien von einem 16-Jährigen gelenkt wurde. Auf Twitter kursieren Aufnahmen, die den Vorfall in der Nacht zeigen sollen.
Bij boeren demonstratie Heerenveen zijn door de politie 2 schoten gelost op een trekker terwijl deze stilstond en de boer uit zijn trekker stapte. Het is onbekend of het hier gaat om gericht schieten of dat de agent per ongeluk schoot terwijl die zijn wapen gericht had pic.twitter.com/e7GL49LhFQ
— Ramon vegelien (@ramonvegelien) July 5, 2022
Verletzt worden sei niemand. Der Vorfall werde offiziell untersucht. Drei Personen seien festgenommen worden. Der Vorfall ereignete sich am späten Dienstagabend auf einer Autobahnauffahrt bei Heerenveen im Norden des Landes. Bauern hatten die Straße mit Treckern blockiert. Die Landwirte bestritten die Darstellung der Polizei. Die Polizei sei nicht bedroht worden.
n der Nacht zum Donnerstag hatte es erneut Zusammenstöße mit Bauern gegeben. In Blijswijk bei Den Haag haben mobile Einsatzkräfte der Polizei eingegriffen und eine Blockade mehrerer Großlager von Supermärkten aufgelöst. 19 Demonstranten sind vorläufig festgenommen worden. Proteste gab es auch an anderen Orten im Land. So demonstrierten rund 200 Bauern mit Treckern vor der Provinzverwaltung in Arnheim. An anderen Orten steckten Landwirte auch Heuballen entlang von Autobahnen in Brand.
Was fordert die niederländische Regierung in Sachen Umweltschutz?
Die Emissionen von schädlichen Stickstoff-Verbindungen sind in dem Land seit Jahrzehnten zu hoch. Nun bestimmte die Regierung, dass sie national bis 2030 um rund 50 Prozent reduziert werden müssen, bei Naturgebieten sind es sogar mehr als 70 Prozent. Vor allem die Viehzucht ist nach der Berechnung der Behörden Die niederländischen Bauern haben ihre Protestaktionen gegen geplante Umweltauflagen bereits am Montag auch auf Supermärkte und Häfen ausgedehnt. Mit Treckern und Heuballen blockierten hunderte Landwirte die Zufahrten zu Großlagern der Supermärkte. Mehr als 20 Distributionszentren der großen Supermarktketten waren betroffen. Der Zentrale Verband des Lebensmittelhandels nannte die Blockaden „total unakzeptabel“ und sprach bereits von ersten Versorgungsengpässen. Der Direktor des Verbands, Marc Jansen, rief deshalb die Behörden zum Eingreifen auf. „Das kann nicht länger so weiter gehen“, sagte er im Radio. „Wir haben nichts mit dem Konflikt von Staat und Bauern zu tun.“ Regionale Medien berichteten bereits von leeren Regalen in einigen Supermärkten. Von den jüngsten Blockaden waren vor allem Marktführer Albert Heijn und Jumbo betroffen. Aber auch Coop, Plus, Aldi und Lidl spürten die Wut der Bauern.für das Stickstoffproblem verantwortlich, genauer gesagt für 40 Prozent der Schadstoffe. Das höchste Gericht des Landes hatte 2019 bestimmt, dass die Stickstoff-Normen nicht länger überschritten werden dürfen.
Eine Gruppe von 2500 Landwirten hat derweil laut der niederländischen Zeitung „de Volkskrant“ einen Zehn-Punkte-Plan Plan für ökologischere Landwirtschaft vorgelegt, den sogenannten Green Farmers Plan. Sie fordern dabei, dass Bio-Bauern belohnt werden. Das Papier wird am Mittwoch Politikern vorgestellt.
Warum sind Stickstoff und Ammoniak so schädlich?
Stickstoff ist nur in einer chemischen Verbindung schädlich für die Umwelt. Stickstoffoxide werden durch Industrie und Verkehr freigesetzt. Vor allem Menschen mit Lungenbeschwerden und Asthma leiden darunter. Eine andere schädliche Verbindung ist Ammoniak – das entsteht durch Mist und kommt etwa als Dünger auf die Felder. Aus der Gülle verdunstet Ammoniak und gelangt so in die Luft.
Welche Folgen haben die strengeren Umweltauflagen für die Viehbetriebe in den Niederlanden?
Es wird erwartet, dass dies zu einer Verringerung des Viehbestandes führt und dass einige Bauernhöfe aufgekauft werden müssen. Die Bauern fühlen sich unfair behandelt und kritisieren, ihnen werde keine Zukunftsperspektive geboten. In manchen besonders geschützten Naturgebieten soll der Stickstoff-Ausstoß um bis zu 70 Prozent reduziert werden. Gerade Bauern in diesen Regionen sehen ihre Existenz bedroht.
Die Niederlande haben etwa 53.000 landwirtschaftliche Betriebe und sind weltweit einer der größten Exporteure von Agrar-Produkten. Im vergangenen Jahr betrug das Ausfuhrvolumen rund 105 Milliarden Euro. Fleisch ist eine Säule der niederländischen Wirtschaft; die Holländer halten vor allem Rinder, Schweine und Hühner.
Droht den deutschen Bauern ein ähnliches Problem und wie stehen sie zu den Protesten?
Das Problem ist in den Niederlanden deutlich größer. Das liegt an der intensiven Landwirtschaft. In den Niederlanden gibt es auf den Quadratkilometer deutlich mehr Vieh – und besonders in Nähe von Naturschutzgebieten. Das Land ist einer der weltweit größten Exporteure von Agrarprodukten. Es gibt rund 53.000 landwirtschaftliche Betriebe. 2021 sind für rund 105 Milliarden Euro landwirtschaftliche Güter exportiert worden.
Man nehme unter den deutschen Bauern eine sehr große Solidarität mit den niederländischen Berufskollegen wahr, heißt es vom Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, auf Anfrage. Die Bauernlobby stehe in Kontakt mit den Protestierenden, lehne gewalttätige Aktionen jedoch ab. „Die niederländische Regierung will große Teile der Landwirtschaft und der Tierhaltung zwangsweise stilllegen und bietet den Landwirten keinerlei Perspektive. Deshalb waren diese Proteste keine Überraschung und sogar zu erwarten“, sagt Krüsken. Deutsche Landwirte haben sich am Donnerstag mit den Niederländern solidarisiert, beispielsweise in Niedersachen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.