28. Oktober 2017   Aktuell

Der Wille zur Freiheit ist kein Verbrechen und darf niemals als Verbrechen ausgelegt werden

Kommentar Roswitha Engelke:  Die Katalanen haben ein Recht darauf, wie mündige Bürger über eine Unabhängigkeit von Spanien in die Diskussion mit der Zentralregierung in Madrid zu treten. Die Reaktion Madrids, alle Gesprächsangebote aus Barcelona auszuschlagen und sofort zu drohen zeigt noch viel von Francos Geist.

 

Deutschland, 2017, Prof. Dr. Axel Schönberger:

Am 27. Oktober 2017 hat der ungesetzliche und verfassungswidrige Staatsstreich des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und des Partido Popular begonnen. Nicht mit qualifizierter, sondern mit einfacher Mehrheit legt der Partido Popular und der spanische Senat Artikel 155 der spanischen Verfassung gegen dessen Wortlaut zu einem Ermächtigungsartikel aus und erweitert ihn ohne Rechtsgrundlage zu einem Instrument für einen Staatsstreich von oben, um massiv gegen bestehendes spanisches Recht zu verstoßen.

Die Verkündung der Absetzung der katalanischen Regierung und des katalanischen Parlaments, die «Auslöschung» einer Reihe von katalanischen Regierungsinstitutionen sowie die Ausschreibung von Neuwahlen in Katalonien fallen nicht in die Kompetenz des spanischen Ministerpräsidenten und sind auch nicht durch die Verfassung gedeckt, sondern verstoßen im Gegenteil eklatant gegen die spanische Verfassung und gegen spanische Gesetze, insbesondere gegen das Autonomiestatut Kataloniens, das geltendes spanisches Recht ist.

Rajoy dehnt seine Macht in Katalonien unrechtmäßig aus. Er übernimmt die Kontrolle über Finanzen, Polizei, Bildung, Funk und Fernsehen. (Quelle taz.de)


Seit Jahren hat der Partido Popular unter Führung von Mariano Rajoy darauf hingearbeitet, eine Unabhängigkeitserklärung Kataloniens geradezu zu erzwingen, um so endlich die ihm und seiner postfranquistischen Partei unliebsamen katalanischen Institutionen ausschalten zu können.

Wie kaum ein anderer hat er die Lage polarisiert und Katalonien regelrecht herausgefordert. Schon sind aus seiner Partei die ersten Rufe zu vernehmen, die Anwendung des Artikels 155 auch auf das Baskenland anzuwenden. Nicht ohne Eigeninteresse versuchte daher der Präsident des Baskenlandes am 26. Oktober 2017 noch ein letztes Mal zwischen Madrid und Barcelona zu vermitteln.

Der katalanische Präsident Carles Puigdemont, der sich stets dialogbereit zeigte, wäre hierzu trotz Widerstands in den eigenen Reihen offenbar auch bereit gewesen und hätte Neuwahlen in Katalonien für den Dezember des Jahres 2017 ausgeschrieben – wozu nach spanischem Recht nur er und keinesfalls die Zentralregierung in Madrid befugt ist –, wenn denn die spanische Regierung und der spanische Senat im Gegenzug von der beabsichtigten Anwendung des Artikels 155 der spanischen Verfassung auf Katalonien abgesehen hätten.

Die spanische Regierung war dazu jedoch nicht bereit, sondern erklärte sogar, daß der Artikel 155 in jedem Fall auf Katalonien angewandt würde. Damit ließ sie Katalonien keinen anderen Weg, als die vom katalanischen Volk beschlossene Unabhängigkeit am 27. Oktober 2017 feierlich zu verkünden.

Seit dem 27. Oktober 2017 existiert nunmehr Katalonien kraft Völker- und Naturrecht als eigenes völkerrechtliches Subjekt. Damit endete die von Franco eingeführte Monarchie in Katalonien.

