Über diabolische Sprachscharaden – nicht nur während Corona
(...) "Machtausübung durch gezieltes Aneinandervorbeireden“, (...) Wenn die Grenzen meiner Sprache wirklich die Grenzen meiner Welt bedeuten, wie Wittgenstein sagt, dann sollten wir Dritten nicht einfach so leichtfertig die Macht über unsere Sprache überlassen, wie wir es bisher getan haben. (...)
Die Aufarbeitung der Coronazeit schreitet langsam aber sicher voran. Über Vieles wurde im Zuge dessen schon geschrieben: die Maßnahmen, die „Impfungen“, die Spannung zwischen wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen und politischem Willen. Derweil droht das größte Macht- und Manipulationswerkzeug ins Hintertreffen zu geraten: Die Sprache. Zeit für eine erste Bilanz.
Manchmal ertappe ich mich dabei, auf die Frage, ob wir denn noch in einer Demokratie leben würden, mit dem Satz: „In aristotelischem Sinne: Ja!“, zu antworten. Dann sind die Einen beruhigt, die anderen legen die Stirn in Falten,
um angestrengt nachzudenken (oder zumindest so zu tun, als ob) und die, die sich noch ein bisschen an Aristoteles’ Schriften über die Politik erinnern, schmunzeln wissend, weil sie nicht vergessen haben, dass das Wort „Demokratie“ beim großen Philosophen alles andere als positiv besetzt ist.
„Demokratie“ ist für Aristoteles nicht etwa die „Herrschaft des Volkes“, sondern die „Herrschaft des Pöbels“. Ähnlich wie die Tyrannis oder die Oligarchie ist diese für ihn damit eine der nicht erstrebenswerten Herrschaftsformen – im Gegensatz zur Plutokratie, der „Herrschaft der Vielen“ (aber nicht: aller). Diese bildet, so wie die Monarchie und die Aristokratie auch, das positive Gegenstück zum korrumpierten Modell.
Das wissen aber die meisten nicht, weswegen es zur oben geschilderten Dreiteilung der Reaktionen kommt, was mir dann oft einen gewissen Handlungsspielraum eröffnet, wie ich weiter verfahren will: Möchte ich jetzt diskutieren oder möchte ich es nicht? Will mein Gegenüber überhaupt ein tiefer gehendes Gespräch führen? Wie ähnlich denken wir? Reden wir eigentlich über dasselbe?
Ein und derselbe Begriff kann also völlig unterschiedlich aufgefasst und gedeutet werden – je nach Hintergrund und Wissensstand des Einzelnen. „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, schrieb Wittgenstein einmal. Spannend wird es dann, wenn ganz unterschiedliche sprachliche Grenzen, oder besser: Grenzziehungen, vulgo „Definitionen“ (von lat. „fines“, die Grenze) ins Spiel kommen und aufeinandertreffen. Dann ist die Gefahr aneinander vorbeizureden recht groß und das kann zu Missverständnissen führen, die eigentlich niemand wollen kann. Oder doch?
Lässt man die Coronazeit, inklusive ein paar Jahre Vorlauf, Revue passieren, zeichnet sich ein anderes Bild ab: Es gab derart viele und markante sprachliche Grenzverschiebungen, dass es, frei nach Ockhams Razor, einfacher ist, anzunehmen, dass diese absichtlich vorgenommen wurden, als dass es sich um bloßen Zufall handeln könnte. Dafür muss man sich nicht einmal mit Planspielen wie Event 201 näher befasst haben.
„Machtausübung durch gezieltes Aneinandervorbeireden“, könnte man dieses Geschehen auch nennen. Die irrige Annahme eines Großteils der Bürgerinnen und Bürger, sie würden bestimmte Begrifflichkeiten inhaltlich genauso füllen, wie diejenigen, die an den Schalthebeln der Macht sitzen, eröffnet letzteren einen ungeheuren Handlungsspielraum, der so lange bestehen bleibt, wie die Bevölkerung das (Sprach-)Spiel mitspielt.
Pandemie- ja oder nein?
Eines der prägnantesten Beispiele hierfür ist der Pandemiebegriff. Vielen tkp-Lesern dürfte bekannt sein, dass die WHO hier 2005 einen Positionswechsel vollzog. Während der „Influenza Preparedness Plan“ von 1999 noch, trotz aller Fortschritte in der Medizin, im Pandemiefall davon sprach, dass „eine beispiellose Zahl von Krankheits- und Todesfällen erwartet würden“ (unparalleled tolls of illness and death would be expected), geht es bei einer „Pandemie“ seit 2005 darum, dass man versucht, Infektionen – egal welcher Schwere – zu vermeiden.
