01. Juli 2019   Aktuell

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Europäische Union wendet sich von ihren Grundwerten ab!

1. Juli 2019 — 

Die Europäische Union wendet sich von ihren Grundwerten ab und verweigert gewählten Abgeordneten ihre Parlamentssitze!

Es ist ein in der Geschichte der Europäischen Union beispielloser Skandal, der einen Bruch mit dem bisherigen Demokratieverständnis Europas darstellt: Der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, verweigert drei ins Europäische Parlament gewählten Abgeordneten aus Katalonien Sitz und Stimme in dieser Institution, obwohl ihre Wahl ordnungsgemäß im spanischen «Boletín Oficial de Estado» veröffentlicht worden war! Sofern diese Entscheidung Bestand haben sollte, wird man das neugewählte Parlament für die Dauer der gesamten Wahlperiode nicht mehr als demokratisch legitimiert betrachten können!

Rund 1.700.000 Wählerinnen und Wähler haben drei katalanischen Kandidaten, dem legitimen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont, einem gleichfalls legitimen Minister seiner von Spanien unter Bruch spanischen Verfassungsrechts abgesetzten Regierung, Toni (Antoni) Comín, und dem legitimen Wirtschafts- und Finanzminister sowie stellvertretenden Präsidenten Kataloniens, Dr. Oriol Junqueras, ihre Stimme gegeben und sie mit einem überzeugenden Votum ins Europäische Parlament gewählt. Infolge und seit ihrer Wahl genießen die drei neuen Europa-Abgeordneten Immunität, was Spanien indes bestreitet.

 

Spanien hat bereits nach der letzten, von Spanien rechtswidrig erzwungenen Parlamentswahl in Katalonien vom 21. Dezember 2017 gezeigt, wie mit üblen juristischen Schachzügen und schamloser Rechtsbeugung ein demokratisches, aber den herrschenden Schichten mißiebiges Wahlergebnis konterkariert werden kann. Einen Kandidaten, der zum Präsidenten Kataloniens gewählt werden sollte, ließ man entgegen einer eindeutigen Aufforderung der Vereinten Nationen, ihm nicht sein passives Wahlrecht zu nehmen, nicht aus der «Untersuchungshaft» genannten Schutzhaft frei, so daß er eben nicht gewählt werden konnte (Jordi Sànchez); einen anderen Kandidaten nahm man einen Tag vor seiner geplanten Amtseinführung in das Amt des Präsidenten Kataloniens in Schutzhaft und verweigerte ihm gleichfalls die Möglichkeit, als Abgeordneter des katalanischen Parlaments an dessen Sitzungen teilzunehmen und, wie vorgesehen, zum Präsidenten Kataloniens gewählt zu werden. Nicht das katalanische Volk, sondern Spaniens Politiker und Richter wollen bekanntlich entscheiden dürfen, wer die reichste spanische De-facto-Kolonie regiert, die Spanien vor knapp mehr als dreihundert Jahren unterworfen hat, ohne freilich das Freiheitsstreben der katalanischen Nation wirksam gebrochen zu haben.

Daß es in Spanien inzwischen keinen funktionierenden Rechtsstaat mehr gibt, sondern derzeit das spanische Strafrecht in menschenrechtswidriger Weise willkürlich mißbraucht wird, um das katalanische Volk zu terrorisieren und in Angst zu versetzen, daß strafrechtliche Verfolgung ohne entsprechend definierte und gesetzlich verankerte Straftatbestände erfolgt, daß Politiker mit Mitteln des Strafrechts aus dem Verkehr gezogen werden sollen, ohne daß man ihnen bei objektiver Betrachtung auch nur die geringste Straftat nachweisen kann, ist jedem internationalen Beobachter bekannt, der sich mit den Fakten vertraut gemacht hat. Alleine daß Spanien der eindeutigen Aufforderung der Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen der Vereinten Nationen nicht nachkommt und sich hartnäckig weigert, seine politischen Gefangenen freizulassen, angemessen zu entschädigen und strafrechtliche Schritte gegen die für deren rechtsmißbräuchliche Verfolgung Verantwortlichen einzuleiten, wie es die zuständige Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen nach einem aufwendigen Untersuchungsverfahren Spanien nahegelegt hat, zeigt deutlich auf, daß und wie hier ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union, der die größten und schwersten Menschenrechtsverletzungen, die es in den vergangenen Jahren in Westeuropa gab und gibt, zu verantworten hat und in eklatanter Weise gegen die Charta der Vereinten Nationen und die großen Menschenrechtspakte verstößt, im Begriff ist, sich zu einem ‛Paria-Staat’ zu entwickeln, der sich anschickt, die Gemeinschaft der zivilisierten Staaten der Welt zu verlassen und sich in eine selbstgewählte Isolation sowie auf einen Weg der Scham und Schande zu begeben. Wer aus der Geschichte Deutschlands und Italiens etwas gelernt hat, öffne die Augen und schweige nicht! Wer schweigt, stimmt zu und wird sich dereinst vorhalten lassen müssen, auf der falschen Seite der Geschichte gestanden zu haben!

