07. Juli 2015   Aktuell

NSA - alles Show, Merkels Entschluss nicht auf Griechenland einzugehen steht seit 2012 fest.

Spiegel.online, 24.06.2015

Frankreichs Staatsspitze ist wütend. Präsident François Hollande hat ein Krisentreffen des Verteidigungsrates einberufen. Zentrales Thema: Die jahrelange Spionage der NSA gegen hochrangige französische Spitzenpolitiker. Die Enthüllungsplattform WikiLeaks hatte am Dienstag Dokumente veröffentlicht, die belegen sollen, dass der US-Geheimdienst die letzten drei Präsidenten im Élysée abhörte.

Die abgefangene Kommunikation ist auch für Hollande selbst unangenehm. Denn die NSA-Papiere geben einen seltenen Einblick hinter die Kulissen seiner Regierung. Ein Teil der streng geheimen US-Berichte stammt aus den ersten Tagen von Hollandes Amtszeit. Dabei wurde offenbar auch ein Gespräch abgehört, in dem der französische Präsident über ein Treffen mit Angela Merkel am Tag seines Amtsantritts am 15. Mai 2012 berichtet.

Die Kanzlerin kommt dabei nicht sonderlich gut weg. Thema des Gesprächs, so schildern es die US-Geheimdienstler in einer Depesche, sei die Eurokrise gewesen. Hollande, so heißt es im NSA-Papier, habe sich intern darüber beschwert, das Treffen habe "keine Substanz" gehabt: "Es war reine Show."

Planungen für Geheimtreffen mit Gabriel

Der Franzose war offenbar genervt davon, dass Merkel das Gespräch allein auf den europäischen Sparvertrag und die Situation in Griechenland konzentrierte. Merkel habe Athen "aufgegeben" und sei nicht bereit, sich auch nur ein Stück weit zu bewegen. Hollande, so beschreiben es die amerikanischen Spione, sei "sehr beunruhigt" und befürchte, die Griechen könnten sich Extremisten zuwenden.

In jener Zeit versuchte Hollande ein Band zu Merkels Rivalen von der SPD zu knüpfen. Nach dem Treffen mit Merkel rief der französische Präsident den Dokumenten zufolge bei Sigmar Gabriel an und lud ihn zu einem Treffen nach Paris ein. Die Zusammenkunft mit dem deutschen Kollegen sollte geheim gehalten werden, heißt es in dem NSA-Papier vom 22. Mai 2012.

Mit der konkreten Planung beauftragte Hollande seinen Premierminister Jean-Marc Ayrault. Dass der Präsident den SPD-Chef und andere Top-Sozialdemokraten im Élysée-Palast quasi unter den Augen der Öffentlichkeit treffen wollte, schien Ayrault offenbar keine wirklich gute Idee zu sein. Er riet Hollande dem NSA-Dokument zufolge, das Gespräch unbedingt geheim zu halten, um diplomatische Verwicklungen mit der Kanzlerin zu vermeiden.

Zahlreiche Telefonnummern in den Dokumenten

Mitte Juni 2012 reiste die SPD-Spitze um Gabriel und den damaligen Kanzlerkandidat Peer Steinbrück tatsächlich nach Paris. Von Geheimhaltung allerdings keine Spur - das Treffen war lange vorher bekannt geworden.

Den NSA-Papieren zufolge dauerte der US-Lauschangriff mindestens von 2006 bis 2012. Die Dokumente enthalten zahlreiche Telefonnummern, darunter die von mehreren Präsidenten, ihren engsten Beratern und verschiedenen Ministern.

Bei den als streng geheim eingestuften Dokumenten handelt es sich unter anderem um fünf NSA-Berichte, die auf abgefangener Kommunikation basierten. Aus ihnen geht auch hervor, dass sich der damalige französische Staatschef Nicolas Sarkozy 2012 um eine Art kleines No-Spy-Abkommen bemüht hatte. Paris wollte nicht mehr von US-Nachrichtendiensten ausgespäht werden. Dieses Abkommen kam aber nie zustande.

In einem Dokument über Hollandes konservativen Amtsvorgänger Sarkozy heißt es, dieser habe sich 2008 als "einziger fähiger Mann" im Kampf gegen die damalige Finanzkrise betrachtet. Aus dem Umfeld Sarkozys, dem Ambitionen auf eine Rückkehr in den Élysée-Palast nachgesagt werden, hieß es, derartige Spionagepraktiken seien "grundsätzlich inakzeptabel und noch mehr zwischen Verbündeten".

vme/AFP/Reuters

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