29. August 2016   Aktuell

Nicht der IS ist der Gegner der Türkei in Syrien sondern die Kurden und ihr Wille zur Unabhängigkeit

Beitrag: Roswitha Engelke

Rau und unwirtlich ist die östliche Bergregion Anatoliens, das Gebiet der Kurden. Viele Jahrhunderte lang lebten die Kurden dort als Nomaden in einer archaischen Stammesgesellschaft, unabhängig und meist unbeachtet von fremden Mächten. Doch Erdöl und Wasservorräte machten das Gebiet zum Zankapfel der umliegenden Großreiche. Die Kurden erfuhren die großen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts am eigenen Leib - mit einem für sie schlechten Ausgang.

Nach der Niederlage des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg wurde den Kurden die Autonomie zugesichert, wenn auch in einem deutlich kleineren Gebiet. So wurde die erdölreiche Region um Mosul unter britisches Mandat gestellt. Die Kurden sollten ein Jahr Zeit bekommen, um dem Völkerbund den Nachweis ihrer Staatsfähigkeit zu erbringen. Doch so weit kam es nicht, denn der Friedensvertrag wurde nie umgesetzt.

Geografisch lässt sich Kurdistan nicht genau definieren. Ein Großteil der Kurden lebt heute in der Türkei, im Iran und im Irak, aber auch in Armenien, Aserbaidschan und Syrien gibt es kurdische Minderheiten. Offizielle Zahlen existieren nicht beziehungsweise stehen unter Manipulationsverdacht. Die Schätzungen variieren zwischen 20 und 40 Millionen.

Im schiitisch dominierten Iran wurden die Kurden wegen ihres sunnitischen Glaubens verfolgt. Im Irak gestand man den Kurden zwar zeitweise größere Freiheiten zu, doch wenn der Ruf nach Unabhängigkeit zu laut wurde, schlug der zentralistisch organisierte Staat zurück, um seinen Zugriff auf die Bodenschätze nicht zu verlieren. So führte Saddam Hussein Zwangsumsiedlungen durch und setzte sogar Giftgas gegen kurdische Zivilisten ein.

Es ist nicht schwer zu erkennen, dass der Einsatz der türkischen Truppen in Syrien sich nicht in erster Linie gegen die Terrormiliz Islamischer Staat richtet. Die Türkei hat andere Prioritäten. Sie greift gezielt die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) an, die Stellungen südlich von Dscharabulus ausgebaut haben.

Im Syrienkrieg haben die Kurden auch um ihre eigene Unabhängigkeit gekämpft und noch nie waren sie der so nahe wie in den letzten Monaten. Das kann die derzeitige türkische Regierung nicht hinnehmen. Geht es doch bei dem kurdischen Gebiet um erdöl- und wasserreiches Land. Anstatt die chaotische Lage in Syrien zu beruhigen, trägt nun die Türkei zu einer weiteren Eskalation im Bürgerkrieg bei. Und die könnte sich zu einem neuen Krieg im Krieg ausweiten.

 

Ankara hat die multiethnische Militärallianz des SDF für eine terroristische Tarnorganisation erklärt. Denn im SDF stellt die Kurdenmiliz YPG den Hauptteil der Kämpfer – neben Arabern, Assyrern und Turkmenen. Die YPG wird als Terrorgruppe eingestuft, da sie ein Ableger der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) sein soll, die seit 1984 einen bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat führt.

Spiegel.online sagte dazu

"Drei Jahre lang duldete die Türkei die Präsenz des IS direkt hinter dem Grenzzaun, doch nun hat plötzlich ein regelrechtes Wettrennen nach Dscharabulus begonnen (...). Kurdische Vertreter in Syrien betrachten die Operation 'Schutzschild Euphrat' daher auch nicht als Offensive gegen den IS, sondern als Militärkampagne gegen die YPG."

Für "Badische Zeitung"-Autor Jürgen Gottschlich sind Erdogans Gründe für den Vorstoß scheinheilig:

"Der Kampf gegen die Terrormilizen des Islamischen Staats (IS) ist für den türkischen Einmarsch nur ein Vorwand. Der Zeitpunkt der seit Monaten immer wieder diskutierten Militäroperation wurde denn auch nicht durch IS-Raketenbeschuss diktiert, sondern durch den Vormarsch der mit der PKK verbündeten syrischen Kurdenmiliz YPG."

In der "Tagesschau" erläutert Nahostexperte André Bank die wahren Intentionen Erdogans: 

 
"Der offizielle Vorwand war natürlich, den IS zu bekämpfen. De facto ging es meines Erachtens nach aber vor allem darum, die syrischen Kurden zurückzudrängen."

Für "Tagesspiegel"-Autor Christoph von Marschall sind die wahren Gründe für den türkischen Einsatz offensichtlich:

"Offiziell gilt der Angriff dem gemeinsamen Gegner IS. Tatsächlich ist es ein brachiales Signal an die USA, Europa und die Kurden: Bei unseren Kerninteressen machen wir keine Abstriche! Die Entstehung eines Kurdenstaats werden wir nicht dulden!"

Geschichtsquelle: Planet Wissen

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