Die Europäisierung des Katalonien-Konfliktes, die ja bereits durch die Weigerung europäischer Gerichte, von Spanien ausgestellte europäische Haftbefehle so, wie von Spanien vorgegeben, zu vollstrecken, offenkundig war, die Internationalisierung der Katalonien-Frage, die spätestens mit der für Spanien vernichtenden Stellungnahme eines zuständigen Gremiums der Vereinten Nationen, der Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen, ihren Lauf genommen hat, der immer offener in sozialen Netzwerken und überall in Spanien zu Tage tretende Haß eines großen Teils der spanischen Bevölkerung auf die Katalanen, der teilweise bis in die Wortwahl Parallelen zur Ausdrucksweise und Metaphorik deutscher Nationalsozialisten gegenüber den Juden aufweist, zeigen die Größe dieses historischen Konflikts, der bislang noch aufgrund der vorbildlichen Friedfertigkeit des katalanischen Volkes nicht zu Toten geführt hat, aber grundsätzlich infolge des menschenrechtswidrigen Vorgehens der spanischen Seite eskalieren und entarten könnte. Der spanische Minister Josep Borrell verstieg sich im Wahlkampf des Jahres 2017 sogar dazu, die politische Lage in Katalonien mit einer «offenen Wunde» zu vergleichen, die mit juristischen Mitteln «desinfektiert» werden müsse, um die ‛Volksgesundheit’ wieder herzustellen! Hat man da noch Worte!

Und jetzt noch dies! Jetzt sollen die Rechte von 1,7 Millonen Europäerinnen und Europäern — Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern! — mit Füßen getreten und ihre Wahlentscheidung mir nichts, dir nichts genichtet werden! Läßt die Europäische Union dies zu, so ist ihr Ende besiegelt. Verrät sie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf dem Altar nationalstaatlicher Interessen Spaniens, dann hat sie langfristig keine Daseinsberechtigung mehr. Wenn sich Institutionen vom demokratischen Volkswillen abwenden und diesen sogar zu nichten trachten, braucht sich niemand zu wundern, wenn sich die Völker Europas über kurz oder lang von den derzeitigen Eliten und ihren Institutionen abwenden werden. Muß es denn wirklich so weit kommen? Ist es denn wirklich so schwer, sich an die Europäische Menschenrechtskonvention, die Charta der Vereinten Nationen und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zu halten? Warum wollen sich die führenden Repräsentanten Europas wie Tusk, Juncker und Tajani nicht an das halten, was die Europäische Union ständig anderen Staaten vorhält und predigt? Wollen sie etwa die Katalanen als ‛Menschen zweiter Klasse’ behandeln, wie Spanien es derzeit vorführt, und den fundamentalen Charakter der Menschenrechte bestreiten?

Europa-Abgeordneter aus Spanien sei man erst dann, so die verquere spanische Rechtsauffassung, wenn man persönlich und nur in Madrid einen Eid auf die spanische Verfassung abgelegt habe. Der Wahlakt und die Veröffentlichung des Wahlergebnisses im Staatsanzeiger begründeten Spanien zufolge weder eine parlamentarische Immunität noch ein Mandat als Abgeordneter des Europäischen Parlaments. Wenn es denn so wäre und wenn Spanien tatsächlich berechtigt wäre, nationale Vorgaben solcher Art über europäisches Recht zu stellen, dann müßte zumindest die Frage berechtigt sein, wieso ausgerechnet der Ort, an dem der Eid zu leisten sei, denn von solch zentraler Bedeutung sein soll. Ist ein Eid, der nicht in Madrid, sondern beispielsweise in Brüssel geschworen wird, etwa minderen Gewichts? Zählt ein Eid auf die spanische Verfassung, der wo auch immer in Europa oder anderswo geschworen wird, weniger als einer, dessen Worte in der spanischen Hauptstadt gesprochen werden?

