15. Mai 2020   Aktuell

Corona in Bolivien: Panzer und Kriegswaffen statt Schutzkleidung

Quelle: amerika21

Präsidentschafts- und Parlamentswahlen entbrannt. Die für den 3. Mai vorgesehenen Wahlen wurden aufgrund des Gesundheitsnotstands auf unbestimmte Zeit vertagt. Diese Woche befasste sich nun das Parlament mit der Festlegung eines Zeitpunkts.

Knapp zwei Drittel des Abgeordnetenhauses, das weiterhin von der ehemaligen Regierungspartei Bewegung zum Sozialismus (MAS) dominiert wird, sprachen sich am Mittwoch für eine Durchführung der Wahlen innerhalb der nächsten 90 Tage aus. Sie wiesen damit den Gesetzesvorschlag des obersten Wahlgerichts zurück, das als Reaktion auf die Corona-Krise einen Termin zwischen dem 28. Juni und dem 27. September angesetzt hatte. Das Gesetz wurde im Senat bestätigt. Nun entscheidet Interimspräsidentin Jeanine Áñez, ob sie zustimmt oder ihr Veto einlegt.

Die Neuwahlen sind notwendig, weil nach dem Sturz des Präsidenten Evo Morales nach der Abstimmung vom 20. Oktober 2019 eine ultrarechte "Interimsregierung" die Macht übernahm. Die Organisation Amerikanischer Staaten hatte seine Wiederwahl im ersten Durchgang als "Betrug" bezeichnet und damit Unruhen im Land Vorschub geleistet. Polizei und Armee schlugen sich auf die Seite der Opposition und forderten den Rücktritt des Präsidenten. Morales trat schließlich zurück und floh zusammen mit seinem Vize Álvaro García Linera außer Landes. Die MAS schickt nun Luis Arce und David Choquehuanca ins Rennen um die Präsidentschaft. Ihnen werden gute Chancen ausgerechnet.

Die politischen Gegner werfen der MAS fehlende Rücksicht auf die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung vor. Sie seien von Ex-Präsident Morales eingeschüchtert und gesteuert.

Am Mittwoch kündigte Áñez eine Verlängerung des Gesundheitsnotstand über den 10. Mai hinaus an. Gleichwohl sei eine Lockerung der strengen Quarantänemaßnahmen ab dem 11. Mai vorgesehen, um die Lage der Bevölkerung zu normalisieren und Teile der Wirtschaft anzukurbeln. Von der sogenannten dynamischen Quarantäne sollen vor allem Städte und Provinzen profitieren, die weniger stark von der Covid-19-Pandemie betroffen sind. Die De-facto-Regierung behält sich im Falle einer Vermehrung von Ansteckungen das Recht vor, die Lockerung wieder zurückzunehmen.

Im Vergleich zu anderen südamerikanischen Ländern werden in Bolivien sehr wenige Personen auf Covid-19 getestet.

Seit dem 10. März waren es gerade mal 80 Menschen pro Tag. Das Gesundheitsministerium bezifferte die Zahl der Infizierten Ende April auf etwas mehr als 1.100, was bei einer Bevölkerung von etwa zehn Millionen weit unter dem weltweiten Durchschnitt läge. Experten befürchten, dass diese Zahl im fünfstelligen Bereich liegen könnte.

Áñez hatte Ende März den Gesundheitsnotstand ausgerufen. Damit verbunden sind weitgehende Ausgangsbeschränkungen, Grenzschließungen und die Militarisierung zahlreicher Regionen.

Morales, der sich im argentinischen Exil befindet, kritisiert die Regierung Áñez scharf: "Bolivien ist das einzige Land, wo die Pandemie mit Kriegswaffen und Panzern bekämpft wird. Anstatt dem Personal im Gesundheitsbereich Schutzkleidung zur Verfügung zu stellen, investiert die De-facto-Regierung in Polizei und Militär."

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