16. März 2015   Aktuell

Deutscher Bundestag: Freihandelsabkommen der EU mit den USA im Fokus

Anträge der Linken und der Grünen

Die Linke fordert in ihrem Antrag, die Verhandlungen der EU mit den USA über TTIP zu stoppen, weil zahlreiche offizielle Positionen von Bundesregierung und EU-Kommission erhebliche Zweifel aufwerfen würden. Das für den europäischen Verbraucher- und Umweltschutz essenzielle Vorsorgeprinzip werde nur sehr halbherzig verteidigt, so die Fraktion. Bei der öffentlichen Beschaffung etwa wolle die EU eine weitgehende Liberalisierung, während die USA dies für die Bundesstaaten schon aus Verfassungsgründen nicht anbieten könnten.

Die Grünen treten dafür ein, dass weder TTIP noch das geplante Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) Regelungen beinhalten dürften, die die Handlungs- und Gestaltungsspielräume der demokratisch legitimierten Gesetzgeber einschränken

. Gemeinwohlinteressen dürften nicht hinter den Partikularinteressen großer Konzerne zurücktreten oder nationale Rechtssysteme unterlaufen. Ein Mechanismus zu außergerichtlichen Schiedsverfahren zwischen Investoren und Staaten dürfe nicht aufgenommen werden.

Diese Forderung wird auch im zweiten Antrag der Grünen erhoben. Grundidee der Schiedsverfahren sei die Entwicklung eines Schutzmechanismus für Investoren, um zum Beispiel Schutz vor Enteignungen in einem Land ohne ausreichend entwickeltes Rechtssystem zu gewährleisten. Doch sowohl die EU-Staaten als auch die USA und Kanada verfügten über hochentwickelte, stabile Rechtssysteme, so die Fraktion. Damit würde nicht nur der Eindruck einer Schattenjustiz erweckt, sondern es würde auch die kritische Begleitung und Bewertung derartiger Verfahren erschwert. (vom/05.03.2015

Dazu die Pressemeldung des Deutschen Bundestages: TTIP entzweit die Experten
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (Anhörung) - 16.03.2015

Berlin: (hib/FLA) Positive Erwartungen, beträchtliche Sorgen, komplette Ablehnung: Das geplante europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP („Transatlantic Trade and Investment Partnership“) stieß am Montag unter Experten bei einer Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie auf ein geteiltes Echo. Der stellvertretende Ausschussvorsitzende Klaus Barthel (SPD), der die öffentliche Anhörung leitete, sah den Bundestag vor noch vielen Beratungsstunden, da „bis jetzt nur Grundzüge“ zu erkennen seien. Die EU-Kommission strebe an, dass es bis Ende dieses Jahres ein „Grundgerüst“ für TTIP gebe, sagte ihr Vertreter Lutz Güllner.

Viele Fragen kreisten um die rechtlichen Auswirkungen. Jedes solcher Abkommen begrenze staatliches Handeln, machte Professor Markus Krajewski (Universität Erlangen-Nürnberg) klar. Freilich halte er den Bundestag für „hinreichend selbstbewusst“, Beschlüsse zu fassen und es notfalls auf eine Klage ankommen zu lassen. Der Sachverständige Jürgen Maier (Forum Umwelt und Entwicklung) führte aus, dass es nicht insgesamt zu höheren Standards kommen werde. Beim Geben und Nehmen der Verhandlungen werde es um die vorhandenen unterschiedlichen Standards gehen.

Der Unternehmer Bertram Kawlath hob die „Chance“ hervor, „besonders den kleinen Unternehmen große Markteintrittsbarrieren zu nehmen“. Stefan Körzell vom Deutschen Gewerkschaftsbund befürchtete hingegen einen „Wettlauf, um Arbeitnehmerstandards zu senken“. Professor Gabriel Felbermayr (ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.) sprach von „Vorteilen in der langen Frist“ mit einem Wirtschaftswachstum von ein bis drei Prozent.

Professor Sebastian Dullien (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin) machte „leichte wirtschaftliche Vorteile“ für die EU und „etwas stärkere, aber immer noch recht geringe“ für Deutschland aus. Allerdings würden derzeit „Bereiche mit verhandelt, die keinerlei gesamtwirtschaftliche Vorteile erkennen lassen, aber große Risiken für die Handlungsfähigkeit der Politik mit sich bringen“ - etwa Investitionsschutz oder Schlichtungsmechanismus.

Jürgen Maier wartete mit einem Generalverriss auf: Aus wirtschaftlichen Gründen sei TTIP nicht nötig. Man brauche das Abkommen „nur, wenn man eine neue Welle von Deregulierung einleiten“ wolle, wenn man „der Wirtschaft mehr Macht geben will, unerwünschte Regulierungen abzuwehren“. Thomas Fritz (PowerShift e.V.) befand, die Investitionsschutzregeln seien „nicht nur vor dem Hintergrund überflüssig, dass beide Partner entwickelte Rechtsschutzsysteme aufweisen“. Sie seien auch „ökonomisch widersinnig“.

Die kommunalen Spitzenverbände unterstützen das Ziel des Abkommens, machen aber auch „erhebliche Risiken“ geltend: „Sollten typische kommunale Dienstleistungen wie die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, der Öffentliche Personennahverkehr, Sozialdienstleistungen, Krankenhäuser oder die Kultur Regeln zur Liberalisierung unterworfen werden, würde die derzeit garantierte umfassende Organisationsentscheidung von Kommunalvertretern durch rein am Wettbewerb ausgerichtete einheitliche Verfahren ersetzt“, heißt es in ihrer Stellungnahme.

Ausgangspunkte für die Anhörung waren drei Anträge der Opposition. Die Fraktion Die Linke verlangt, die laufenden Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den USA über das TTIP-Abkommen „unverzüglich zu stoppen“(18/1093). Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/1457; 18/1964) fordert „fairen Handel ohne Demokratie-Outsourcing“ und dringt darauf, keine Regelungen zu schaffen, die „die Handlungs- und Gestaltungsspielräume der demokratisch legitimierten Gesetzgeber zukünftig einschränken“. Die Bundesregierung solle sich außerdem dafür einsetzen, dass weder in das mit den USA geplante TTIP noch in das mit Kanada geplante „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (CETA) ein Mechanismus zu außergerichtlichen Schiedsverfahren zwischen Investoren und Staaten aufgenommen wird.

 

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