14. Juli 2019   Aktuell

Kriegstreiber Nr. 1 will Blut sehen - Stand der Kriegsvorbereitung gegen den Iran

 

13. Juli 2019

Symbolbild: Manöver der US-Navy im Süd-Pazifik. Gemeinfrei

Die Wahrscheinlichkeit eines neuen Kriegs am Persischen Golf steigt. Allerdings haben die USA bisher weder einen Verteidigungsminister noch eine "Koalition der Willigen"

In den vergangenen Wochen verschärfte die amerikanische Außenpolitik ihre seit mehr als einem Jahr anhaltende Eskalation gegenüber der Islamischen Republik Iran noch einmal deutlich. Jüngster Höhepunkt ist die Beschlagnahme des iranischen Supertankers Grace 1 auf Antrag der amerikanischen Behörden. Es ist das erste Mal in der jüngeren Geschichte, dass ein Öltanker wegen Sanktionsbestimmungen in internationalen Gewässern festgehalten wird.

Die britischen Behörden, welche die Grace 1 vor Gibraltar haben festsetzen lassen, behaupten, dass Schiff sei Richtung Syrien unterwegs gewesen. Diese bisher unbelegte Konstruktion soll ihnen eine plausible Rechtsgrundlage verschaffen. Innerhalb der EU sind die amerikanischen Sanktionen gegen die Republik Iran nicht rechtskräftig. Gegen Syrien hingegen hält die EU weiterhin ihre 2014 erlassenen Sanktionen in Kraft, um den Wiederaufbau des durch Söldner- und Dschihadistenhorden verwüsteten Landes zu behindern.

Auffällig am Vorgehen der britischen Behörden ist auch, dass die Verwaltung von Gibraltar gerade erst am 3. Juli ein neues Regelwerk verabschiedet hat, um Sanktionen durchzusetzen. Gleich am darauffolgenden Tag enterte eine 30-köpfige Spezialeinheit der britischen Flotte zusammen mit Polizeieinheiten aus Gibraltar das Schiff (Britische Marines entern iranischen Tanker vor Gibraltar).

Mithilfe der frisch erlassenen Sanktionsvorschriften entschied ein Gericht in Gibraltar nun, den Kapitän und den Ersten Offizier festzunehmen und das Schiff bis mindestens 21. Juli festzuhalten. Wohlgemerkt: Unter dem Vorwurf, dass Schiff habe den syrischen Hafen Baniyas im Mittelmeer anlaufen wollen.

Ausgerechnet dort kam es am Samstag, den 22. Juni, zu einer massiven Sabotageaktion. Mindestens fünf Unterwasser-Ölpipelines in der Nähe von Baniyas wurden sabotiert und verursachten eine Ölpest, wie israelische Medien unter Berufung auf die syrische Nachrichtenagentur Sana berichteten. Fotos zeigen massive Eindellungen und lange Risse an den Rohren.

Der syrische Minister für Erdöl, Ali Ghanem, erklärte später, dass sogar sechs Leitungen beschädigt worden seien und nannte den Vorgang einen "feigen Terroranschlag". Die Pipelines verbinden den Hafen von Baniyas mit einer Entladeplattform, an der Supertanker wie die Grace 1 anlegen können.

Amerikanische Truppenbewegungen um den Iran

Seit die iranischen Streitkräfte am 20. Juni 2019 eine amerikanische Drohne vom Typ RQ-4A "Global Hawk" abschossen, dramatisierte insbesondere US-Präsident Donald seine öffentliche Rhetorik. So behauptete er, dass die US-Streitkräfte bereits einen Angriff auf den Iran eingeleitet hätten, den er im letzten Augenblick abgebrochen habe, um Menschenleben zu retten. Darüber hinaus brüstet sich die US-Regierung öffentlich damit, dass sie im Iran Computerinfrastrukturen mithilfe von Cyberangriffen attackieren würde.

Interessant an dem Abschuss der Drohne ist vor allem, dass die in den Golfstaaten stationierten US-Truppen seit Mai ihre Aufklärungsaktivitäten über dem Iran massiv ausweiten. Die RQ-4A "Global Hawk" war offensichtlich Teil eines breiter angelegten Programms zur militärischen Aufklärung. Seit Mai 2019 häufen sich die Verletzungen des iranischen Luftraums durch Fluggeräte des US-Militärs. Laut iranischen Angaben befanden sich darunter bewaffnete Drohnen vom Typ "MQ9 Reaper" sowie bemannte Spionageflüge vom Typ Boeing RC-135, Boeing P-8 Poseidon und Lockheed P-3 Orion.

Diese verstärkten Aufklärungsaktivitäten gehen einher mit kontinuierlichen Truppenverlegungen an den Persischen Golf. In den letzten Monaten verlegte die US-Regierung offiziell eine Gruppe von Flugzeugträgern mit etwa 7.500 Soldatinnen und Soldaten, eine Staffel nuklearfähiger B-52-Bomber sowie weitere 2.500 Militärs in ihre Militärbasen bei den Golf-Monarchien. Kurzfristig könnten die US-Streitkräfte in der Region laut Pentagon auf bis zu 120.000 Personen aufgestockt werden.

Aktuell berichten mehrere Fachpublikationen des US-Militärs über Hinweise, dass das Centcom tatsächlich bereits massiv Truppen und Technik aus den USA selbst, aber auch aus Irak, Syrien und Afghanistan am Persischen Golf zusammenzieht. In diesem Kontext könnte auch der angekündigte Truppenabzug der USA aus Syrien stehen.