Es geht nunmehr um „Fälle“, nichts weiter. Dies führt dazu, dass die WHO seither von einer „Pandemie“ sprechen kann, wann immer ein Erreger weltweit die Runde macht. Ob das nun mit einer erhöhten Anzahl an schweren Krankheits- und Todesfällen verbunden ist, ist nicht mehr von Belang. Streng genommen könnte die WHO auch bei jedem Schnupfen, der sich global ausbreitet, eine Pandemie ausrufen und damit ihre Mitgliedsstaaten anhalten, den Ausnahmezustand zu verhängen – auch wenn für die Bevölkerung aus eigenem Erleben nicht ersichtlich ist, wo da jetzt eine neue Bedrohung entstanden sein soll.
Doch „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“, schrieb Carl Schmitt schon 1922. Beinah ebenso souverän ist der, der die sprachliche Begriffsvorlage für den Ausnahmezustand schafft, mag man noch hinzufügen. Dabei braucht es gar nicht viel Wortakrobatik, um Machthaber und Bevölkerung aneinander vorbei kommunizieren zu lassen, sodass letztere die Panikmache vor einem vermeintlichen Katastrophenszenario bereitwillig schluckt.
Die Wenigsten hatten sich zu Beginn der Coronazeit mit den Begrifflichkeiten auseinandergesetzt
und gemerkt, dass die WHO (und in der Folge auch Politik und Medien) unter einer „Pandemie“ etwas völlig anderes verstand, als das, was man landläufig mit diesem Begriff verbinden würde. Also nahmen viele das Narrativ bereitwillig an und verfielen in einem emotionalen Ausnahmezustand, der das kritische Denken und Hinterfragen zunehmend erschwerte. Wer wollte sich auch mit Wortklaubereien beschäftigen, wenn es doch (vorgeblich) um Leben und Tod ging?
Der Fall der Fälle
Hinzu kam noch, dass, wenn Politik und Medien von „Fällen“ sprachen, es eben nicht um (mehr oder minder stark) Erkrankte im eigentlichen Sinne ging, sondern um positiv Getestete, die durch sehr fadenscheinige Testverfahren zustande kamen – völlig unabhängig davon, ob der Betroffene wirklich symptomatisch erkrankt war oder nicht.
Auch hier wurde munter am Begriffsverständnis der Bevölkerung vorbei kommuniziert – und die meisten bemerkten es nicht einmal. Sie merkten es selbst dann nicht, wenn Politiker oder Behördenvertreter vor laufender Kamera sagten, dass diejenigen als „Coronatote“ gezählt würden, die z.T. Wochen vor ihrem Ableben einen positiven Test hatten – unabhängig von den Todesumständen.
So ließ sich ein Großteil der Bevölkerung, über eine an sich kleine Veränderung bezüglich der sprachlichen Begrifflichkeiten, in das Narrativ einer Pandemie hineinziehen, die unterm Strich genauso real war, wie des Kaisers neue Kleider im gleichnamigen Märchen. Viele befolgten artig und achtsam die neu verhängten Regeln (so irrsinnig diese auch waren), hielten ihre Mitmenschen ebenfalls dazu an und denunzierten gar jene, die das Spiel durchschaut hatten und sich dem Maßnahmenzirkus nicht beugen wollten. Das Märchenhafte an „Des Kaisers neue Kleider“ ist daher nicht, dass sich ein Mensch subjektiv etwas einbildet, was objektiv gar nicht vorhanden ist – dieses Kunststück ist vielen Menschen während der Coronazeit gelungen. Nein, das Märchenhafte besteht darin, dass in Andersens Geschichte die Wortmeldung eines einzigen Kindes genügt, um die Menschen zum Umdenken zu bewegen. Wäre dies im realen Leben auch so – wir wären in puncto Aufarbeitung einen gewaltigen Schritt weiter.
Der „Impfung“- Etikettenschwindel
Eine weitere sprachliche Grenzverschiebung erlebten wir beim Begriff der „Impfung“. Diese Grenzverschiebung schlug sich im Juli 2009 in Deutschland sogar gesetzlich nieder, indem §4, Abs.4 des Arzneimittelgesetzes (AMG) entsprechend geändert wurde (Neuerungen hervorgehoben):
(4) Impfstoffe sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1, die Antigene oder rekombinante Nukleinsäuren enthalten und die dazu bestimmt sind, bei Mensch oder Tier zur Erzeugung von spezifischen Abwehr- und Schutzstoffen angewendet zu werden und, soweit sie rekombinante Nukleinsäuren enthalten, ausschließlich zur Vorbeugung oder Behandlung von Infektionskrankheiten bestimmt sind.
