Spaniens Selbstzerstörung schreitet voran — Richter Pablo Llarena setzt einen weiteren Sargnagel - und Europa schweigt und sieht zu!
Beitrag: Prof. Dr. Axel Schönberger, Deutschland
23. März 2018 — Politiker des Partido Popular hatten bereits vor Wochen verlauten lassen, daß man die führenden katalanischen Politiker der Unabhängigkeitsbewegung Ende März durch die spanische Justiz aus dem Verkehr ziehen und ihnen jegliche politische Betätigung auf juristischem Wege verwehren werde. Nachdem Jordi Turull i Negre noch am 22. März 2018 im katalanischen Parlament zur Wahl für das Amt des Präsidenten gestanden und die erforderliche absolute Mehrheit verfehlt hatte, weil es zum einen nicht allen Abgeordneten der für die Souveränität Kataloniens eintretenden Parteien erlaubt worden war, an der Sitzung teilzunehmen und von ihren Rechten als gewählte Abgeordnete Gebrauch zu machen, und weil zum anderen die vier Abgeordneten der CuP aus grundsätzlichen Erwägungen, die nicht an der Person des Kandidaten lagen, im ersten Wahlgang nicht für ihn stimmen wollten, schickte ihn der Richter Pablo Llarena des Obersten Gerichtshofes Spaniens am Freitag, den 23. März 2018, zusammen mit vier weiteren prominenten katalanischen Politikern, der ehemaligen Parlamentspräsidentin Carme Forcadell und den zwar demokratisch gewählten, aber von Spanien rechtswidrig entmachteten katalanischen Ministern Josep Rull, Dolors Bassa und Raül Romeva ohne die Möglichkeit der Hinterlegung einer Kaution ins Gefängnis.
Diesbezüglich von einer «Untersuchungshaft» wie in einem ordentlichen Rechtsstaat zu sprechen, wäre eine Verhöhnung der politischen Gefangenen in Spanien, die vor allem wegen des hanebüchenen Vorwurfs der «Rebellion» ihrer Freiheit beraubt werden. Dem spanischen Strafgesetzbuch zufolge wird der Tatbestand der «Rebellion» ausschließlich dann verwirklicht, wenn es zu Gewalt gegen Personen kommt. Gewalt wurde aber von katalanischer Seite nicht angewandt, nur der spanische Staat war für eine völlig unverhältnismäßige und menschenrechtswidrige Gewalt gegen Menschen durch Einsatzkräfte der Guardia Civil und der spanischen Nationalpolizei am 1. Oktober 2017 in Katalonien verantwortlich. Die Behauptung des spanischen Richters Pablo Llarena, es sei 2017 zu von den Beschuldigten zu verantwortender erheblicher Gewalt gegen Menschen im Sinne des Straftatbestands der Rebellion des spanischen Strafgesetzbuchs gekommen, ist eine groteske Fiktion, die an politisch motivierte Rechtsverdrehungen zur Zeit des Franquismus und des Nationalsozialismus erinnert.
Eine «Wiederholungsgefahr» einer nie begangenen Straftat wird im übrigen wohl kein ehrlicher, anständiger und unabhängig gebliebener spanischer Jurist für gegeben halten. Und daß im Falle Turulls, der sich am folgenden Tag dem zweiten Wahlgang für das Amt des Präsidenten Kataloniens stellen wollte, eine Fluchtgefahr bestanden hätte, wird wohl kaum jemand der informierten Beobachter der Lage in Katalonien für eine realistische Einschätzung der Lage halten. Ganz offensichtlich ging es darum, die Wahl Jordi Turulls zum Präsidenten Kataloniens aus politischen Gründen mit juristischen Mitteln zu verhindern, und dabei war dem spanischen Richter Pablo Llarena offenbar jede noch so sehr an den Haaren herbeigezogene Argumentation recht und billig, mit der er das spanische Recht beugen konnte. Llarenas Entscheidung vom 23. März 2018 hat die ohnehin verfahrene Lage noch weiter verschlimmert und dürfte aus zukünftiger Sicht als ein entscheidender Sargnagel der «Einheit» Spaniens beurteilt werden. Immer mehr Menschen in Katalonien ist jetzt klar, daß es kein Zurück mehr gibt. Das Spanien der Autonomien ist Geschichte, für das nach Freiheit und Souveränität strebende katalanische Volk wird es keine würdige Zukunft innerhalb des spanischen Staates geben. Es geht nicht mehr darum, ob Katalonien und Spanien sich voneinander trennen werden, sondern wann und wie dies geschehen wird.