Großbritannien und Frankreich, die beiden EU-Staaten, die in der Vergangenheit die zerstörerischen Abenteuer der US-Außenpolitik militärisch aktiv unterstützten, werden sich zu einer Erhöhung ihrer Truppen um 10 bis 15 Prozent in Syrien verpflichten, berichtet Foreign Policy. Damit würden sie natürlich die US-Truppen im Nahen und Mittleren Osten entlasten, ohne sich - vorerst - direkt an einer möglichen militärischen Aggression gegen den Iran zu beteiligen.

Auf der Suche nach einer "Koalition der Willigen"

Großbritannien und Frankreich haben demnach auch ihr Interesse bekundet, sich an einem Programm namens "Sentinel" zu beteiligen, einer maritimen Partnerschaft, die offiziell darauf abzielt, die Sicherheit von Handelsschiffen zu erhöhen, welche die Straße von Hormuz und andere Engpässe passieren, sagte ein Beamter der US-Regierung. Mike Pompeo stellt "Sentinel" als eine Reaktion auf angebliche "iranische Aggressionen gegen Öltanker" dar. Tatsächlich dürfte das Programm jedoch darauf angelegt sein, bereits vor einem möglichen Angriff auf den Iran Verbündete für die US-Pläne zu rekrutieren.

In den vergangenen Wochen verschärften Außenminister Mike Pompeo, Vizepräsident Mike Pence und der Nationale Sicherheitsberater John Bolton ihre Bemühungen, eine "Koalition der Willigen" für einen Angriff auf den Iran zusammenzutrommeln. Das Pentagon habe bereits einen konkreten Plan entworfen, so Generalstabschef Joseph Dunford gegenüber der Nachrichtenagentur AP. In "ein paar Wochen" werde feststehen, welche Länder sich dem Bündnis anschließen wollten. Bisher mobilisieren sie für dieses Bündnis unter dem Vorwand, dass es "zum Schutz von Handelsschiffen in der Region" nötig sei.

Bereits im Juni hatte US-Außenminister Mike Pompeo die Absicht der USA angekündigt, ein "globales Bündnis gegen den Iran" zu schmieden. Diese Allianz solle sich nicht nur über die Golfstaaten erstrecken, sondern auch über Asien und Europa. Pompeo sprach zunächst davon, dass sich bis zu 20 Länder zur Zusammenarbeit bereitfinden, darunter Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Laut AP sei dieses Vorhaben bereits Thema bei einem Treffen mit Alliierten im Nato-Hauptquartier gewesen. Damals habe sich allerdings noch kein Staat zur Beteiligung bereiterklärt. Nun streben die USA laut Dunford zunächst eine "kleine Koalition" an, die dann ausgebaut werde. Der Chef des Generalstabs betonte außerdem, dass es US-Präsident Donald Trump wichtig sei, dass die "USA nicht allein die Kosten einer solchen Mission" tragen.

Wirre Propaganda, fehlende Expertise

Alle diese Hinweise sprechen dafür, dass die USA und ihre Verbündeten in der Region tatsächlich konkret einen militärischen Angriff auf den Iran vorbereiten. In ihrem verzweifelten Bemühen, irgendeinen Kriegsgrund gegen den Iran zu konstruieren, versucht die US-Regierung sogar, die iranische Regierung in Zusammenhang mit dem Terrornetzwerk al-Qaida zu stellen.

US-Außenminister Mike Pompeo übergab dem Kongress im Juni angeblich "geheime Informationen", in denen behauptet wird, dass enge Beziehungen zwischen dem Iran und al-Qaida bestehen. Dieser absonderlichen Konstruktion widersprach etwa Michael Hirsch. Er zitiert reihenweise Stimmen aus der Community der amerikanischen Geheimdienste, die auf die bekannte Feindschaft zwischen den sunnitischen Extremisten und der schiitischen Islamischen Republik verweisen.

Aus dem außenpolitischen Establishment der USA gibt es derweil besorgte Stimmen, weil das eigene Land aktuell nicht über einen Verteidigungsminister verfügt, und weil zahlreiche Botschafterposten besonders im Nahen- und Mittleren Osten nicht besetzt sind. Das Pentagon leitet gegenwärtig mit Mark Esper, ein "Amtierender Verteidigungsminister".

Mitte Juni hatte Patrick Shanahan, der vom Präsidenten eigentlich für das Amt vorgesehen war, erklärt, dass er den Posten nicht antritt. Dies bedeutet praktisch, dass die wichtigste Funktion für die amerikanische Kriegsführung mindestens bis Dezember 2019 unbesetzt bleiben wird. Der Posten ist bereits vakant, seitdem James Mattis im Dezember 2018 plötzlich zurücktrat.

Noch gravierender scheinen die Probleme im Außenministerium zu sein. Im April kam ein Prüfbericht zu dem Ergebnis, dass Hunderte Posten im Auswärtigen Dienst nicht besetzt sind. Am höchsten liegen die fehlenden Stellenbesetzungen ausgerechnet im Nahen- und Mittleren Osten, wo beinahe jede fünfte Stelle unbesetzt ist. Als Mike Pompeo im Januar durch die Region reiste, spottete die amerikanische Presse, dass er in den Ländern "allein unterwegs" sei. Von den neun Staaten, die der Außenminister besuchte, waren fünf ohne amerikanischen Botschafter.

Nicht einmal die oberste diplomatische Position für die Region, der "Stellvertretende Staatssekretär für den Nahen Osten", war im Außenministerium regulär besetzt. Ausgerechnet die wichtigsten US-Verbündeten in der Region - Jordanien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Saudi-Arabien - haben derzeit keinen US-Botschafter. Unbesetzte Botschafterposten werden "amtierend" mit Diplomaten besetzt, die allerdings im Gastland nicht den gleichen Einfluss haben.

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