06. Oktober 2025   Aktuell

Global-Sumud-Flottilla: Ein Sieg der Gewaltfreiheit

Javier Tolcachier
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*Es hätte jeder Tag sein können, aber es war genau dieser. Wenige Stunden nach Beginn des Internationalen Tages der Gewaltfreiheit am 2. Oktober stoppte die israelische Marine in internationalen Gewässern mehrere Schiffe der Global-Sumud-Flottille. Sie nahm Hunderte unbewaffnete Freiwillige fest, die mit Lebensmitteln und Medikamenten nach Gaza gelangen und damit die israelische Blockade durchbrechen wollten.*

Der Kontrast war offensichtlich: Auf der einen Seite standen der Mut und die Tapferkeit von Menschen, die sich mit dem Leid und dem Schmerz anderer solidarisierten und von Millionen Menschen auf der ganzen Welt unterstützt wurden. Auf der anderen Seite stand die brutale Gewalt eines Staates, dessen Grausamkeit von den Mächtigen dieser Welt geschützt wurde.

Mit großer Aufmerksamkeit und Bewunderung verfolgten Hunderte Millionen Menschen die Ereignisse rund um die fast 50 Schiffe, die von Italien, Griechenland, Spanien und Tunesien aus in See stachen, um zu bezeugen, dass es in den Völkern eine mächtige moralische Kraft lebt, die durch den Aufstand gegen Ungerechtigkeit und den Ruf nach gerechten und würdigen Gesellschaften mobilisiert wird.



Angesichts dieser neuen illegalen Provokation gegen die Flottille und der möglichen Entmutigung all jener, die sich darauf gefreut hatten, dass sie ungehindert die Küste Gazas erreichen würde, ist es angebracht, ihren durchschlagenden Erfolg hervorzuheben.


     *Die grandiose Meisterleistung und ihre Vorgeschichte*

Die Global-Sumud-Flotilla (arabisch für „Widerstand” oder „Beharrlichkeit”) begann ihre Reise zwischen August und September mit fast 500 Teilnehmern aus mehr als 40 Ländern.

Der humanitären Expedition, die einen enormen symbolischen Wert hatte, waren bereits ähnliche Aktionen vorausgegangen. Die erste Flottille wurde im August 2008 mit zwei Schiffen (SS Liberty und SS Free Gaza) gestartet. Sie stachen von Zypern aus in See und erreichten Gaza. Insgesamt wurden zwischen 2008 und 2009 fünf Fahrten unternommen, bevor Israel begann, sie systematisch abzufangen.

Dann kam es zur Tragödie der Freiheitsflottille im Jahr 2010. Die aus sechs Schiffen bestehende Flottille, darunter die Mavi Marmara, wurde am 31. Mai 2010 in internationalen Gewässern von israelischen Kommandos gewaltsam abgefangen. Dabei wurden zehn Aktivisten getötet und Dutzende verletzt.

Im Jahr 2011 plante eine große internationale Koalition die Abfahrt der Freedom Flotilla II: Stay Human mit mehr als 300 Aktivist:innen aus 20 Ländern. Diese wurde jedoch aufgrund diplomatischen Drucks von den griechischen Behörden blockiert.

Die „Estelle”, ein unter finnischer Flagge fahrendes Segelschiff, das ebenfalls Teil der „Freedom Flotilla” war, wurde 2012 von der israelischen Marine in internationalen Gewässern abgefangen; ihre Passagiere wurden verhaftet und deportiert.

Im Jahr 2016 überquerte die ausschließlich aus Frauen bestehende Besatzung des „Women’s Boat to Gaza”, bestehend aus Aktivistinnen, Journalistinnen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus mehr als zehn Ländern, das Mittelmeer. Sie wollten auf die Auswirkungen der Blockade auf Frauen und Kinder in Gaza aufmerksam machen. Jedoch wurde ihnen erneut der Durchbruch der von Israel verhängten Seeblockade verwehrt.

Das Schiff Madleen wurde im Juni 2025 abgefangen, seine Besatzung festgenommen und deportiert. Ein letzter Versuch vor der Gründung der Global-Sumud-Flotilla war die Expedition der „Handala”, die am 13. Juli in See stach und 13 Tage später abgefangen wurde.

Angesichts dieser Vorgeschichte und der realen Gefahr, angegriffen zu werden, der Einschüchterung durch Drohnen und Brandkörper, des Beschusses mit Wasserwerfern, der schwierigen Wetterbedingungen und der enormen körperlichen und geistigen Anstrengung der Überfahrt ist das Abenteuer dieser mutigen Aktivist:innen eine wahrhafte Meisterleistung, die höchste Anerkennung und Unterstützung verdient.


     *Der politische Sieg der Flottille*

Es fällt schwer, von einem Sieg der Gewaltfreiheit zu sprechen, wenn man die Tausenden von Opfern des Massakers, der Vertreibung und der Demütigungen berücksichtigt, unter denen das palästinensische Volk seit mehr als sieben Jahrzehnten leidet. Auch die Gewalt fanatischer Köpfe, die glaubten, die Befreiung würde durch das Töten und Einschüchtern der israelischen Bevölkerung mit Anschlägen und Hinterhalten erreicht werden, darf in dieser Aufzählung nicht außer Acht gelassen werden.

