11. Mai 2023   Themen

Das CDU-Schiedsgericht hatte es in der Hand, den Ruf der Partei zu retten – und hat die Chance vertan.

Quelle: LobbyControl (LobbyControl ist ein gemeinnütziger Verein, der über Machtstrukturen und Einflussstrategien in Deutschland und der EU aufklärt.)

Das Parteigericht entschied nun über die Frage, ob dem Lobbyverband „Wirtschaftsrat der CDU“ sein Dauerticket in den Parteivorstand entzogen werden soll. Aus unserer Sicht und der Sicht renommierter Fachjurist:innen ist dieses Dauerticket rechtswidrig und undemokratisch. Auch das Parteigericht hält diese Sicht für eine „vertretbare Rechtsauffassung“. Doch was für eine Enttäuschung: Das CDU-Parteigericht wehrte die Beschwerde eines lobbykritischen Mitglieds ab – aus formalen Gründen.

Wir sind gewohnt, dass es manchmal einen langen Atem braucht, doch das schreckt uns nicht ab. Wir gehen nun den nächsten Schritt und wollen jetzt prüfen lassen, welche weiteren rechtlichen Schritte nun am erfolgsversprechendsten sind. Eine Option ist es, vor ein Zivilgericht zu ziehen. Außerdem wollen wir durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit das Thema in den Medien am Brodeln halten, bis wir weitere Schritte gehen können. Das Thema darf nicht in der Versenkung verschwinden. Denn wir sind weiterhin überzeugt: Eine Partei muss nach demokratischen Prinzipien organisiert sein. Privilegierte Zugänge für Lobbyverbände zählen nicht dazu!

Die CDU hat damit nun schon mehrere Chancen verpasst, ihr Verhältnis zur Wirtschaftslobby in rechtskonforme Bahnen zu bringen. Parteichef Friedrich Merz blieb untätig, als wir ihn mit einem öffentlichen Online-Appell aufforderten, dem Wirtschaftsrat sein Vorstands-Ticket zu entziehen. Das jetzige Urteil stärkt Merz dabei nun keineswegs den Rücken. Denn die Kritik an der derzeitigen Konstruktion war in der Urteilsbegründung nicht zu überlesen. Das sollte Merz und seinen Parteivorstand trotz formal abgewiesener Klage aufhorchen lassen.



Schon seit Jahren hat der Lobbyverband „Wirtschaftsrat der CDU“ einen festen Platz im CDU-Parteivorstand. Dabei ist der Wirtschaftsrat – anders als sein Namen vermuten lässt – kein Parteigremium, sondern ein Wirtschafts-Lobbyverband. Sein Platz im Vorstand ist durch keine Wahl legitimiert – das widerspricht dem Parteiengesetz. Dennoch konnte der Lobbyverband dank seines Privilegs immer wieder Entscheidungen zugunsten von Konzernen beeinflussen – zum Beispiel zulasten des Klimas oder von Menschenrechten in internationalen Lieferketten.

Ein von uns beauftragtes Rechtsgutachten hatte Anfang des letzten Jahres festgestellt, dass der Dauergast-Status des Wirtschaftsrats undemokratisch und rechtswidrig ist. Mehrere renommierte Parteirechtler:innen bestätigten öffentlich diese Auffassung. Auch die FDP hatte ein Einsehen, als wir sie im vergangenen Jahr damit konfrontierten. Sie entzog ihrerseits dem Lobbyverband „Liberaler Mittelstand“ den bis dahin gewährten Sitz im FDP-Parteivorstand.

Wir haben die Ausdauer und die Motivation, die es braucht, um uns der CDU entgegenzustellen, bis auch ihr Parteivorstand lobbyfrei ist. Sorgen Sie jetzt mit Ihrer Spende dafür, dass uns die Puste nicht ausgeht: Damit sich alle an demokratische Gesetze halten müssen, auch die CDU!

Der Spruch des Schiedsgerichts ist eine Enttäuschung, doch aufgeben werden wir nicht. Uns war klar, dass wir bei einem Parteigericht nicht auf Wohlwollen hoffen konnten. Denn das CDU-Parteigericht ist nun einmal ausschließlich mit Mitgliedern der CDU besetzt, und es tagt im Konrad-Adenauer-Haus. In einem solchen Umfeld mag es schwerfallen, gegen den eigenen Parteivorstand zu entscheiden – und obendrein gegen einen Parteichef, der selbst jahrelang Spitzenfunktionen in dem Wirtschaftslobby-Verband innehatte.

Der Gang vor das Parteigericht durch ein CDU-Mitglied war die Voraussetzung dafür, dass wir nun vor ein öffentliches Gericht ziehen können. Hier müssen wir nun genau prüfen lassen und abwägen, ob diese Option sinnvoll und erfolgversprechend ist und ob uns noch andere Optionen offen stehen. CDU-Mitglied Luke Neite steht auf jeden Fall bereit für diesen Weg. In jedem Fall aber werden wir die CDU auch über öffentlichen Druck weiter dazu bewegen, endlich die Lobbyverflechtungen in ihren eigenen Reihen zu beheben.

Lobbykritische Grüße aus Berlin!
Christina Deckwirth, LobbyControl

 

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