[Attac-do] Terminvorschau: Klaus Dörre am 7.Oktober in der Auslandsgesellschaft
Und hier ein Artikel von ihm, Susanne Ferschl und Ulrike Eifler zu einem Aspekt seines Vortrages:
- FR Samstag, 24. August 2024, Deutschland / Politik
Hemmt Aufrüstung die sozial-ökologische Transformation?
Die Rüstungsbranche sei eine „Doppelindustrie“, denn sie erzeuge außer den Waffen selbst „immer auch Waffenbedarf und die Chancen für deren Gebrauch“, notierte der Philosoph Günther Anders in den 1960er Jahren. Heute ist diese Erkenntnis von brennender Aktualität. Der Aufschwung der Rüstungsbranche kostet heute und auch zukünftig unzählige Menschenleben, denn er gefährdet die Dekarbonisierung der Industrie und damit den Kampf gegen die Erderhitzung.
Der von der Transformation betroffene Automobilzulieferer Continental hat kürzlich mit Rheinmetall eine langfristige Kooperation beschlossen. Erklärtes Ziel: Den Beschäftigten im Konzern neue Berufsperspektiven bieten und den Arbeitskräftebedarf bei Rheinmetall decken – schließlich rechnet die Rüstungsschmiede dank millionenschwerer staatlicher Aufträge mit einem Umsatzwachstum von bis zu 40 Prozent. Doch obgleich tausende neue Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie entstehen, ist das keine nachhaltige Arbeitsplatzstrategie.
Das zeigte sich, als Mitte Juni infolge möglicher Friedensverhandlungen in der Ukraine die Aktienkurse der Rüstungsfirmen um satte sechs Prozent einbrachen und sechs Milliarden Euro Börsenwert verloren gingen. Arbeitsplatzsicherheit in der waffenliefernden „Doppelindustrie“ gibt es nur, wenn die Nachfrage nach Waffen langfristig gesichert wird, und die effektivste „Kosumsituation“ dieser Waffen ist der Krieg.
Aber selbst die Auswirkungen von Aufrüstung ohne Waffenanwendung ist ökologisch verheerend. Schätzungen zufolge liegt der CO2-Fußabdruck des gesamten deutschen Militärsektors bei 4,5 Millionen Tonnen pro Jahr . Das entspricht dem jährlichen CO2-Ausstoß von einer Million Autos.
Werden solche Emissionsquellen nicht abgeschaltet, lässt sich die Erderhitzung nicht stoppen. Wie einschlägige Szenarien zeigen, lassen sich die mit dem Klimawandel einhergehenden Wohlfahrtsverluste, die mehr als 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen könnten, mit denen eines dauerhaften Krieges vergleichen – eines Krieges, dessen Folgen allerdings Ewigkeitscharakter hätten. Solche Zahlen zeigen: Echter Klimaschutz ist ohne Entspannungspolitik und Abrüstung nicht möglich. Der Kampf gegen den Klimakollaps erfordert eine intensivere zwischenstaatliche Kooperation.
Die OECD warnt aber davor, dass der Ukraine-Krieg die bisherigen Klimaschutzbemühungen Europas zunichtemachen könnte.
Aktuelle politische Ereignisse geben solche Befürchtungen zusätzlich Nahrung. Olaf Scholz sagte beim Petersberger Klimadialog, dass öffentliche Gelder für den Klimaschutz gedeckelt werden müssten. Aufrüstung und Waffenexporte bedeuten zwangsläufig, dass der sozial-ökologische Umbau ins Stocken gerät. In den nächsten zehn Jahren müssten mindestens 600 Milliarden Euro zusätzlich in die Transformation der Industrie sowie in Infrastruktur investiert werden, um die Pariser Klimaziele noch zu erreichen. Woher das Geld kommen soll, steht angesichts der Haushaltslage und Schuldenbremse in den Sternen.
Die Wirkungen dieser Unsicherheitspolitik sind katastrophal. Nicht nur, das Geld für die sozial-ökologische Transformation fehlt. Dringend benötigte Finanzmittel fließen stattdessen in eine nicht nur CO2-intensive, sondern vor allem zerstörerische waffenproduzierende „Doppelindustrie“, die ihren Erfolg durch die Produktion immer „besserer“ Waffensysteme sicherstellt. Wie sinnvoll ist es, den, im besten Fall, grün produzierten Stahl nicht für Brücken, Schienen und Stromtrassen zu verwenden, sondern für immer neue Panzer und Artilleriegeschosse?
Die Klimabemühungen tausender Betriebsräte werden so jedenfalls ad absurdum geführt. Ökologischer Industrieumbau lässt sich nicht von der Frage trennen, was unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen, wie und womit produziert werden soll.
Gewerkschaften und Klimabewegung müssen daher alles daransetzen, den aktuellen Aufrüstungskurs zurückzudrängen.
Klaus Dörre ist Professor für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie an der Universität Jena.
Susanne Ferschl ist stellvertretende Vorsitzende der Linken im Bundestag und war früher Betriebsratsvorsitzende.
Ulrike Eifler ist Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft in der Partei Die Linke und arbeitet als Gewerkschaftssekretärin.
Die Hölle ist in Gaza
Bericht zweier us-amerikanischer Ärzte, die als Freiwillige für 14 Tage in Gaza im Einsatz waren:
Auf deutsch:
https://www.palestinemission.at/single-post/wir-haben-als-freiwillige-in-einem-krankenhaus-in-gaza-gearbeitet-was-wir-sahen-war-unbeschreibli
Originalbeitrag in englischer Sprache und mit dazugehörendem Bildmaterial der Ärzte:
https://www.politico.com/news/magazine/2024/07/19/gaza-hospitals-surgeons-00167697
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