Die jüngste Enterung der Schiffe der Sumud-Flottille und die Entführung von 484 Aktivist:innen tragen nur noch mehr zur Spirale der Gewalt bei. Was jedoch auf den ersten Blick wie eine Niederlage erscheint, ist bei genauerer Betrachtung ein durchschlagender Sieg der Gewaltfreiheit.

Die Reise der Flottille verfolgt über ihr erklärtes symbolisches Ziel hinaus grundlegende politische Ziele. Dabei soll der extrem gewaltsam unterdrückten und von Hunger, Bomben, Wassermangel und der Zerstörung ihrer Gesundheits- und Wohninfrastruktur bedrohten Bevölkerung geholfen werden. Dies entzieht der Aktion keineswegs ihre Legitimität, wie die israelische Regierung behauptet, sondern unterstreicht die Bedeutung ihres Vorhabens.

Aus politischer Sicht zielt die Mission darauf ab, die unmoralische Fortsetzung des Völkermords aktiv anzuprangern, dessen sofortige Beendigung zu fordern, die Illegalität der Blockade offenzulegen, durch die die Zivilbevölkerung erstickt, und den internationalen Druck zu erhöhen, um Freiheit und Selbstbestimmung für das palästinensische Volk zu erreichen.

Auch wenn es aufgrund der aktuellen Situation nicht eindeutig erkennbar ist, wurde der politische Sieg doch erzielt.

In diesem Zusammenhang sei an den Prozess erinnert, der zur Abschaffung der Apartheid in Südafrika und zum Ende des rassistischen Regimes geführt hat. Heute werden Rassismus und Unilateralismus, verkörpert durch Persönlichkeiten wie den US-Präsidenten und den israelischen Ministerpräsidenten, weitgehend abgelehnt. Ein Beweis dafür ist die kürzlich erfolgte Anerkennung des palästinensischen Staates durch mehrere Länder, die Teil der atlantischen Strategie sind und dies zuvor kategorisch abgelehnt hatten. Der diplomatische Damm ist gebrochen, und es wird nicht mehr lange dauern, bis die Palästinenser mit vollen Rechten an der Versammlung der Vereinten Nationen teilnehmen können.

Hinzu kommt die zunehmende Schwäche Netanjahus und seiner Regierungskoalition, die nur noch durch extremistische religiöse Fraktionen zusammengehalten wird. Die wachsenden Proteste spiegeln die Unzufriedenheit und das Bedürfnis nach Veränderung wider, die sich in der israelischen Bevölkerung ausbreiten.

Palästina ist somit eine der letzten kolonialisierten Enklaven und die Aktion der Flottille hat es im langwierigen Prozess der weltweiten Entkolonialisierung einen Schritt weitergebracht.


     *Der moralische Sieg der Gewaltfreiheit*

Die moralische Haltung der Flottille und die dramatische Situation in Gaza haben ein weltweites soziales Erwachen ausgelöst. In Hunderten von Städten auf der ganzen Welt – in Großstädten ebenso wie in kleinen Ortschaften – gingen die Menschen auf die Straße, blockierten Häfen, organisierten Kundgebungen und viele andere Aktionen, um gegen die tödliche Gewalt gegen die palästinensische Bevölkerung zu protestieren.

Die Völker reagierten schnell und massiv auf die Gleichgültigkeit und Heuchelei der meisten Regierungen. Hinzu kommt nun noch die Erpressung durch einen wahnwitzigen, nicht konsultierten imperialistischen Plan, der Palästina zu einer Art „Protektorat” verurteilen will und die Geschichte in die Ära des britischen Kolonialismus zurückversetzt. Selbst die Rolle eines Untertanen der Krone ist vorgesehen.

Aus dieser Liste der Komplizen des Todes muss der kolumbianische Präsident Gustavo Petro ausgenommen werden. Er widersetzte sich der Logik des Schweigens und setzte sich aktiv für das Ende dieses eklatanten Versuchs der ethnischen Säuberung ein.


     *Ein historischer ethischer Sieg*

Zweifellos wurde jedoch über die jüngsten Ereignisse hinaus die Methodik der Gewaltfreiheit als wichtigstes Instrument auf dem Weg zu neuen sozialen Horizonten etabliert.

Die Wellen, die nicht das Privileg hatten, die Schiffe der Sumud-Flottille an die Strände von Gaza zu bringen, haben sich in Sturmfluten verwandelt, deren Wucht nicht nachlassen wird, bis sich eine humanistische und gewaltfreie Haltung tief im menschlichen Bewusstsein verankert hat und zu unserer gewohnten Lebens- und Beziehungsweise geworden ist.

   */Denn wie Pablo Neruda sagte: „Sie können wohl alle Blumen
   abschneiden, aber sie können den Frühling nicht verhindern.“/*

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*/Die Übersetzung aus dem Spanischen wurde von Kornelia Henrichmann vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. /**/Wir suchen Freiwillige!/* <https://www.pressenza.com/de/mitarbeiten/>
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