Der Einsatz von rekombinanten Nukleinsäuren war bis dato eine Methode, die man gemeinhin als einen gentechnischen Eingriff aufgefasst hatte und dem man von daher mit einer gewissen Vorsicht begegnete. Dass von dieser Vorsicht nicht mehr viel übrig blieb, konnten wir in den letzten Jahren beobachten. Über die Schäden, die dadurch entstanden sind, wurde und wird, nicht nur auf tkp.at, immer mehr berichtet. Ob die Menschen sich auch dann bereitwillig diesen Injektionen ausgesetzt hätten, wenn man ihnen gesagt hätte, dass sie sich einem gentechnischen Eingriff unterziehen müssten, damit sie Einkaufen, ins Kino oder ins Konzert gehen könnten? Und das alles nur wegen eines grippeähnlichen Infekts? Ich denke nicht. Der Widerstand wäre beträchtlich gewesen.
Die diabolische Sprachverwirrung
Auf genau diesen Widerstandsgeist zielt die beschriebene Sprachverwirrung ab: Eine einheitliche Sprache kann Menschen zusammenbringen – Sprachverwirrung jedoch treibt sie auseinander. Wir kennen dieses Prinzip von der Erzählung vom Turmbau zu Babel, wie sie uns die Bibel schildert: Demzufolge griff Gott zum Mittel der Sprachverwirrung, um dem menschlichen Größenwahn vorerst ein Ende zu bereiten – mit Erfolg.
Die Sprachverwirrung unserer Zeit dagegen scheint eher den Zweck zu haben, eben diesem Größenwahn den Weg zu ebnen, indem sie Begriffsgrenzen und Wortbedeutungen durcheinanderwirbelt und über den Haufen wirft. Das aber ist diabolisch im ursprünglichsten Sinne des Wortes – bedeutet doch das altgriechische διαβάλλειν genau das: ein Durcheinander- und über den Haufenwerfen bestehender Normen und Gewissheiten.
In diesem Durcheinander noch widerstandsfähig zu sein, ist alles andere als leicht. Selbst wenn man sich seinen Widerstandsgeist und -willen bewahrt hat – so erschwert es die Sprachverwirrung doch erheblich, diese sinnvoll auszurichten. Dies führte beispielsweise dazu, dass viele kritische Menschen trotz allem das vorgegebene Narrativ von der Pandemie übernahmen und/oder lange darüber diskutieren, ob es eine solche Coronapandemie überhaupt gebe, bzw. gegeben habe.
Wäre es stattdessen nicht einfacher gewesen, zu sagen, dass die WHO und mit ihr Politik und Massenmedien unter dem Begriff „Pandemie“ etwas völlig anderes verstanden als die Bevölkerung? Wozu erst den „offiziellen“ Begriff übernehmen, um dann dagegen zu arbeiten?
Warum haben so viele kritisch Denkende, seien sie nun vom Fach oder nicht, das Sprachspiel mit den Fallzahlen einfach übernommen – insbesondere inklusive der mehr als unsinnigen und verwirrenden Kategorie der „an und mit“ Covid Verstorbenen?
Auch beim Wortspiel der „Impfungen“ haben sich viele Kritiker ungewollt am Etikettenschwindel beteiligt, indem sie, aus welchen Gründen auch immer, einen gentechnischen Eingriff lange Zeit ebenfalls als „Impfung“ bezeichneten und damit faktisch das vorgegebene Narrativ übernahmen.
Aufarbeiten der sprachlichen Heuchelei
Wenn wir die Geschehnisse der letzten Jahre (plus ihrem zeitlichen Vorlauf) aufarbeiten, so kann dies auf den verschiedensten Ebenen geschehen: naturwissenschaftlich, medizinisch, juristisch, politisch, psychologisch usw. usf. Das alles ist auch gut und wichtig.
Daneben aber sollten wir uns auch immer wieder bewusst machen, wo wir den sprachlichen Scharaden der Mächtigen auf den Leim gegangen sind und unbewusst Begrifflichkeiten oder sprachliche Grenzziehungen übernommen haben, die wir von uns aus eigentlich ganz anders füllen und gestalten würden. Dass „Scharade“ neben „Rätselspiel“ auch „Täuschung, Farce und Heuchelei“ bedeuten kann, passt hier sehr gut ins Bild.
Dies trifft insbesondere auf „offizielle“ Definitionen zu, wie sie von verschiedenen internationalen Institutionen und Gremien verwendet werden. Wer diese ungeprüft übernimmt, steht schon mit einem Bein im neuen Narrativ. Besser wäre es, zu schauen, woher eine geltende sprachliche Regelung stammt, ob sie in letzter Zeit verändert wurde und was die Folgen einer etwaigen Änderung sein könnten.
Hier ist die Coronazeit nur ein Beispiel unter vielen.
Wenn die Grenzen meiner Sprache wirklich die Grenzen meiner Welt bedeuten, wie Wittgenstein sagt, dann sollten wir Dritten nicht einfach so leichtfertig die Macht über unsere Sprache überlassen, wie wir es bisher getan haben.