In Spanien werden derzeit immer mehr katalanische Politikerinnen und Politiker mit den Mitteln der spanischen Unrechtsjustiz verfolgt, weil sie sich friedlich, demokratisch und rechtsstaatlich unter Berufung auf ihre Menschenrechte politisch betätigen und den Wählerwillen umzusetzen bestrebt sind. Ein solches Vorgehen ist unzivilisiert und barbarisch. Es verstößt gegen die Grundwerte der Europäischen Union und der zivilisierten Welt. Die Juristin Marta Rovira erkannte rechtzeitig den wahren Charakter der spanischen Unrechtsjustiz, die in offenbar enger Absprache mit der spanischen Regierungspartei Partido Popular das Recht nach Gutsherrenart beugt und sich um die Beachtung und den Schutz der für den spanischen Staat vollumfänglich verbindlichen Menschenrechte keinen Deut schert, und ging am 23. März 2018 ins Exil. Angesichts der Vorfälle in Spanien wäre Deutschland ebenso wie andere europäische Staaten verpflichtet, ihr und allen weiteren von Spanien grundlos verfolgten katalanischen Politikerinnen und Politikern Asyl zu gewähren.
Als eine eindeutige Mehrheit von Abgeordneten des am 21. Dezember 2017 neugewählten katalanischen Parlaments den nach wie vor amtierenden, aber von Spanien in Form eines Staatsstreichs rechtswidrig entmachteten 130. Präsidenten der Generalitat de Catalunya, Carles Puigdemont, erneut wählen wollte, wurde dies von spanischer Seite verhindert. Es sei eine persönliche Anwesenheit von Carles Puigdemont erforderlich, wobei gleichzeitig betont wurde, daß er verhaftet würde, sobald er spanischen Boden beträte. Mit Einwilligung des amtierenden katalanischen Präsidenten wurde sodann der Abgeordnete Jordi Sànchez für das Amt des Präsidenten vorgeschlagen, der nach wie vor ohne erkennbaren Grund als politischer Gefangener von Spanien in Haft gehalten wird. Es wurde ihm untersagt, an einer Sitzung des katalanischen Parlaments teilzunehmen, um sich wählen zu lassen und selbst seine Stimme abzugeben. Auch dies ist ein eindeutiger Verstoß gegen die Menschenrechte. Der Menschenrechtsausschuß der Vereinten Nationen hat Spanien zwar am 23. März 2018 aufgefordert, bis zum Abschluß eines derzeit laufenden Untersuchungsverfahrens der Vereinten Nationen alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Abgeordnetenrechte von Jordi Sànchez beeinträchtigen, doch steht zu erwarten, daß sich Spanien nicht an derartige Aufforderungen halten wird. Daß sich Jordi Sànchez somit gezwungen sah, auf sein Abgeordnetenmandat zu verzichten, um nicht die parlamentarische Mehrheit der Befürworter der Souveränität Kataloniens zu gefährden, ist ein weiterer Skandal, der auch die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union, die ein solches Unrecht duldet, schwer erschüttert.
Daß ein Kandidat für das Amt des Präsidenten Kataloniens, der voraussichtlich im zweiten Wahlgang am 24. März 2018 gewählt worden wäre, aber nicht den Wünschen und Vorstellungen der spanischen Regierungspartei Partido Popular entsprochen hätte, nun in eine Haft genommen wird, die man auf deutsch am ehesten als «politische Schutzhaft» und keineswegs als «Untersuchungshaft» bezeichnen sollte, zeigt einmal mehr, daß Spanien versucht, einen gravierenden politischen Konflikt mit den rechtlichen Mitteln eines Staates, in dem es faktisch nach dem Staatsstreich vom Oktober 2017 keine funktionierende Gewaltenteilung mehr gibt, zu lösen, anstatt den Dialog zu suchen und auf eine politische Lösung zu setzen. Es steht zu hoffen, daß sich Akteure wie Mariano Rajoy oder Pablo Llarena eines Tages selbst vor einem Internationalen Gerichtshof für die von ihnen zu verantwortenden Menschenrechtsverletzungen und ihre Taten verantworten müssen. Die nationalsozialistischen Politiker und Richter der dreißiger Jahre hätten es sich damals nicht träumen lassen, daß man dereinst in Nürnberg über sie zu Gericht sitzen würde. Mariano Rajoy, Soraya Sáenz de Santamaría, Pablo Llarena und Carme Lamela sollten damit rechnen, daß sie ihnen eines Tages ein ähnliches Schicksal erwarten könnte.
Die Menschenrechtsverletzungen im postdemokratischen Spanien sind eine Schande für Spanien und Europa! Der ‘tiefe Staat’ Spaniens kommt immer deutlicher zum Vorschein und zeigt seine häßliche Fratze. Jeder anständige Spanier, jeder anständige Europäer sollte sich von dem, was die spanische Regierung und die spanische Justiz seit September 2017 rechtswidrig veranstalten, distanzieren!