16. Oktober 2018   Aktuell

Präsidentschaftswahl in Brasilien - die Elite will keine Demokratie

Beitrag: Roswitha Engelke

Putschisten in Richterroben

Quelle: Telepolis

Paukenschlag in Brasilien: Ein Berufungsgericht in Porto Alegre hat den ehemaligen brasilianischen Präsidenten (2003-2011), Luiz Inácio Lula da Silva, am Mittwochnachmittag (Ortszeit) zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt.

Der Prozess gegen Luiz Inácio (Lula) da Silva (Präsident v. Brasilien), war ein Prozess mit vielen Ungereimtheiten und noch mehr Unregelmäßigkeiten.

Der 72-Jährige soll nach Willen des Richtergremiums wegen angeblicher Korruption und Missbrauch des staatlichen Erdölkonzerns Petrobras für zwölf Jahre hinter Gitter.

Das so durchaus erwartete Urteil ist der vorläufige Höhepunkt eines Prozesses, der von Lulas Anhängern, aber auch von zahlreichen Beobachtern auf internationaler Ebene als politisches Verfahren verurteilt wird.

Das Ermittlungsverfahren und das erstinstanzliche Gerichtsverfahren gegen Lula waren ein einziger juristischer Skandal.

Ein Indiz dafür: Der Politiker der linksgerichteten Arbeiterpartei (PT) war  derzeit der aussichtsreichste Kandidat für die Präsidentschaftswahlen im Oktober.  Das wäre dies das Ende des erzwungenen Rechtsrucks der südamerikanischen Regionalmacht gewesen. Das erste Ermittlungsverfahren unter dem umstrittenen Star-Juristen Sérgio Moro war von Unregelmäßigkeiten geprägt

So ließ Moro Telefonate zwischen Lula, Angehörigen, Bekannten und vor allem seinen Anwälten mitschneiden und spielte die Aufnahmen der Presse zu. Auch die fast 300 Seiten umfassende Urteilsbegründung Moros glich mehr einem politischen Pamphlet als einem juristischen Dokument.

Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte gab Lula und seinen Anwälten bereits im Oktober 2016 auf deren Beschwerde hin Recht und forderte von der brasilianischen Justiz Aufklärung - die nie erfolgte.

Stattdessen wurden alle Verfahrensverstöße und Grenzüberschreitungen in höherer Instanz gerechtfertigt!

Je weiter der Prozess fortschritt, desto mehr zeigten sich seine Anhänger davon überzeugt, dass das Verfahren gegen den beliebten Politiker Teil eines "lawfare" ist, einer juristischen Kriegsführung.

Entsprechende Stimmen sind auch aus Argentinien zu hören, wo mit Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und der Aktivistin Milagro Sala zwei offenbar ähnlich politisch motivierte Justiz-Skandale für Furore sorgen.

Westliche Regierungen interessiert der allem Anschein nach "getürkte" Prozess gegen einen Links-Politiker wie da Silvas wenig, verspricht man sich doch von einer zukünftigen rechtsgerichteten kapitalistischen Regierung mehr Vorteile.

DIE LINKE. verurteilt das politische Verfahren gegen den ehemaligen Brasilianischen Präsidenten.

Freiheit für Lula da Silva

Im Wortlaut von Heike Hänsel, 18. April 2018

 

DIE LINKE verurteilt das politische Verfahren gegen den inzwischen inhaftierten ehemaligenPräsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und spricht den sozialen Bewegungen in Brasilien angesichts der massiv zunehmenden politischen Gewalt ihre Unterstützung und Solidarität aus.

Das bekräftigten wir bei einem Besuch von Matheus Gringo de Assunção, dem Koordinator der brasilianischen Landlosenbewegung MST in São Paulo und Mitglied der Lula-Solidaritätskampagne, beim Arbeitskreis Außenpolitik der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.

Die Notwendigkeit von Solidarität wurde im kurzen Vortrag von Matheus sehr deutlich, der sein Land "seit dem institutionellen Putsch gegen die ehemalige Präsidentin Dilma Rousseff in einem ständigen Ausnahmezustand" sieht. Die Politikerin war im August 2016 unter fadenscheinigen Gründen aus dem Amt gedrängt worden. Später folgten ein Verfahren und die Inhaftierung von Lula da Silva, gegen den keine Beweise vorliegen und der in einem von Beginn an politisch motivierten Prozess zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden ist.

 

Für Matheus ein klarer Fall: "Es ging bei dem Putsch gegen Dilma und dem Verfahren gegen Lula vor allem darum, die sozialpolitischen Fortschritte unter den Regierungen der Arbeiterpartei wieder rückgängig zu machen." Seither leide Brasilien unter einer Politik, die konsequent darauf ausgerichtet ist, die Rechte von ArbeitnehmerInnen und LandarbeiterInnen abzubauen. "Diese Politik geht einher mit einer massiven Repression gegen soziale und linke Bewegungen", sagte der MST-Funktionär. Derzeit werde sogar ein neues Gesetz geschrieben, das soziale Bewegungen kriminalisiert und als terroristische Organisation einstufen soll. Dabei hätten schon jetzt die institutionelle staatliche Repression, darunter Verfolgung, Folter und Morde führender Vertreter sozialer Bewegungen, zugenommen.

Mit der Inhaftierung von Lula da Silva nach einem Verfahren, das bis jetzt von Unregelmäßigkeiten und Verstößen gegen die Prozessordnung durchsetzt war, habe die Kampagne der politischen Rechten und von Teilen der Justiz eine neue Qualität erreicht. "In den ganzen Verhandlungen hat es keine Beweise gegen Lula gegeben, sondern nur Indizien und der Wille von Sergio Moro und anderer Juristen, Lula zu verurteilen", sagte Matheus, der sich sicher ist: Es sei ausschließlich darum gegangen, Lula als neuen Präsidenten zu verhindern. Im Kern hat das konzertierte Vorgehen von Politik- und Justizzirkeln gegen die linksgerichtete PT aber das Ziel verfehlt: Vor der Verhaftung lag Lula da Silva mit gut 40 Prozent in Führung, derzeit sind es immer noch 30 Prozent, die ihn wieder an der Spitze des Staates sehen wollen. "Lula verkörpert die Hoffnung des brasilianischen Volkes auf eine Lösung der wirtschaftlichen und politischen Krise, die nicht zu Lasten der Bevölkerungsmehrheit geht", fasste unser Gast aus Brasilien die Lage zusammen.

Große Sorgen bereitet der MST die massive Gewalt, die auch von Anhängern des rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Jair Balsonaro ausgeht und die zuletzt in der Ermordung der linksgerichteten Abgeordneten Marielle Franco und ihres Fahrers führte. "Es ist der Hass der Rechten, der sich nun auf progressive Kräfte und soziale Bewegungen entlädt", so Matheus. DIE LINKE wird auch deswegen ihre Solidarität mit Lula da Silva in Brasilien bekräftigen und plant Besuche in Curitiba, wo der Kandidat als politischer Gefangener festgehalten wird. Es gilt weiterhin: "Lula livre!"

 

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