20. Mai 2016   Aktuell

Schweigen gegenüber Massakern an Kurden beenden

12.05.2016 Sevim Dagdelen>

Rede anlässlich der Aktuellen Stunde zum EU-Türkei-Abkommen am 12. Mai 2016.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer es heute in Deutschland wagt, den türkischen Staatspräsidenten zu kritisieren, wird von seinen Fans auch hierzulande bedroht, mit antisemitischen Beschimpfungen eingedeckt, als alevitischer Ungläubiger verunglimpft oder auch im Jargon der Völkermörder von 1915 als Freund armenischer oder kurdischer Terroristen beschimpft.

Ich finde diese Welle des Hasses durch türkische Faschisten und Islamisten in Deutschland, die den Despoten Erdogan unterstützen, unerträglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist beschämend, dass die Bundesregierung hierzu schweigt und nicht Tacheles redet. Wer wissen möchte, wie sehr sich die Bundesregierung durch den schäbigen EU-Türkei-Deal erpressbar gemacht hat, der muss nicht nur an Herrn Jan Böhmermann denken, wo die Bundeskanzlerin das sehr deutlich veranschaulicht hat, der kann auch dem engen Erdogan-Vertrauten Burhan Kuzu zuhören, der via Twitter in der Frage der Visaliberalisierung der EU wie folgt drohte:

Sollten sie eine falsche Entscheidung treffen, schicken wir die Flüchtlinge los.

 

Ich sage Ihnen: Als Demokrat verhandelt man nicht mit solchen Leuten, sondern man kämpft gegen solche Leute an,

(Beifall bei der LINKEN)

und man schweigt schon gar nicht zu deren Verbrechen.

Die Visafrage und auch die Flüchtlingsfrage dürfen schon gar keine Angelegenheiten sein, für die im Gegenzug ein Schweigen gegenüber den massiven Verletzungen der Pressefreiheit und den Massakern an Kurden in der Türkei ausgehandelt wird. Das wäre äußerst prinzipienlos und auch unmoralisch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Genau das passiert aber durch die deutsche Bundesregierung. Die Visafrage ist Teil dieses schmutzigen EU-Türkei-Deals, den wir zutiefst ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen keine Visaliberalisierung, für die der Preis das Schweigen zu den Verbrechen Erdogans an der Zivilbevölkerung in der Türkei ist.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Sagen Sie doch einmal etwas zu Putin!)

Ich sage das gerade im Hinblick auf die Massaker Erdogans an der Zivilbevölkerung. Wir müssen hier im Bundestag das Schweigen über die Verbrechen an den Kurden brechen. Infolge des Kriegs von Erdogan gegen die Kurden sind bereits Hunderte Zivilisten von türkischen Sicherheitskräften ermordet worden. Ganze Stadtteile liegen in Schutt und Asche. Berichten von Hilfsorganisationen zufolge gibt es mittlerweile über 500 000 Binnenvertriebene in der Türkei. Die Vereinten Nationen wollen jetzt den Fall von über 100 bei lebendigem Leib verbrannten Kurden in Cizre untersuchen. Türkische Soldaten schießen an der syrischen Grenze auf Frauen und Kinder, die Flüchtlinge und auf der Suche nach Schutz sind. Was macht die Bundesregierung? Ich frage Sie: Warum schweigt die Bundesregierung hier dazu? Ist dies Teil Ihrer Abmachung, Frau Bundeskanzlerin Merkel? Das frage ich diese Bundesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe es gestern mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Innenausschuss selbst erfahren - der Parlamentarische Staatssekretär Schröder beim Bundesinnenministerium hat es gesagt -: Wir haben bis April dieses Jahres exorbitant gestiegene Zahlen von Asylantragstellerinnen und Asylantragstellern aus der Türkei. 90 Prozent davon sind Kurdinnen und Kurden.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Wenn die Bundesregierung ihre perfide Politik der Unterstützung der AKP-Regierung nicht ändert, werden Hunderttausende Kurden gezwungen sein, hier in Deutschland Schutz zu suchen.

Was macht die Bundesregierung? Sie schicken Erdogan weiter Waffen. Den Sicherheitskräften werden zum Beispiel Scharfschützengewehre zur Verfügung gestellt, die Sie sozusagen mitliefern. Die Kurden in der Türkei werden von den türkischen Sicherheitskräften mit diesen deutschen Scharfschützengewehren ermordet.

(Zuruf von der LINKEN: Sauerei!)

Das, was Sie mit Ihren Waffenlieferungen machen, meine Damen und Herren, ist Beihilfe zum Mord an den Kurden.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Andreas Nick (CDU/CSU): Hoi!)

- Ja, Sie hören richtig, und da müssen Sie hier auch gar nicht so verzweifelt dazwischenrufen. Sie müssen endlich aufhören mit Ihrer Politik des Exports von Waffen an eine Regierung, die Krieg gegen einen Teil der eigenen Bevölkerung im Südosten des Landes führt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihr Partner steuert auf ein Präsidialsystem in der Türkei zu. Dazu wird jetzt in faschistischer Manier die Oppositionspartei HDP durch die Gefolgsleute Erdogans zerstört. Abgeordnete werden verhaftet. Die gesamte Fraktion wird kriminalisiert und soll ihrer Mandate beraubt werden.

Ein letzter Satz.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Aber wirklich der letzte.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind hier im Reichstag. Wer möchte, kann sich das Gedenkbuch der vom NS-Regime verfolgten kommunistischen, sozialdemokratischen und auch konservativen Abgeordneten anschauen. Ich finde, in diesem Reichstag mit dieser Tradition wäre es mehr als geboten, sich an die Seite der verfolgten HDP-Abgeordneten in der Türkei zu stellen und sich mit ihnen zu solidarisieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Gunther Krichbaum (CDU/CSU): Das mit NS in Verbindung zu bringen, ist schon - -! - Bernhard Kaster (CDU/CSU): Es wird immer schlimmer!)

 

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