07. Juli 2019   Aktuell

Sind tatsächlich die Nonnen schuld ...?

Von Nonnen erzogen – heute führt sie Hongkong mit harter Hand. Wer ist Regierungschefin Carrie Lam?

Quelle: Neue Züricher Zeitung, Michael Radunski, Peking 4.7.2019, 14:02 Uhr

Seit Wochen brodelt Hongkong.

Bis zu zwei Millionen Menschen gingen auf die Strasse – was fast einem Drittel der Bevölkerung entspricht. Der Grund für den Aufruhr ist das Auslieferungsgesetz, das auch die Überstellung von Verdächtigten nach Festlandchina erlaubt hätte. Im weiteren Sinne geht es allerdings um den Einfluss Pekings in der ehemaligen Kronkolonie. Personifiziert wird dieser Einfluss durch die Regierungschefin. Viele Hongkongerinnen und Hongkonger sehen sie als Vollstreckerin Pekings.

Seit fast genau zwei Jahren ist Lam Hongkongs Chief Exekutive, wie der Regierungschef in der Wirtschaftsmetropole genannt wird. Lam ist die erste Frau an der Spitze der chinesischen Sonderverwaltungsregion.

Mene mene tekel uparsin ...

Doch nun scheint die 62jährige mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Während sie am Montag mit Getreuen im abgeriegelten Hongkonger Kongresszentrum mit Champagner den 22. Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an China feiert, demonstrieren draussen erneut 550 000 Personen. Am Abend stürmen ein paar hundert Demonstranten das lokale Parlament, den Legislative Council. An eine Wand sprayen sie eine Nachricht, die offensichtlich an Carrie Lam gerichtet ist: «Es sind Sie, die uns gelehrt hat, das friedliche Proteste nutzlos sind.»

Hardliner und Propagandisten in Peking müssen sich die Hände reiben ob der Bilder, die in der Nacht von Montag auf Dienstag aus Hongkong kommen:

Demonstranten mit Bauhelmen auf dem Kopf, Masken im Gesicht und Schutzbrillen vor den Augen stürmen den Legislative Council, das Stadtparlament der chinesischen Sonderverwaltungsregion. Sie rammen Einkaufswagen in die Glastüren, schlagen mit Eisenstangen und Äxten auf die Scheiben ein, bis diese zersplittern.

In den Gängen sprühen sie Parolen wie «Die Regierung hat uns zur Revolte gezwungen» oder «Stoppt den chinesischen Kolonialismus» an die Wand. Das rote Emblem Hongkongs in der Parlamentskammer wird mit schwarzer Farbe versprüht.

Diese Bilder passen voll in das Narrativ, das Pekings Propaganda zu verbreiten versucht, seit die Hongkongerinnen und Hongkonger sich gegen ein Auslieferungsgesetz zu wehren begannen, das auch die Abschiebung von Verdächtigen an das chinesische Festland erlaubt hätte. Bis zu zwei Millionen Menschen hatten in den letzten Wochen gegen das Gesetz und die schleichende Aushöhlung der demokratischen Grundrechte in Hongkong demonstriert.

Fernöstliche wie "westliche" Regierungsoberhäupter sind sich in ihrem Urteil sehr, sehr ähnlich:  Demonstranten gegen Demokratieabbau sind für die einen "Konterrevolutionäre" und für die anderen "Chaoten" ...

 

 

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