07. Juli 2019   Themen

Big Data bei der Hessen-Polizei

Quelle: Grundrechte Report 2019

Hessen sucht mit US-Software nach Gefährdern ... denken sie jetzt nicht: Was interessiert uns in Niedersachsen, was die hessische Polizei unternimmt ...

Daten sind allgegenwärtig, praktisch kein Bereich unseres digitalisierten Lebens kommt ohne sie aus.Sie bilden eine permanente Spur, die unsere Persönlichkeit widerspiegelt. Für Staat und Behörden erwächst hieraus ein Schatz zuvor ungeahnter Möglichkeiten.

Die Polizei in Hessen setzt seit Ende 2017 eine Softwäre aus den USA ein, um diesen Schatz zu heben: "Hessen-Data" basiert auf der Software Gotham der umstrittenen Firma Palantit.

In der jüngeren Vergangheit hat nicht nur die Masse gespeicherter Daten kontinuierlich und massiv zugenommen. Parallel dazu sind auch die technischen Möglichkeiten entwickelt und verfeinert worden, um solche Datenbestände nutzen zu können. Infolgedessen sind in zunehmendem Maße auch Polizeibehörden bemüht, Formen der Massendatenauswertung für ihre Arbeit fruchtbar zu machen. Die hessische Polizei setzt zunehmend zu diesem Zweck "Hessen-Data" ein, wobei zunächst der Bereich des islamistisch motivierten Terrorismus im Zentrum steht; schwere und organisierte Kriminalität sollen hinzukommen. Die neue schwarz-grüne Landesregierung plant bereits die Auswertung auf Ermittlungen zu Kindesentführungen und Kindesmissbrauch. Die StaatschützerInnen der sieben hessischen Polizeipräsidien sowie des Landeskriminalamtes, die an der Software geschult wurden, sollen auf diese Weise leichter Bedrohungslagen erkennen und sogenannte Gefährder identifizieren können.

Die Aufgabe der Software besteht dabei nicht darin, neue Daten zu erheben. Vielmehr führt sie bislang unverknüpfte Datenbestände  der Polizei zusammen  und wertet sie aus.

Zu polizeiinternen Informationen über Kriminalfälle und Fahndungen kommen Verbindungsdaten aus der Telefonüberwachung, Inhalte ausgelesener Mobiltelefone, E-Mails, Social-Media-Daten  und anderes mehr. Auf diese Weise kann "Hessen-Data" zum Beispiel Zusammenhänge zwischen verschiendenn Personen oder Ereignissen erkennen. Wer kennt sich?  Wer wohnt wie nah beieinander?  Zwischen welchen Ereignissen besteht vielleicht eine Verbindung?

Im Focus der öffentlichen Debatte zu "Hessen-Data" steht vor allem der Umstand, dass die hessische Polizei ein Palantir-Produkt eingekauft hat. Die US-Firma steht zum einen in dem Ruf, sich wenig für Belange des Datenschutzes zu interessieren.

Zum anderen ist Palantir eng mit US-amerikanischen Militär- und Sicherheitsbehörden verbunden, die zu den ersten und besten Kunden des 2004 gegründeten Unternehmens zählen. Daraus resultiert die Furcht, die von "Hessen-Data" genutzten Daten könnten von Hessen in die USA gelangen.

Ein Untersuchungsausschus des hessischen Landtages befasste sich bis Anfang 2019 zudem mit der Frage, ob die Auftragsvergabe an Palatir rechtswidrig erfolgt ist.

Aus Sicht der Grundrechte steht "Hessen-Data" im Konflikt mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Artikel 1, Abs. ! GG.

Im Besonderen stehen Massendatenauswertungen wie sie mit "Hessen-Data2 möglich sind, dem im Datenschutzrecht zentralen Zweckbindungsgrundsatz in Frage, Solche Programme sind für ihre Tätigkeit der Auswertung und verknüpfung gerade darauf angewiesen, auf möglichst umfangreiche Datenbestände zugreifen zu können. Im Gegensatz dazu besagt der Zweckbindungsgrundsatz: Einmal  personenbezogen erhobene Daten dürfen grundsätzlich nur für den Zweck genutzt werden, für den sie auch erhoben wurden.

Denn für die Intensität des jeweiligen Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist entscheidend, in welchem Umfang die Daten später genutzt werden dürfen. Handelt es sich um einen eng begrenzten Zweck oder ein breite Vielfalt möglicher Nutzungen? Und wie gewichtig ist dieser Zweck im Verhältnis zu dem Eingriff in das Grundrecht?

Diese Fragen war bislang einfach zu beantworten, denn erhobene Daten durfte nur die Polizei zunächst einmal nur in dem Strafverfahren oder polizeilichen Vorgang verwenden, in dem sie auch erhoben wurden. Nur unter bestimmten  Voraussetzungen gestatteten die Polizeigesetze eine fortgesetzte Speicherung und verfahrensübergreifende Nutzung.

Zwar sind die gesetzlichen Möglichkeiten einer solchen Zweckänderung im Polizeirecht schon in den vergangenen Jahren massiv ausgeweitet worden. Der Einsatz von Programmen wie "Hessen-Data" führt nun aber endgültig zu einem Paradigmenwechsel. Da die Software auf einen praktisch grenzenlosen Zugriff der polizeilich gespeicherten Daten angewiesen ist, wird ihr zunehmender Einsatz in der Praxis zu einem weiteren Abbau der durch Zweckbindungsgrundsatz gezogenen Grenzen führen. (Tobias Singelnstein,  Grundrechtereport 2019)


 

Es ist äußerst bedenklich, dass US-Behörden auf die von der deutschen Polizei gespeicherten Datensätze zugreifen können. Leicht könnten bruchstückhafte falsch interpretierte Daten in den Händen von US-Börden dazu führen, dass unschuldige Bürger vom CIA gekidnappt und in ein Foltergefängnis der USA verschleppt werden. Siehe Beitrag "Renditions - USA lassen entführen und foltern"

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