Selten gab und gibt es in Europa Politiker, auf welche die berühmten horazischen Verse so zu passen scheinen wie auf Carles Puigdemont, der als gewählter Präsident Kataloniens abwägend, verantwortungsbewußt, stets zu offenen Verhandlungen bereit und das demokratische Mandat der Wählerinnen und Wähler respektierend und umsetzend in Würde, auf friedliche Weise und in Übereinstimmung mit dem natürlichen Recht des katalanischen Volkes auf Selbstbestimmung, Freiheit und Demokratie so handelte, wie es das Gesetz, seine Pflicht, sein Gewissen und der Wille der Mehrheit der katalanischen Wählerinnen und Wähler erforderten:

Iustum et tenacem propositi uirum
non ciuium ardor praua iubentium
non uoltus instantis tyranni
mente quatit solida neque Auster

dux inquieti turbidus Hadriae
nec fulminantis magna manus Iouis
si fractus inlabatur orbis
inpauidum ferient ruinae.


Die sinistren Ankündigungen des Führers der spanischen Putschistenregierung – sie wurde lediglich von 21 % aller Wahlberechtigten gewählt, denkt aber bislang nicht darüber nach, sich selbst aufzulösen und Neuwahlen für Spanien auszuschreiben – verheißen nichts Gutes. Spanien hat die Loyalität eines Großteils der Katalanen verloren und wäre gar nicht in der Lage, Katalonien ordnungsgemäß zu verwalten, während die ausgerufene Republik Katalonien über alle Voraussetzungen für eine effektive Verwaltung ihres Territoriums verfügt.

Wenn Spanien den passiven und friedlichen Widerstand der katalanischen Nation erneut mit Gewalt zu brechen versuchen sollte und die Staaten Europas, deren derzeit praktizierte Doppelmoral bezüglich der Vorgänge in Spanien einen beispiellosen Verrat an den europäischen Idealen und Werten sowie an Millionen von EU-Bürgern darstellt und das europäische Projekt auf eine bisher nie dagewesene Weise moralisch diskreditiert, weiterhin schweigend zusehen oder sogar die spanische Putschistenregierung und ihre verfassungswidrige Selbstermächtigung zum Sturz der katalanischen Regierung und der Aufhebung des katalanischen Parlamentes unterstützen sollten, so werden die Bürger Europas und der Welt aufgerufen sein, spanische Waren und Dienstleistungen so lange zu boykottieren und Spanien wie einst das Apartheidregime Südafrikas so lange moralisch ins Abseits zu stellen, bis Spanien auf jegliche polizeiliche oder militärische Gewalt gegenüber Katalonien verzichtet, alle politischen Gefangenen aus Katalonien freiläßt und seinen Dissens mit Katalonien in ausschließlich friedlichen Verhandlungen austrägt, bis eine für beide Seiten akzeptable Lösung gefunden ist.

Sollte Spanien gewaltsam gegen Katalonien vorgehen und es dabei zur Ermordung von Menschen durch die spanische Polizei oder das spanische Militär kommen, so träfe alle Staaten Europas, welche die Republik Katalonien derzeit nicht anerkennen wollen, eine moralische Mitschuld. Deutschland trägt eine schwere historische Verantwortung für die Ermordung des katalanischen Präsidenten Lluís Companys durch das verbrecherische Franco-Regime und für die jahrzehntelange Unterdrückung des katalanischen Volkes durch die brutale spanische Diktatur der Franco-Zeit. Falls Deutschland das friedlich nach Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Souveränität strebende katalanische Volk auch im Jahr 2017 im Stich lassen sollte, verliert es international jede moralische Glaubwürdigkeit, wenn es anderswo auf der Welt gegen die Unterdrückung von Völkern und Nationen seine Stimme erheben will.

Das katalanische Volk hat keine Angst. Friedlich und heiter wird es den Schergen des spanischen Staates die Stirn bieten und letzten Endes auch im Falle des Ausbleibens internationaler Unterstützung obsiegen. Der spanische Staat wird Millionen von Menschen, die nicht mehr seine Bürgerinnen und Bürger sein wollen, nicht zwingen können, ihm weiterhin anzugehören. Aber der Schaden, den die Regierung Rajoys Spanien mit ihrem beginnenden Putsch von oben zufügen wird, läßt sich jetzt noch gar nicht absehen. Vermutlich werden die politischen Brandstifter in Madrid die Gelegenheit nutzen wollen, um das Spanien der Autonomien zu zerstören.

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