Solidarität mit Katalonien - für das Menschenrecht auf Selbstbestimmung
Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung hat niemals zur Gewalt bzw. zum Aufruhr aufgerufen. Es sei denn in Madrid wird bereits der in Worte gefasste Wunsch einer Mehrheit nach Selbständigkeit als Gewaltakt angesehen. Proteste sind in einer Demokratie durchaus legitim, in einer Diktatur sind sie allerdings nicht vorgesehen. Die Ausschreitungen einer kleinen Gruppe als Maßstab zu nutzen, um brutal gegen legitime demokratische Mittel vorgehen zu können, hat nicht viel mit einem Rechtsstaat zu schaffen. (Roswitha Engelke)
Solidarität mit Katalonien
Quelle: Prof. Axel Schönberger, Deutschland
Alle großen katalanischen Organisationen, die für die staatliche Unabhängigkeit ihrer Nation vom spanischen Mehrvölkerstaat eintreten, und alle katalanischen Regierungsmitglieder einschließlich der am 14. Oktober 2019 in erster und einziger Instanz zu langjährigen Haftstrafen verurteilten politischen Gefangenen haben seit Jahren jegliche Form von Gewalt verurteilt und immer und ausnahmslos zu gewaltlosen Formen des Protestes aufgerufen.
Die brutale Gewalt der spanischen Polizei am 1. Oktober 2017 und danach haben sie ebenso scharf kritisiert wie die Gewaltexzesse, die sich seit dem 14. Oktober 2019 in verschiedenen katalanischen Städten abspielten und sowohl zu Lasten eines relativ kleinen ‘schwarzen Blocks’ von offenbar ca. 400 bis 500 Personen als auch der Polizeikräfte gingen, während über eine halbe Million Menschen friedlich demonstrierten. Seit dem 1. Oktober 2017 bis heute warten die Opfer polizeilicher Gewalt, das katalanische Volk und die Weltöffentlichkeit vergeblich auf eine Verurteilung der völlig unverhältmäßigen Polizeigewalt, die damals auf Anordnung der spanischen Regierung erfolgte. Es wirkt geradezu kafkaesk, daß der auch in anderen Fällen durch seine Unaufrichtigkeit aufgefallene spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez dem exekutiven katalanischen Ministerpräsidenten Quim Torra diese Tage immer wieder pressewirksam vorzuwerfen versucht, daß dieser sich bislang noch nicht von den Gewaltexzessen distanziert und sie verurteilt habe.
Quim Torra hat immer wieder jegliche Form von Gewalt scharf kritisiert und verurteilt, sowohl die Gewalt der Polizisten als auch die Gewalt der mutmaßlichen Straftäter, die sich unter die überwiegend friedlichen Demonstranten gemischt haben. Der spanische Ministerpräsident und Teile der spanischen Presse behaupten indes unter Verfälschung der Tatsachen frech das Gegenteil. Seitens der spanischen Zentralregierung in Madrid werden immer wieder Unwahrheiten behauptet und verbreitet, die von Teilen der ausländischen Berichterstatter dann auch zunächst ungeprüft und unkritisch übernommen werden.
Dem exekutiven katalanischen Präsidenten Quim Torra blieb schließlich nur die Feststellung, daß Madrid sich weigerte, mit den gewählten Repräsentanten des katalanischen Volkes zu sprechen.
Seit vielen Jahren boten und bieten die Katalanien der spanischen Zentralregierung den Dialog und Verhandlungen an. Madrid jedoch reagiert mit der Verweigerung eines echten Dialogs und versucht in erkennbarer kollusiver Zusammenarbeit mit der Staatswaltschaft und einigen Richtern, das Strafrecht rechtswidrig zu instrumentalisieren und führende Katalanen zu kriminalisieren.
Auch wenn es derzeit nur wenige hundert Jugendliche zu sein scheinen, die auf katanischer Seite zur Gewalt greifen, außerdem spanische Neofaschisten, die gegen die Unabhängigkeit Kataloniens kämpfen wollen, und offenbar auch unter die überwiegend friedlichen Demonstranten eingeschleuste Polizisten, ist doch festzustellen, daß den Politikern seit dem Urteilsspruch vom 14. Oktober 2019 die Kontrolle zusehends zu entgleiten scheint. Das katalanische Volk beginnt, seine Geduld zu verlieren, und will seine staatliche Unabhängigkeit jetzt endlich durchsetzen.
Große Teile des katalanischen Volkes — den Meinungsumfragen zufolge mehr als 80 Prozent — wünschen die Durchführung einer international überwachten, bindenden Volksabstimmung über die Frage, ob Katalonien ein unabhängiger Staat in Form einer Republik werden soll. Ein solches Referendum ist weder durch die spanische Verfassung noch durch das spanische Strafrecht verboten. Es steht auch nicht in Widerspruch zum Völkerrecht. Aus der spanischen Verfassung ergibt sich vielmehr die Zulässigkeit der Durchführung eines solchen Referendums, auch wenn lautstark von Madrider Seite das Gegenteil behauptet wird. In Spanien dürfen nach geltender Rechtslage Volksabstimmungen zu beliebigen Fragen durchgeführt werden, etwa zur Abschaffung der Monarchie oder zur Frage, ob faschistische Parteien so wie in Deutschland nicht doch staatlich verboten werden sollten, anstatt sie mit staatlicher Unterstützung sogar noch zu fördern. Wenn es denn stimmte, was Madrid nicht müde wird, immer wieder öffentlich zu behaupten, daß eine große, schweigende Mehrheit des katalanischen Volkes gegen die Unabhängigkeit ihrer Nation von Spanien sei, so könnte Madrid doch problemlos, wie es bereits Kanada und Großbritannien vormachten, ein entsprechendes Referendum mit der katalanischen Regierung vereinbaren und gelassen darauf warten, daß die von ihr prognostizierte ‘überwiegende schweigende Mehrheit’ für einen weiteren Verbleib Kataloniens im spanischen Mehrvölkerstaat stimmen würde. Das Verhalten der Madrider Regierung scheint allerdings darauf hinzudeuten, daß sie im Falle einer solchen Abstimmung damit rechnet, daß sich eine überwiegende Mehrheit der Katalanen für eine staatliche Souveränität ihrer Nation entscheiden würde, und daß sie deswegen mit aller Gewalt eine solche Abstimmung zu verhindern trachtet.