Als einer der Anwälte des legitimen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont und seines legitimen Ministers Toni Comín die von diesen geschworenen, notariell beglaubigten Eide in Madrid bei der zuständigen Stelle fristgerecht abgeben wollte, hat man ihm dies offiziell untersagt. Ein notariell beglaubigter Eid soll somit kein Eid sein? Offenbar geht es nur um eine billige Trickserei, um den beiden gewählten Europa-Abgeordneten entweder ihre Mandate zu verwehren oder sie aber unter einem Vorwand nach Spanien zu locken und dort trotz ihrer bereits gegebenen Immunität sogleich zu inhaftieren! Daß Spanien diesbezüglich keine Skrupel hat, war am Falle des legitimen katalanischen Vizepräsidenten, Dr. Oriol Junqueras, zu sehen. Als dieser, der gegen die eindeutige Aufforderung der Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen der Vereinten Nationen von Spanien nach wie vor in einer schlichtweg nicht begründbaren «Untersuchungshaft» bzw. Schutzhaft gehalten wird, beantragte, bei der zuständigen Stelle in Madrid den erforderlichen Eid auf die spanische Verfassung zu schwören, verweigerte man ihm dies kurzerhand, um so sicherzustellen, daß er sein Mandat als Abgeordneter des Europäischen Parlaments eben nicht antreten könne. Was ist das bloß für eine rechtswidrige Barbarei! Alle, die sich an dieser schweren Form der Rechtsbeugung beteiligt oder mitschuldig gemacht haben, gehören vor Gericht gestellt, wenn nicht vor ein spanisches, dann vor ein internationales Tribunal! Spanien verlangt also von zwei gewählten Europa-Abgeordneten, nach Madrid zu reisen, um dort auf die spanische Verfassung zu schwören, nimmt ihre notariell beurkundeten Eide nicht entgegen und zeigt im Falle des Dr. Junqueras, was die beiden anderen Europa-Abgeordneten in Spanien erwarten würde, nämlich eine sofortige Verhaftung ohne jegliche Möglichkeit, den geforderten Eid abzulegen. Welcher Staat der Europäischen Union hat in vergleichbarer Form gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und gegen sein eigenes sowie europäisches Recht verstoßen, wie es Spanien diese Tage tut? Wenn Spanien weiterhin in solchem Ausmaße das Recht bricht und die Menschenrechte mit Füßen tritt, kann und darf es der Europäischen Union nicht weiter angehören!

Der Europäische Gerichtshof ist nunmehr gehalten, bis zu einer endgültigen Entscheidung die Rechte der gewählten Abgeordneten Carles Puigdemont, Toni Comín und Dr. Oriol Junqueras zu sichern, da anderenfalls sogar die Nichtigkeit aller Beschlüsse des Europäischen Parlaments während einer mehrmonatigen Zeitspanne eine mögliche Folge sein könnte. In der Entscheidungsbefugnis des Europäischen Gerichtshofes liegt jetzt nicht bloß die Verwirklichung oder Zunichtemachung des Wählerwillens von rund 1.700.000 Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern, sondern nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft der Europäischen Union, die langfristig keinen Bestand haben wird und haben kann, falls sie sich an der Unterdrückung des katalanischen Volkes und der politischen Verfolgung seiner gewählten Vertreter beteiligen sollte.

Und weiterhin gilt: Europa schweigt und sieht zu! Aber sein höchstes Gericht muß nun sprechen und entscheiden, ob es das Recht politischem und nationalstaatlichem Kalkül unterordnet oder dem europäischen Recht und den Menschenrechten zumindest in dieser Angelegenheit zum Sieg verhilft. Vt bonum felix faustumque sit!

https://www.heise.de/tp/features/Europaparlament-muss-ueber-abgeschlossene-Rechtsbeugung-in-Spanien-entscheiden-4447371.html

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