20. Mai 2016   Aktuell

Stromnetze an die Kommunen – Öko-Stadtwerke unterstützen

Kommunen, die ihre Stromnetze selbst betreiben wollen, sollte dies vereinfacht werden – dafür setzt sich DIE LINKE ein, weil dies die dezentrale Energiewende unterstützt. Die CDU will das nicht. 

Rede am 29.04.2016  zum TOP 27 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung

Drs. 18/8184

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, lange hat es gedauert. Es gab ja, wie ich denke, eine Verschleppung dieses wichtigen Themas der Vergabe der Verteilnetze bei Strom und Gas. Wir als Linke haben dazu schon vor langer Zeit einen Antrag eingebracht.

 

Bereits der Koalitionsvertrag enthält das Versprechen, bei Neuvergabe der Verteilnetze die Rechtssicherheit zu verbessern; denn die Regelung im Energiewirtschaftsgesetz hierzu ist mehrdeutig und liefert die Kommunen einem großen Prozessrisiko aus; Sie haben es kurz angesprochen, Kollege Saathoff.

Viele Vergaben sind jetzt leider schon gelaufen - auch so kann man Probleme lösen - und oft zuungunsten der Kommunen entschieden worden. Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass bei diesem Thema die CDU ein Problem mit ihren eigenen Bürgermeistern hat, allen voran dem CDU-Bürgermeister von Titisee-Neustadt, Armin Hinterseh,* der derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht klagt. Ich wünsche ihm alles Gute und viel Erfolg.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Er will es sich einfach nicht gefallen lassen, dass seine Kommune das Verteilnetz nicht an sich selbst vergeben darf. CDU-Kollege Bareiß aus dem benachbarten Wahlkreis - er wohnt nämlich sozusagen direkt nebenan - hat ganz deutlich gesagt, dass für ihn nicht die kommunalen Interessen im Mittelpunkt stehen, sondern angeblich die Kunden. Hört! Hört! Ich sehe da aber keinen Widerspruch,

(Johann Saathoff (SPD): Ich auch nicht!)

sondern eher besondere Interessen gewisser Herren und ein Misstrauen gegenüber den Kommunen. Das finde ich schade, denn - das kann ich nur noch einmal sagen - hier werden die Interessen der Kommunen ignoriert. Wir halten das für falsch und für ignorant.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch die Chefin des baden-württembergischen Städtetags und Mitglied des Bundesvorstands der CDU - sie ist also nicht irgendjemand - kritisiert ganz massiv Ihr Vorgehen. Wir kritisieren das auch. Deswegen haben wir im Bundestag Anträge dazu eingebracht und das Thema immer wieder angesprochen. Wir lehnen es ab, dass Kommunen heute gezwungen sind, die Konzession ihres Verteilnetzes ohne Berücksichtigung kommunaler Belange auszuschreiben und zu vergeben.

(Beifall bei der LINKEN)

Seitdem sind ja bereits etliche Konzessionen neu vergeben worden - auf einer gesetzlichen Grundlage, die überaus unklar und schwierig ist. Der Regelungsbedarf an dieser Stelle ist himmelschreiend. Aber Sie sitzen das Thema aus. Ich halte das für peinlich und schlimm; das zeigt nur, dass Sie von der CDU/CSU gerade nicht an der Seite der Kommunen stehen.

(Beifall bei der LINKEN - Ingbert Liebing (CDU/CSU): So ein Blödsinn!)

Bürgerenergie, regionale Wertschöpfung, Ökostadtwerke, Stärkung der Kommunen, Regionalisierung der Energieversorgung - all das ist für Sie von der Union anscheinend kein Thema. Denn der Besitz des Verteilnetzes ist eine wichtige Voraussetzung für Kommunen, die eine eigenständige Energieversorgung, zum Beispiel ein Ökostadtwerk, entwickeln wollen. Aber diese Entwicklung wollen Sie offensichtlich nicht. Das sehen wir auch am EEG-Entwurf, mit dem Sie die dezentrale Energiewende torpedieren und durch Ausschreibungspflicht zentralistische Tendenzen unterstützen. Zwischen 2007 und 2014 sind 85 Prozent der rund 1 400 Verteilnetze an den alten Konzessionär vergeben worden. Hier sind Chancen für eine dezentrale Energiewende vertan worden, weil in Berlin nicht gehandelt wurde - vertan für weitere 20 Jahre! Man muss wissen: Die Konzessionen laufen 20 Jahre. Vorher kann man sie nicht kündigen.

In dem Gesetzentwurf sprechen Sie sich ausdrücklich gegen In‑House‑Vergaben aus, wofür wir, Die Linke, uns entschieden einsetzen. Wir sind dafür von Ihnen von der Union ja immer gegeißelt worden - mit dem alten Vorwurf, wir wollten Staatswirtschaft und lehnten Wettbewerb ab. Wir sagen: Das ist Unsinn und blanker Hohn gegenüber den Kommunen. In‑House‑Vergaben gibt es in den Niederlanden, und zwar sehr erfolgreich; sie sind vollständig durch das Europarecht gedeckt. Ja, und dort - jetzt erschrecken Sie vielleicht - gibt es sogar ein Privatisierungsverbot für Verteilnetze, das 2013 als europarechtskonform vom Europäischen Gerichtshof bestätigt wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir, die Linke, finden innovative Ökostadtwerke gut - dafür gibt es viele Beispiele; da gibt es wirklich tolle Sachen -, so wie das im hessischen Wolfhagen; dort hat man sogar einen Teil des Stadtwerks in eine Bürgerenergiegenossenschaft ausgelagert, die wiederum Anteile am Stadtwerk besitzt. Das ist eine Form von Bürgerbeteiligung, und Bürgerbeteiligung wollen viele Menschen. Es gibt eine ganze Reihe von Politikern, die in ihren Wahlkreisen ständig über Bürgerbeteiligung reden. Wenn es aber in Berlin wirklich ernst wird, dann stimmen sie dagegen. Ich sage: Wir brauchen eine solche Bürgerbeteiligung. Auch im Sinne der Klimabeschlüsse sind Bürgerenergie und örtliche Netze eine ganz wichtige Sache. Das vorliegende Gesetz verhindert leider die Vergabe an die Kommunen. Deshalb sagen wir Nein.

(Beifall bei der LINKEN)

Anmerkung der Redaktion:* Das CDU- Bürgermeister-Problem existiert leider nicht nur am Titisee.

 

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